# taz.de -- Rechte von Fußballern in der Coronakrise: Isolierte Interessen | |
> Die Deutsche Fußball Liga berät, wie der Spielbetrieb weitergeht. Profis, | |
> die sich vor Quarantänelagern fürchten, dürfen nicht mitbestimmen. | |
Bild: Von der DFL empfohlener Coronajubel: Leverkusens Paulinho zeigt, wie man … | |
Das Wort „Geisterspiel“ klingt unschön. Bei der Deutschen Fußball Liga | |
(DFL) spricht man daher von „Spielen ohne Stadionbesucher“. Eine solche | |
Wortwahl erleichtert vielleicht das Ziel vieler Proficlubs, die | |
Bundesligasaison in der Coronakrise doch noch zu Ende spielen zu können. | |
Heute hält die DFL ihre Mitgliederversammlung ab. Um eine Woche war das | |
Treffen der Vorstände der 32 Klubs aus erster und zweiter Bundesliga | |
verschoben worden. Es geht nun um die Frage, [1][ob und wie der | |
Spielbetrieb weitergeht] – und zwar mit eingehenden Fernsehgeldern, mit | |
Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Sponsoren, mit | |
laufendem Merchandising. Aber „ohne Stadionbesucher“. | |
Jedoch mit Fußballern. Die allerdings dürfen nicht mitbestimmen, ob sie | |
demnächst in Zweikämpfe gehen müssen. Die Vereinigung der | |
Vertragsfußballspieler (VDV) ist immer noch mehr oder weniger Zaungast, | |
wenn entschieden wird, ob der Spielbetrieb läuft. VDV-Geschäftsführer Ulf | |
Baranowsky betont jedoch im Gespräch mit der taz, man sei ohnehin in | |
ständigem Kontakt mit DFB und DFL – „das gilt auch für den Umgang mit der | |
Pandemie“. | |
Corona ist schon seit Wochen das wichtigste Thema bei der | |
Spielergewerkschaft. „Wir führen gegenwärtig zahlreiche Telefonate und | |
Videokonferenzen mit Spielern durch“, sagt Baranowsky. „Auch der | |
VDV-Spielerrat, dem unter anderen Benedikt Höwedes und Andreas Luthe | |
angehören, hat per Videokonferenz zur Covid-19-Problematik getagt.“ Was die | |
Spieler fordern, ist eindeutig: „Unsere Priorisierung ist klar: | |
Gesundheitsschutz steht im Vordergrund. Zudem wünschen sich die Spieler, | |
dass sie möglichst nicht in eine Dauerisolation geschickt werden.“ | |
Diese Dauerisolation dürfte zu den Folgen eines | |
Pro-Geisterspiel-Beschlusses der DFL gehören. Wenn Fußballprofis in diesen | |
Tagen ihren Kontaktsport ausüben, dann heißt dass nicht nur, dass sie | |
mehrmals die Woche getestet werden – etwa in Labors des | |
Schweineindustriellen und Schalke-Bosses Clemens Tönnies – und damit | |
Testkapazitäten binden, die andernorts eher gebraucht würden. Es heißt | |
auch, dass sie wochenlang ihre Trainingslager nicht verlassen dürfen. Die | |
Arbeitsverträge sehen jedoch solche Quarantänelager nicht vor, sagt | |
Baranowsky. Natürlich wollten auch die in der VDV organisierten Profis – es | |
sind überwiegend Spieler der ersten vier Ligen – bald wieder auflaufen, | |
„allerdings immer unter der Voraussetzung, dass dies medizinisch | |
verantwortbar ist“. | |
## Das Schweigen der DFL | |
Doch die Möglichkeiten für erfolgreiche Interessenvertretung der VDV sind | |
begrenzt. Zu konkreten Szenarios könne man sich derzeit kaum äußern, so | |
Baranowsky, „da alle Planungen unter dem Vorbehalt der behördlichen | |
Zustimmung stehen“. Und bei den Entscheidungen bestimmt die DFL, die aus | |
Spielersicht Vertreter der Arbeitgeberseite ist. Die DFL wiederum teilt | |
mit, sie werde Fragen erst beantworten, wenn die Beschlüsse gefasst wurden. | |
Die taz wollte wissen, ob Profis bei der DFL-Mitgliederversammlung | |
mitentscheiden dürfen oder wenigstens gehört werden. | |
Die VDV fordert schon lange Betriebsräte und [2][Tarifverträge], wie es sie | |
im englischen, französischen und spanischen Profifußball gibt. Aktuell | |
laufen in Deutschland vier Insolvenzverfahren – „in Wattenscheid und | |
Erfurt musste sogar der Spielbetrieb eingestellt werden“, sagt Baranowsky. | |
Hier würden solche Instrumente helfen. Wie sehr sich in der Coronakrise | |
das Fehlen von Betriebsräten rächen kann, zeigt sich im Nachbarland | |
Schweiz. Da hat der Erstligist FC Sion im März neun Profis entlassen, weil | |
diese nicht binnen einer sehr kurz angesetzten Frist Kurzarbeit zugestimmt | |
hätten. Die Spieler sagen, dass sie sich erst juristisch beraten lassen | |
mussten und dass sie sehr wohl bereit seien, auf Teile des Gehalts zu | |
verzichten. „Drei Monate ohne Lohn tut den meisten von uns nicht weh“, | |
sagte etwa Ex-HSV-Profi Johan Djourou. „Aber wir haben auch Rechte.“ | |
Dass sich der Fußball unter dem Gesichtspunkt demokratischer Mitbestimmung | |
von Profis und Fans nach der Coronakrise noch schlechter aufstellen könnte | |
als ohnehin schon, befürchten nicht wenige. „Wo weniger Geld ist, da kann | |
auch weniger verteilt werden“, sagt Baranowsky. „Darauf sind wir als | |
Spielergewerkschaft vorbereitet.“ Er verweist auf VDV-Angebote, die in der | |
Krise immer wichtiger werden: etwa das Proficamp für vereinslose Spieler, | |
die Rechtsberatung oder sportpsychologische Angebote. | |
Die Weltspielergewerkschaft Fifpro hat in diesen Tagen eine Befragung von | |
1.134 männlichen und 468 weiblichen Profis in England, Frankreich, der | |
Schweiz und Südafrika vorgelegt: 22 Prozent der Spielerinnen und 13 Prozent | |
der Spieler erkennen bei sich Symptome, die man Depressionen zuordnet. | |
Generelle Angst erwähnen 18 Prozent der Spielerinnen und 16 Prozent der | |
Spieler. Gerade die Sorgen um die Gesundheit sollten, so Fifpro, aber nicht | |
dazu führen, zu schnell zum Spielbetrieb zurückzukehren. | |
„Wir müssen den Fußball künftig robuster aufstellen“, sagt Ulf Baranowsk… | |
Vielleicht gelingt es ja in der Folge der gegenwärtigen schwierigen | |
Situation, einige der VDV-Forderungen durchzusetzen. „Insofern bietet die | |
Krise auch eine Chance.“ | |
22 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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