# taz.de -- Forschung gegen Corona: Auf Hochtouren | |
> Gesucht wird ein Impfstoff, der gegen den Erreger Sars-CoV-2 vorbeugend | |
> schützen kann. Und ein Medikament gegen die Lungenkrankheit Covid-19. | |
Bild: Forschung für einen Corona-Impfstoff Uni Tübingen | |
Die Pharmaforschung zum Coronavirus läuft auf Hochtouren. Gesucht wird ein | |
Impfstoff, der gegen den Erreger Sars-CoV-2 vorbeugend schützt, ebenso ein | |
Medikament, das die durch ihn ausgelöste Lungenkankheit Covid-19 heilen | |
kann. Grundlagenforscher in den öffentlichen Forschungsinstituten und | |
Medikamentenentwickler in der Industrie arbeiten dazu Hand in Hand. | |
Besonders gefordert ist die Universitätsmedizin, die Forschung und | |
Krankenpflege unter einem Dach vereint. Am Donnerstag stellte die Spitze | |
der Berliner Charité ein neues Bündnis der deutschen Universitätsmedizin | |
vor, das mit einer Taskforce schnellstmöglich bundeseinheitliche Strategien | |
für die Diagnostik und Behandlung von Covid-19-Patienten entwickeln soll. | |
Vor zwei Wochen hatte der Haushaltsauschuss des Bundestages das Budget des | |
Bundesforschungsministeriums um weitere 145 Millionen Euro für die | |
Impfstoffentwicklung und die Erprobung von Behandlungen aufgestockt. | |
Forschungsministerin Anja Karliczek erklärte: „Ein wirkungsvoller Impfstoff | |
ist das, worauf viele warten.“ Die internationale Impfstoffinitiative Cepi | |
werde nun von deutscher Seite mit zusätzlichen 140 Millionen Euro | |
unterstützt. Die CDU-Politikerin, die sich wegen Infektionsverdachts als | |
eines der ersten Regierungsmitglieder in Selbstquarantäne begeben mußte, | |
äußerte die Hoffnung, dass noch vor dem Sommer mit klinischen Studien für | |
einen Impfstoff begonnen werden könne. Die Experten dämpfen jedoch die | |
Erwartungen auf einen schnellen Vakzin-Durchbruch. | |
Der Präsident des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus | |
Cichutek, rechnet damit, dass nicht vor dem kommenden Jahr die ersten | |
Bevölkerungsgruppen durch eine Impfung geschützt werden könnten. Es handele | |
sich um größere klinische Prüfungen mit Tausenden oder vielleicht | |
Zehntausenden an Probanden. „Man darf hier nichts zu sehr beschleunigen“, | |
erklärte Cichutek. „Wir brauchen verträgliche, sichere Impfstoffe, die dann | |
auch wirksam sind.“ | |
„Die aktuelle Coronavirus-Pandemie lässt sich wie alle | |
Infektionskrankheiten umso wirkungsvoller bekämpfen, je besser wir den | |
Erreger und seine Auswirkungen auf den Menschen wirklich verstehen“, betont | |
die Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Katja Becker. | |
Sie war selbst bis zu ihrem Amtsantritt im Januar dieses Jahres als | |
Malariaforscherin unter anderem in Westafrika tätig. | |
## Von Null anfangen | |
Es brauche umfassende Forschungsarbeiten „mit langem Atem“, um „die | |
genetischen, biologischen, umweltassoziierten, medizinischen, aber auch | |
sozioökonomischen Faktoren eines solchen Ausbruchs im Detail zu klären“, | |
sagt Becker: Die DFG fördert aktuell bereits rund 20 Forschungsprojekte und | |
größere Forschungsverbünde zu Coronaviren sowie zur Infektiosität und | |
genetischen Vielfalt von Viren mit insgesamt rund 18 Millionen Euro pro | |
Jahr. Eine neue Ausschreibung zur fachübergreifenden Erforschung von | |
Epidemien und Pandemien wurde von der DFG vergangene Woche gestartet. | |
Woher das Coronavirus ursächlich stammt, ist noch nicht endgültig geklärt. | |
Der Charite-Virologe Christian Drosten verweist darauf, „dass das | |
letztendliche ökologische Reservoir all dieser Coronaviren bestimmte | |
Fledermaus-Arten sind, die Hufeisennasen-Fledermäuse“. Über Zwischenwirte | |
muss es dann in China auf den Menschen übertragen worden sein. Bei der | |
