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# taz.de -- 15-Jähriger in Celle erstochen: Vorschnelles Vorgehen
> In Celle wird ein 15-Jähriger mit jesidischen Wurzeln von einem Deutschen
> getötet. Nach kurzer Zeit geht die Polizei von einer unpolitischen Tat
> aus.
Bild: Der Tatort: Bushaltestelle in der Bahnhofstraße in Celle
Am Dienstagabend wurde in der niedersächsischen Stadt Celle ein 15-jähriger
Junge mit jesidischen Wurzeln von einem 29-jährigen Deutschen getötet. Der
Junge war mit dem Fahrrad unterwegs, als ein Mann auf ihn einstach.
„Angriff aus dem Nichts“, [1][titelte die Cellesche Zeitung ] tags darauf
und verwies auf eine Polizeisprecherin. „Verdächtiger wirkt bei Festnahme
verwirrt“, [2][schrieb der NDR] in einem Zwischentitel.Eine Presseagentur
meldete, das Opfer sei „offenbar grundlos“ erstochen worden. Die
[3][Polizei Celle und die Staatsanwaltschaft Lüneburg] hatten am
Mittwochabend erklärt, dass dem Täter vorgeworfen werde, den Jungen
„offenbar grundlos mit einem Messer niedergestochen zu haben“. Bisherige
Ermittlungen lieferten „in keiner Hinsicht Anhaltspunkte für eine
ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat“. Stattdessen sprachen
sie bei ihrem derzeitigen Ermittlungsstand von einem „Zufallsopfer“.
Knapp 12 Stunden nach der Tat [4][hatten die Behörden erklärt,] dass der
15-Jährige mutmaßlich grundlos attackiert worden sei. Dass der Täter in
Untersuchungshaft bisher schweigt, scheint den Glauben an einen tragischen
Zufall zu stärken. Weil solche Gewaltverbrechen in diesem Land aber lange
Tradition haben, verlassen sich nicht alle auf den Zufall.
[5][Zeit Online veröffentlichte am Donnerstag eine Recherche], nach der
„zumindest Zweifel“ an der Zufallsthese erlaubt seien: Drei
Social-Media-Konten des Täters, deren Authentizität die Polizei bestätigt
habe, belegten die Nähe des Täters zu rechtsextremen
Verschwörungsideologien. Seiten, denen der Täter folge, verbreiteten
Inhalte, auf die sich auch die [6][Täter von Hanau] und Halle bezogen
hätten. Außerdem befänden sich unter den Onlinefreunden Neonazis. Deshalb
fragt die Cellesche Zeitung am Freitag dann doch: [7][„Tat politisch
motiviert?“] Sie gibt an, dass Polizei und Staatsanwaltschaft der Bitte
einer erneuten Stellungnahme noch nicht nachgekommen seien.
Wochen nach Hanau drängt sich einmal mehr die rhetorische Frage nach dem
Ermittlervorgehen auf: Wäre es bei derartigen Gewaltverbrechen gegenüber
Menschen, die von Rassisten als anders markiert werden, nicht richtiger,
zunächst von politischen Motiven auszugehen, bis diese widerlegt sind,
statt diese nach wenigen Stunden auszuschließen? Was andernfalls passiert,
[8][haben die NSU-Morde gezeigt.]
„Es wird allen Hinweisen nachgegangen“, schreibt die Polizei Celle am
Freitagvormittag auf Twitter. Tut sie das wirklich? Und wenn, hätte sie das
auch getan ohne Recherchen von Dritten?
10 Apr 2020
## LINKS
[1] https://www.cellesche-zeitung.de/Celle/Aus-der-Stadt/Celle-Stadt/Junge-in-C…
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Get…
[3] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/59457/4567963?utm_source=twitter&a…
[4] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/59457/4567178
[5] https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2020/04/09/totschlag-in-celle-aus-hass…
[6] /Schwerpunkt-Rechter-Anschlag-in-Hanau/!t5563930
[7] https://www.cellesche-zeitung.de/Celle/Aus-der-Stadt/Celle-Stadt/15-Jaehrig…
[8] /Ein-Jahr-Urteil-im-NSU-Prozess/!5606374
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
Polizei
Rechte Gewalt
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Schwerpunkt Coronavirus
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