# taz.de -- Corona-Tests und Gehälter in Laboren: Testen ohne Tarif | |
> In der Coronakrise zeigt sich, wie wichtig Labore sind. Vielerorts wird | |
> aber kein Tarif gezahlt. Kliniken sparen – wie die Charité und Vivantes. | |
Bild: Testen, testen, testen: hier in einem Labor in Geesthacht in Schleswig-Ho… | |
HAMBURG taz | In den Laboren schieben die Mitarbeitenden Überstunden. | |
Zwischen 40.000 und 60.000 Coronatestungen werden in Deutschland derzeit | |
täglich vorgenommen, und im Innenministerium gibt es die Überlegung, die | |
Anzahl noch zu erhöhen. Doch jenseits symbolischer Gesten der Anerkennung | |
für das Personal im Gesundheitswesen sieht es mit der Vergütung in den | |
Laboren sehr unterschiedlich aus. | |
Viele Kliniken haben sie in den letzten Jahren [1][ausgelagert und | |
zusammengelegt]. So auch in Berlin: Die [2][Charité] und der kommunale | |
Klinikkonzern Vivantes betreiben gemeinsam die Labor Berlin GmbH, bei der | |
unter anderem die Coronatests untersucht werden. Viele Mitarbeitende | |
arbeiten hier außerhalb eines Tarifvertrags – und kämpfen seit Jahren | |
[3][für bessere Löhne]. | |
Dieses Problem besteht nicht nur in der Hauptstadt. Bundesweit wurden nach | |
den Bereichen Reinigung und Verpflegung in vielen Kliniken in den letzten | |
Jahren auch die Labore ausgegründet – mit schlechteren Bedingungen für die | |
Beschäftigten, wie Gewerkschafter beklagen. | |
## Labormedizin unter finanziellem Druck | |
Thomas Postina, Sprecher des Bundesfachverbands der Laborärzte, erklärt: | |
„Jahrelang wurde bei der Bewertung der ärztlichen Leistungen versucht, die | |
Labormedizin zu drücken.“ Notgedrungen hätten Labore sich | |
zusammengeschlossen – und gehörten nun überwiegend zu einer der zahlreichen | |
Laborketten. | |
Diese Konzentration wirke sich auch auf die Wartezeiten bei den | |
Testergebnissen aus, sagt Postina. Der Test im Fall der Coronaviren dauere | |
einige Stunden. „Die Ketten konzentrieren die Coronatestung | |
verständlicherweise auf bestimmte ihrer Labore, sowohl aus | |
Sicherheitsgründen, aber auch, damit die anderen Labore die restlichen | |
Bereiche abdecken können.“ In der Folge würden die Transportwege länger. Wo | |
ein niedergelassenes Labor vor Ort sei, gehe es schneller. | |
In Berlin gingen Charité und Vivantes [4][Anfang 2011 mit der gemeinsamen | |
GmbH an den Start], in der die labormedizinischen Bereiche zusammengelegt | |
sind. Man versprach sich Synergien und ein breiteres wissenschaftliches | |
Fundament. Erklärtes Ziel war aber auch: „Die Fusion soll zu Einsparungen | |
und Erlössteigerungen von 4,9 Millionen Euro bei der Charité und 1,6 | |
Millionen Euro bei Vivantes führen“, wie es in einer [5][Mitteilung der | |
Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung] aus dem November | |
2010 heißt. | |
## Gewerkschaft kritisiert Tarifflucht | |
„Alle Tochtergesellschaften bei der Charité wie auch bei Vivantes sind | |
einzig wegen der Tarifflucht gegründet worden“, sagt Janine Balder, die als | |
Gewerkschaftssekretärin bei Verdi für Vivantes zuständig ist. Die | |
Mitarbeitenden der Labor Berlin GmbH würden nach Rahmenarbeitsbedingungen | |
bezahlt – anders als Angestellte, die von Vivantes oder der Charité | |
gestellt werden und weiter nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes | |
(TVöD) und Haustarif vergütet würden. | |
Obwohl nach Protesten zuletzt freiwillige Erhöhungen gezahlt worden seien, | |
betrage der Lohnunterschied bis heute immer noch zwischen 600 und 800 Euro | |
brutto, sagt Balder. | |
