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# taz.de -- Kriterien für Lockdown-Ende: Die Gesellschaft soll nachdenken
> Der Ethikrat steckt das Terrain der Debatte über das Ende des Lockdowns
> ab – und kritisiert zwischen den Zeilen Merkels Krisenkommunikation.
Bild: TV-Ansprache von Angela Merkel am 18. März
Berlin taz | Peter Dabrock ist Professor für Systematische Theologie und
Vorsitzender des Deutschen Ethikrats. Er formuliert bedächtig, baut
Schachtelsätze, die erstaunlicherweise meist ein rundes Ende finden und
scheut Zuspitzungen. Ethik ist ja die Kunst der Abwägung. Und der Ethikrat
ist kein reiner akademischer Debattierclub, sondern ein Gremium, das
offiziell die Bundesregierung berät. Wenn man Dabrock, der seit vier Jahren
Chef des Ethikrats ist, glaubt, dann hat dieses Gremium Macht, wenn auch
nur die [1][des besseren Arguments]. Auch Minister Spahn hat ihn kürzlich
um Rat gefragt.
Die Bundesregierung versucht alle Debatten, wann der Lockdown endet,
sorgsam auszutreten. Kanzleramtschef Helge Braun hatte unvorsichtigerweise
mal angedeutet nach Ostern könne man vielleicht Maßnahmen lockern – um
danach die Diskussion wieder zu ersticken. [2][Merkel fürchtet,] dass jedes
Signal in diese Richtung als Entwarnung missverstanden wird, das nur
falsche Hoffnung schürt, dass alles bald wieder gut sei und die mühsam
erarbeitete Disziplin des Kontaktverbots ruiniert.
Am Montag hatte die Kanzlerin die Botschaft noch mal wiederholt und um die
Formulierung ergänzt, sie denke „Tag und Nacht“ über den Prozess nach, �…
dem das öffentliche Leben auch wieder Schritt für Schritt möglich wird“.
„Der [3][Rechtfertigungsdruck] für den Shutdown steigt“, stellt kühl der
Theologe Dabrock in der Bundespressekonferenz fest. Er lobt die Arbeit der
Regierung in der Pandemiekrise in höchsten Tönen – aber es ist die Art von
Lob, die als Verpackung für die eigentliche Botschaft dient. Nämlich: Es
wäre schön, wenn nicht nur die Kanzlerin „Tag und Nacht“ nachdenkt, wie d…
Lockdown endet, sondern die ganze Gesellschaft.
Der Jurist Steffen Augsberg sieht die Gefahr „einer Eskalationslogik von
immer mehr Beschränkungen“ – anstatt Ideen zu diskutieren, wie man aus dem
Lockdown wieder herauskommt.
## Rückfall in „obrigkeitstaatliches Denken“
Natürlich sei es hierzulande noch zu früh für Öffnungen – wie Dänemark s…
ankündigt –, und auch das Räsonieren, wann genau der Zeitpunkt gekommen
sei, scheint dem Ethiker Darbock derzeit wenig fruchtbar. Zwingend nötig
für eine offene Gesellschaft aber sei „die Debatte über die Kriterien“,
wann man Einschränkungen zurücknehmen könne. Ohne konkretes öffentliches
Nachdenken über das Ende des Kontaktverbots drohe ein Rückfall in
„obrigkeitstaatliches Denken“.
Dabrock warnt davor, gebannt auf Infektions- und Todeszahlen zu starren und
dabei „die Opfer des Lockdowns“ aus dem Blick zu verlieren. Zu den
Kollateralschäden gehörten Kranke, die auf fällige Operationen verzichten
müssen bis hin zu Depressiven, deren Therapie gestrichen wird.
All das ist keine Kritik an dem, wie Bund und Länder handeln – aber, wenn
auch durch die Blume und abwägend formuliert, fast eine Abrechnung mit der
Flucht der Bundesregierung in die Einsilbigkeit. Von dem Argument, die
Regierung dürfe dem Volk bloß keine trügerischen Hoffnungen machen, hält
Darbock gar nichts. Im Gegenteil: Gerade in der Krise brauche die
Gesellschaft realistische Hoffnungsbilder für die Zeit danach. Merkels
Krisenkommunikation sei „verbesserungsfähig“, so Dabrock.
## Offene Debatte ist notwendig
Auch bei der Opposition, die bislang äußerst verantwortungsbewusst und
vorsichtig mit Kritik an den Maßnahmen der Regierung war, regt sich Kritik.
Der Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter fordert der taz gegenüber „eine
offene Debatte über die Phase nach dem Lockdown. Das weitere
Krisenmanagement wird nur dann weiter auf breites Vertrauen stoßen, wenn
die Bundesregierung ihre Überlegungen offenlegt und zur Debatte stellt.“
Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, sieht die
Regierung kritisch: „Die Bundesregierung kann nicht alleine entscheiden,
wann und wie die nächsten Schritte sind. Da fehlt die Transparenz.“ Und, so
Korte zur taz: „Das Parlament muss eingebunden sein.“
Daniel Günther, CDU-Ministerpräsident in Kiel, hat das rhetorische
Quarantänecamp schon mal verlassen. Er hält es, so Günther zur Zeit, für
möglich, Restaurants und Cafés wieder zu öffnen. „Wo es räumlich möglich
ist, den Abstand zu wahren, kann man Regelungen auch wieder lockern.“ Am
14. April treffen sich die MinisterpräsidentInnen mit Merkel. Dann soll
entschieden werden, ob und wann es Lockerungen gibt.
7 Apr 2020
## LINKS
[1] https://www.ethikrat.org/pressekonferenzen/der-deutsche-ethikrat-zur-corona…
[2] /Beschraenkungen-waehrend-der-Feiertage/!5675945
[3] /Auswege-aus-dem-Corona-Shutdown/!5677474
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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