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# taz.de -- Gaming-Historiker über Epidemien: „Überwinden der eigenen Ängs…
> Seuchen sind ein beliebtes Thema in Games, auch in „Resident Evil 3“.
> Gaming-Historiker Eugen Pfister über Lerneffekte und
> Verschwörungstheorien.
Bild: Tausende Tote durch ein Virus: Realität oder der Plot von „Resident Ev…
taz: Herr Pfister, Sie erforschen Horror in [1][Videospielen] und was wir
davon in die reale Welt mitnehmen. Wie gut eignen sich Seuchen für Games?
Eugen Pfister: Anscheinend ziemlich gut. Seuchen verbreiten sich in
Videospielen seit den 80er Jahren, hauptsächlich in Form von Zombies. Bis
heute sind Zombies unglaublich populär, wie es gerade wieder das aktuelle
Remake von „Resident Evil 3“ zeigt. Das liegt auch an den grundlegenden
Themen, die hier behandelt werden: kollektive Identitäten, also die Frage,
wer wir sind und wo unsere Grenzen liegen.
Gehen Videospiele näher auf den Ursprung von Epidemien und Seuchen ein?
Das eher weniger. Das Virus ist meist nur ein Grund, um die Gesellschaft
zusammenbrechen zu lassen und Spieler*innen dann in eine zerstörte Welt zu
schicken. In Resident Evil 3 ist das die Stadt Racoon City, deren
Infrastruktur zusammengebrochen ist, nachdem ein Virus aus einem
Konzernlabor ausbrechen konnte. Viel weiter geht Resident Evil aber auch
nicht auf die Viren ein, das würde dem Spiel auch einen Teil seiner
Spannung nehmen. Denn Viren sind ja gerade deshalb so furchteinflößend,
weil sie sich unserer Kontrolle entziehen und unberechenbar sind.
[2][Tausende Menschen sind durch das neuartige Corona-Virus] schon
gestorben. Gleichzeitig sind Seuchenfilme auf Netflix beliebt und
Zombiespiele sind Kassenschlager. Wie erklären Sie sich das?
Eine verbreitete Erklärung ist der Katharsis-Moment, also das Ausleben und
Überwinden der eigenen Ängste. Die Germanistin Eva Horn hat mit “Zukunft
als Katastrophe“ ein spannendes Buch dazu geschrieben. Sie unterteilt
Dystopien in der Populärkultur in alarmistisch und entlastend: Dystopien
weisen also entweder auf Gefahren hin oder lassen uns einfach anderen beim
untergehen zusehen. Das Starren auf die Katastrophe entlastet uns von der
schwierigen Aufgabe, selbst zu handeln. Zum anderen suchen wir vielleicht
auch nach Worst-Case-Szenarien, um uns darauf vorbereiten zu können.
Helfen Videospiele dabei, sich auf reale Seuchen vorzubereiten?
Ein reines Zuschauen wie in Filmen ist in Videospielen meist nicht möglich,
da sie interaktiv sind. Trotzdem können wir immer klar zwischen Spiel und
Realität unterscheiden. Spiele mahnen uns vielleicht sogar mit ihren
Worst-Case-Szenarien dazu, gegenteilig zu handeln, um darauf zu achten,
dass es niemals so weit kommt. Vor diesem Spiegel erkennen wir hoffentlich,
dass es besser ist, in der Gemeinschaft zu überleben, anstatt [3][Waffen
und Munition zu horten] und unsere Nachbar*innen zu erschießen, sobald
sie einmal husten.
Von fiktiven Zombieseuchen einmal abgesehen: Welche realen Krankheiten und
Pandemien nehmen Videospiele als Vorbild?
Die mittelalterliche Pest beispielsweise im Action-Adventure A Plague Tale:
Innocence. Im Vampirspiel Vampyr verarbeiten die Entwickler*innen die
Spanische Grippe nach dem Ersten Weltkrieg. Und in I’m Positive wird das
Thema HIV behandelt.
In Onlinespielen agieren Tausende Spieler*innen gleichzeitig und
erzeugen soziale Dynamiken. Welche Ähnlichkeiten zur realen Welt gibt es
dort?