Ähnlich ist es im Laborzentrum Bremen: Mitarbeiter, die vom kommunalen | |
Klinikverbund Gesundheit Nord gestellt werden, behalten die tarifliche | |
Vergütung – anders als ihre neuen KollegInnen. [6][Anfang 2019 kam es | |
deshalb auch in Bremen zu Protesten]. Die Geschäftsführung erklärte sich | |
daraufhin zu einer Betriebsvereinbarung bereit – nicht aber zu einem | |
Tarifvertrag. | |
Wie deutschlandweit fast 50 Fach-, Basis- oder Krankenhauslabore gehört das | |
Laborzentrum Bremen zum Laborverbund „LADR – Dr. Kramer und Kollegen“ mit | |
Sitz in Geesthacht. Allein im dortigen Zentrallabor werten derzeit mehr als | |
400 Mitarbeitende in drei Schichten rund 1.500 Coronatests pro Tag aus. | |
## Ohne qualifizierte MitarbeiterInnen keine Labordiagnostik | |
„Meine Mitarbeiter in allen regionalen Laborgesellschaften sind das höchste | |
Gut“, erklärt der ärztliche Geschäftsführer Jan Kramer. „Ohne qualifizi… | |
Mitarbeiter ist keine medizinische Labordiagnostik möglich. Wir sehen keine | |
Notwendigkeit für einen Tarifvertrag. Wir stehen in sehr enger | |
Zusammenarbeit mit allen Mitarbeitern, es ist alles im Einvernehmen.“ | |
Kramer verweist auf den wirtschaftlichen Druck, der auf dem gesamten | |
Gesundheitssystem laste. „In den Gebührenordnungen kommt es seit Jahren zu | |
Abwertungen des technisch-medizinischen Laborbereichs. Auch in Kliniken | |
mussten, durch das Umfeld ausgelöst, Kosten gespart werden – auch in Bezug | |
auf die medizinischen Labore.“ | |
In Berlin ist die Gewerkschaft einen Schritt weiter und kurz davor, für | |
alle Tochterunternehmen von Vivantes Verhandlungen auf den Weg zu bringen – | |
für das Labor Berlin wie auch für das Hospiz oder die medizinischen | |
Versorgungszentren, wo ebenfalls kein Tarifvertrag gilt. Durch die | |
Coronapandemie ist aktuell an Verhandlungen allerdings nicht zu denken. | |
Vivantes sei zur Aufnahme von Gesprächen über eine Tarifierung der | |
Tochterunternehmen bereit, bestätigt der Klinikverbund. Aber: In vielen | |
Fällen sei eine Bindung an einen Flächentarifvertrag ohne spezifische | |
Regelungen für die Tochtergesellschaften mit den festgelegten Erlösen nicht | |
finanzierbar, erklärt Astrid Steuber von Vivantes. „Im Bereich der | |
Altenpflege übernehmen zum Beispiel die Pflegekassen nicht alle Kosten, | |
sondern das Finanzierungsmodell der Altenpflege sieht eine Zuzahlung durch | |
die Bewohner*innen vor.“ | |
Hinweis: In einer früheren Version wurden einzelne Vorwürfe der | |
Gewerkschaftsseite wiedergegeben, die Vivantes zurückwies. Eine Sprecherin | |
teilte mit, seit 2015 zahle Labor Berlin allen Mitarbeiter*innen auf | |
freiwilliger Basis eine Sonderzahlung zum Jahresende, für jeden in selber | |
Höhe. Zudem werde inzwischen eine betriebliche Altersvorsorge und eine | |
Berufsunfähigkeitsversicherung angeboten, die „über das gesetzlich | |
geforderte Maß hinaus finanziell bezuschusst“ werde. 2019 seien zusätzliche | |
Zulagen für die kurzfristige Übernahme von Diensten eingeführt und auch die | |
Zuschläge für Nacht-, Feiertags- und Wochenenddienste seien über die | |
vergangenen Jahre erhöht worden. | |
31 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /taz-Serie-Was-macht-eigentlich--Teil-5/!5559998 | |
[2] /Forschung-gegen-Corona/!5670951 | |
[3] /Streik-im-Krankenhaus/!5505398 | |
[4] /Kooperation-der-Klinikkonzerne-in-der-Kritik/!5127550 | |
[5] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2010/pressemitte… | |
[6] /Arbeitskampf-in-Bremen/!5583629 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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