# taz.de -- Neustart der Fußball-Bundesliga: Saubermänner des deutschen Fußb… | |
> Die Funktionäre der Deutschen Fußball Liga können ihr Schicksal sorglos | |
> in die Hände von Politikern legen – und dabei ihre Hände in Unschuld | |
> waschen. | |
Bild: Massenmagnet Fußball: Weltmeister Bastian Schweinsteiger lässt sich vom… | |
Der Maulkorb war die erste Hygienemaßnahme, welche die Deutsche Fußball | |
Liga ihren Vereinen vor gut zehn Tagen verordnete. Bloß kein falsches Wort | |
zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs, das sich in Windeseile im ganzen Land | |
verbreiten und das Wohl des Profifußballs gefährden könnte! In einem | |
Schreiben an die Klubs bat DFL-Geschäftsführer eindringlich um | |
Zurückhaltung. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, der Fußball ignoriere | |
in seiner Selbstbezogenheit die Realität.“ | |
Ein interessanter Satz. Die Vereine, so der DFL-Wunsch, sollten ihre | |
Forderungen nach einer Sonderstellung für den Fußball lieber für sich | |
behalten. Schnell hat die DFL erkannt, dass in dieser existenziell | |
bedrohlichen Krise nur selbstbezogene Realpolitik und kein Fundamentalismus | |
hilft. Den Ernst der Lage hat Seifert am Donnerstag so umschrieben. Die | |
Bundesliga könne der Kollateralschaden der Coronakrise sein. | |
Um das zu vermeiden, lässt die DFL nun den Eindruck entstehen, ihr | |
Schicksal in die Hand anderer zu legen. Mediziner, Virologen und Politiker, | |
so die Botschaft, haben jetzt das Sagen im deutschen Fußball. | |
Im Zuge der zahllosen Hygienemaßnahmen scheint Christian Seifert sogleich | |
die DFL reinwaschen zu wollen. [1][Am Donnerstag] war es ihm ein Anliegen, | |
einmal ganz grundsätzlich zu werden: „Wenn unsere Arbeit mit Missgunst | |
begutachtet wird, dann verstehe ich das nicht. Was hat der Profifußball | |
falsch gemacht?“ | |
## Gefahr durch Maskottchen gebannt | |
Geschickt spielt Seifert in der momentan angespannten Lage die Rolle des | |
bescheidenen Zuarbeiters. Die DFL kann sich diese Zurückhaltung leisten. | |
Kein anderer Sportverband in Deutschland hätte die Finanzkraft, ein solch | |
ausgetüfteltes Sicherheitskonzept, wie es unter der Leitung des | |
DFB-Chefmediziners Tim Meyer entstanden ist, in Auftrag zu geben und | |
umzusetzen. Geisterspiele würden künftig in einer Sicherheitsblase | |
stattfinden, die trotz aller unvermeidbaren Anfälligkeit kaum gründlicher | |
durchdacht sein könnten. Auch die Ansteckungsgefahr durch Maskottchen ist | |
in dem 41-seitigen Regelwerk gebannt worden. | |
Auf die Unterstützung politischer Verantwortungsträger kann der | |
Profifußball sowieso zählen. Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler mag sich | |
da noch so sehr über die Bevorzugung des Fußballs durch die Politik | |
beschweren. Zu lange haben beide Seiten voneinander profitiert. Und in | |
Zeiten, wo der Unmut in der Bevölkerung über coronabedingte Einschränkungen | |
stetig wächst, kann sich die DFL sowieso sorgenlos in Obhut von | |
Regierungsvertretern begeben. Das Grundrecht auf Fußball ist vermutlich nur | |
wegen formaler Schwierigkeiten noch nicht im Grundgesetz verankert. | |
Einschränkungen an dieser Stelle sind nur schwer vermittelbar. | |
Dass die Fußballfunktionäre [2][nicht mit forschen Forderungen] auftreten, | |
ermöglicht es den Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel, | |
sich am 30. April als Hauptverantwortliche für den Neustart der Bundesliga | |
wieder ein wenig zu profilieren. Mal zu geben, statt zu nehmen. | |
Der DFL wäre damit auf kurze Sicht geholfen. Und wenn das mit Risiken | |
versehene Projekt der Wiederaufnahme des Spielbetriebs schiefgeht, kann man | |
darauf verweisen, die Verantwortung andern übertragen zu haben. Mit ihren | |
TV-Partnern hat sich der Verband mit der Perspektive auf Geisterspiel auf | |
eine Vorauszahlung der noch ausstehenden TV-Prämien geeinigt. Die Gefahr | |
von Insolvenzen in den nächsten Wochen ist damit abgewendet. | |
Die Strategie der bescheidenen Realpolitik trägt aber auch weiter. Die | |
Absage des Münchner Oktoberfests weist darauf hin, dass man vermutlich weit | |
bis in die nächste Saison mit Bundesligaspielen ohne Publikum rechnen muss. | |
Die DFL wird im kommenden Herbst wieder mit Virologen und Politikern | |
ausloten und verhandeln müssen, wann womöglich die eng gesteckten Grenzen | |
des Erlaubten weiter ausgedehnt werden können. | |
Die letzten Wochen haben gezeigt: Die Macht des Profifußballs ist groß | |
genug, dass ihre Interessenvertreter sie scheinbar anderen übertragen | |
können. Derweil können sie ihre Hände in Unschuld waschen. | |
24 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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