Dort können wir bis zu einem gewissen Grad lernen, wie sich Menschen in
Krisen verhalten und wie sich Viren verbreiten. [4][Eine Studie] untersucht
etwa eine Pandemie im Online-Rollenspiel World of Warcraft aus dem Jahr
2005. Durch einen Programmierfehler entstand damals ein Virus, das die
Spielfiguren tötete. Die tierischen Begleiter der Spieler*innen haben
das Virus verbreitet, aber selbst keine Symptome gezeigt. Aber: Manche
Spieler*innen suchten daraufhin das Risikogebiet auf, um einen „Kick“ zu
erfahren. Andere verbreiteten vorsätzlich das Virus, um anderen
Spieler*innen Schaden zuzufügen. Deshalb wäre ich vorsichtig mit
Übertragungen auf die Realwelt.
Im Onlinespiel „Fallout 76“ ist Klopapier mittlerweile eine wertvolle
Ressource. Spieler*innen [5][posten Fotos von ihren Glasvitrinen, in
denen sie Klopapier ausstellen].
Die Spieler*innen nutzen „Fallout 76“, um satirisch über Corona reden zu
können. Ähnlich ist es mit den abgeriegelten chinesischen Städten, die mit
den Horrorspielen „Silent Hill“ und „Resident Evil“ verglichen werden. …
begegnen hier vielleicht einer Bewältigungsstrategie: Die Populärkultur, zu
der Videospiele gehören, hilft uns dabei, Pandemien und unsere Ängste davor
besser zu verstehen.
Auf Twitter tummeln sich einige User*innen, die eine große Verschwörung
wittern und [6][eine Verbindung zwischen „Resident Evil“ und dem
Coronavirus herstellen]. Corona sei ein Anagramm von Racoon City, ein Labor
in Wuhan habe angeblich das gleiche Logo wie der Umbrellakonzern, der das
tödliche Virus im Spiel gezüchtet hat. Wie erklären Sie sich das?
Viele Verschwörungstheorien greifen auf fiktionale Erklärmuster zurück
und sollen uns so unerklärbare Situationen begreifbar machen. Die
mangelhafte Trennung zwischen Realem und Fiktivem hat – so scheint es mir
zumindest – zugenommen, was vielleicht auch an mangelnder Medienkompetenz
liegt.
Im Strategiespiel „Plague Inc.“ von 2012 steuern Spieler*innen ein Virus
und müssen die Menschheit vernichten, in „Resident Evil 3“ sind Tausende
Menschen an einem Virus gestorben. Wie ethisch ist es, Videospiele mit
solchen Szenarien in Zeiten von Corona zu verkaufen?
Ich finde, das ist keine ethische Frage. Die Entwickler*innen tragen
keine Verantwortung daran, dass das Coronavirus ausgebrochen ist. „Plague
Inc.“ ist ein intelligentes Spiel mit einer klaren Warnung: dass wir uns
besser auf Pandemien vorbereiten und zusammenarbeiten müssen. Angesichts
der kollektiven Weltangst ist „Plague Inc.“ aber nun zu nah an der
Wirklichkeit und kann als Verherrlichung von Pandemien missverstanden
werden. [7][Die Entwickler*innen haben auf die aktuelle Situation
reagiert] und einen Spielmodus eingefügt, in dem man ein tödliches Virus
besiegen muss.
Welches Videospiel empfehlen Sie, um gut durch die Isolation der nächsten
Wochen zu kommen?
„Prune“ für das Smartphone. Darin muss man Zwetschgenbäume so beschneiden,
dass die Zweige zur Sonne hin wachsen und zu blühen anfangen. Das beruhigt
zumindest bei mir gerade die Nerven.
3 Apr 2020
## LINKS
[1] /Spieleentwickler-ueber-Rechtsextremismus/!5633920
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[3] /Computerspiel-Battlefield-1/!5346512
[4] https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(07)70212-8/…
[5] https://twitter.com/Stix_Selvain/status/1240061504562569216?ref_src=twsrc%5…
[6] https://www.mimikama.at/allgemein/hat-ein-labor-in-wuhan-ein-logo-wie-die-u…
[7] https://www.ndemiccreations.com/en/news/175-plague-inc-gives-a-quarter-of-a…
## AUTOREN
Denis Giessler
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