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# taz.de -- Rechte Gewalt in Ostdeutschland: „Die Angst wächst“
> Verbände für Opfer rechter Gewalt zählen für das Jahr 2019 über 1.000
> Angriffe. Mit der Rechtsterrorwelle und der Corona-Pandemie drohe neuer
> Hass.
Bild: Trauernde nach dem rechten Anschlag von Halle, bei dem zwei Menschen star…
BERLIN taz | Es gibt keine Entwarnung. Die Beratungsstellen für Opfer
rechter Gewalt in Ostdeutschland konstatieren eine anhaltend hohe
rechtsextreme Bedrohung. Nach ihrer Zählung gab es allein in den sechs
ostdeutschen Bundesländern im vergangenen Jahr 1.088 rechte Gewalttaten.
Und die Verbände warnen: Die Rechtsterrorwelle und Corona-Pandemie könnten
zu neuen Angriffen führen.
Am Samstag stellte als letztes die Mobile Opferberatung in Sachsen-Anhalt
ihre Statistik für 2019 vor. Demnach gab es im Land 133 rechtsmotivierte
Gewalttaten – [1][darunter der versuchte Anschlag auf die Synagoge in Halle
mit zwei getöteten Passanten]. Insgesamt wurden 262 Menschen Opfer der
Gewalttate, teilte die Initiative mit. So wurde etwa ein junger Linker in
Oschersleben von vier Männern in seiner Wohnung überfallen und geschlagen,
ein Schwarzer in einem Zug rassistisch beschimpft und beim Aussteigen
hinausgetreten, zwei Syrer wurden bei einem Ausbildungskurs mit einer
Schreckschusspistole bedroht.
„Die Angst vor rechter Gewalt und Terror wächst bei allen
Betroffenengruppen“, teilte die Beratungsstelle mit. Die Gesamtzahl der
Taten war indes rückläufig: Im Vorjahr wurden in Sachsen-Anhalt noch 173
Gewaltdelikt gezählt.
## „Enthemmung der Gewalt“
Zuvor stellten bereits die Opferverbände in Sachsen, Thüringen, Berlin,
Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ihre Jahresstatistik vor. Zusammen
kamen sie auf die 1.088 rechten Gewalttaten im vergangenen Jahr –
Nachmeldungen noch ausgenommen. Insgesamt war die Tendenz auch hier
rückläufig: Im Vorjahr lag die Zahl bei 1.212 Taten.
So sanken die Gewaltdelikte etwa in Sachsen von 317 auf 226 Fälle. Ein
Grund war hier, dass die Zahlen im Vorjahr [2][durch die rechten
Chemnitz-Unruhen hochgeschnellt waren]. Einzig Berlin registrierte einen
deutlichen Zuwachs: von 309 auf 390 Taten – dem Höchststand seit Gründung
des Projekts im Jahr 2001. Sabine Seyb vom dortigen Projekt ReachOut sprach
von einer „Enttabuisierung und Enthemmung der Gewalt auf ausgegrenzte
Bevölkerungsgruppen“. Dies zeige sich auch daran, dass vermehrt direkt
Wohnräume angegriffen würden. Die Täter fühlten sich offenbar durch
laufende rassistische Debatten oder einen institutionellen Rassismus der
Behörden motiviert und in ihrem Tun sehr sicher.
Auch die anderen Verbände sprechen von einer anhaltend hohen Bedrohungslage
– [3][die sich erst jüngst beim rassistischen Anschlag in Hanau mit zehn
Toten zeigte]. Die Gefahr weiterer Anschläge sei „extrem hoch“, warnte
Franz Zobel vom Thüringer Verband ezra. Der Rückgang der Zahlen sei deshalb
„mit Vorsicht zu bewerten“. Aufgrund der Normalisierung rassistischer
Gewalt sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. „Rechte und
rassistische Gewalt eskaliert seit Jahren und entsprechende Konsequenzen
wurden nicht gezogen.“ Auch Sabine Seyb vom Berliner ReachOut befürchtet,
dass die Betroffenheit, die nach Hanau bekundet wurde, „ähnlich wie nach
der Selbstenttarnung des NSU, in einigen Wochen wohl wieder vergessen ist“.
## Neuer Hass in Zeiten von Corona?
Dazu warnen die Verbände vor einer weiteren, aktuellen Gefahr: [4][einem
Rassismus in Zeiten des Corona-Virus]. Durch die Pandemie entstünden neue
Verschwörungstheorien, auch rassistisch aufgeladene Schuldzuweisungen
hätten Konjunktur, sagt Robert Schiedewitz von Lobbi aus
Mecklenburg-Vorpommern. Es sei zu befürchten, dass den in sozialen Medien
verbreiteten [5][Beschuldigungen auch Angriffe folgen könnten].
Auch das Thüringer ezra sieht die Gefahr einer „weiteren Eskalation von
Rassismus rund um Covid-19“. Anti-asiatischer Rassismus könne sich mit der
Pandemie wieder verstärken. [6][Umso wichtiger sei gerade jetzt „ein
solidarisches Miteinander“].
4 Apr 2020
## LINKS
[1] /Rechtsextremer-Taeter-in-Halle/!5628879
[2] /Haftstrafen-gegen-rechte-Terrorgruppe/!5670678
[3] /Reaktion-auf-BKA-Papier-zu-Hanau/!5675606
[4] /Coronavirus-und-Rassismus/!5662444
[5] /Rassismus-in-Zeiten-von-Corona/!5668862
[6] /Kiez-Doener-in-Halle-wiedereroeffnet/!5642425
## AUTOREN
Konrad Litschko
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