Sars-Epidemie 2002 waren die Virusträger Marderhunde, die in China | |
gehandelt und gezüchtet wurden. Auch damals setzte zunächst eine verstärkte | |
Impfstoffforschung ein, die aber über Versuche im Tiermodell nicht | |
hinauskam. | |
Immerhin wissen die Forscher, dass das Sars-Virus nach Worten Drostens | |
„gerade in seinem Hauptoberflächen-Protein doch ausreichend unterschiedlich | |
von diesem neuartigen Coronavirus“ ist. Mit diesem Protein wird an die | |
menschlichen Zellen angedockt und der Krankheitsprozess ausgelöst. „Wir | |
müssen also bei der Impfstoffentwicklung von null anfangen“, stellt | |
Virologe Drosten fest. „Es wird nicht so sein, dass ein Sars-Impfstoff | |
einfach so quer verwendet werden kann.“ | |
Eingedenk der Sars-Erfahrungen wurde von der internationalen | |
Staatengemeinschaft die Impfstoffinitiative Cepi gegründet: eine | |
öffentlich-private Partnerschaft, in der sowohl staatliche Förderer als | |
auch Stiftungen, Forschungseinrichtungen und Pharmaunternehmen | |
zusammenarbeiten. Deutschland ist Gründungsmitglied und fördert Cepi seit | |
2017 mit insgesamt 90 Millionen Euro. | |
Unter dem Dach von Cepi wird derzeit die Entwicklung eines Impfstoffs gegen | |
das Coronavirus vorangetrieben. Mit dabei ist die deutsche Biotech-Firma | |
CureVac (die taz berichtete). In welche Richtung die Forschung | |
vorangetrieben werden sollte, hat die Deutschen Nationalakademie der | |
Wissenschaften Leopodina in einer Ad-hoc-Stellungnahme in der vorigen Woche | |
umrissen. | |
Das hochrangige Statement stieß auch im politischen Raum auf gesteigertes | |
Interesse, vor allem deshalb, weil sich die Wissenschaft hinter den | |
drastischen Regierungskurs zur Virus-Eindämmung stellte. „Zum jetzigen | |
Zeitpunkt sei „ein deutschlandweiter temporärer Shutdown (ca. 3 Wochen) mit | |
konsequenter räumlicher Distanzierung aus wissenschaftlicher Sicht | |
empfehlenswert“, urteilte die Leopoldina von höchster Warte. Bislang wurde | |
die Regierung nur von einzelnen Virologen und Instituten beraten. | |
## Mehr Tests | |
Nötig sind aus Sicht der Nationalakademie jetzt „koordinierte klinische | |
Studien, die aktuell geplant werden müssen, um aussichtsreiche Wirkstoffe | |
rasch prüfen zu können“. Da bislang keine Therapeutika zur Verfügung | |
stünden, müssten bis zur breiten Verfügbarkeit von Sars-CoV-2-Impfstoffen | |
und Medikamenten „kurz- und mittelfristig Handlungsperspektiven für den | |
Schutz besonders gefährdeter Personengruppen und für die Gewährleistung des | |
öffentlichen Lebens eröffnet werden“. Die Leopoldina rechnet mit einer | |
Entwicklungszeit von mindestens 4 bis 6 Monaten für Medikamente und 9 bis | |
12 Monaten für Impfstoffe. So lange könne der gesellschaftliche Shutdown | |
aber nicht dauern. | |
Die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens könne „nicht über einen | |
so langen Zeitraum aufrechterhalten werden“, schreibt die Akademie mit Sitz | |
in Halle (Saale). Die zu erwartenden gravierenden sozialen und ökonomischen | |
Konsequenzen und mögliche negative physische und psychische Auswirkungen | |
auf die Gesundheit seien zu groß. Im Bereich der Diagnostik spricht sich | |
die Leopoldina für die Entwicklung einer zentralen Datenplattform zur | |
gezielten und koordinierten Testung aus. Dazu gehöre der „zielgerichtete | |
Einsatz der PCR-Diagnostik, Entwicklung von Virus-Schnelltests und | |
serologischer Untersuchungsmethoden für die individuelle Diagnostik“. | |
Nötig sei auch die Ausweitung der Testsysteme, „um unnötige, repetitive | |
Quarantänemaßnahmen bei nichtinfektiösen bzw. immunen insbesondere | |
systemrelevanten Personen zu vermeiden“. Schließlich sollten repräsentative | |
Stichproben erhoben werden, die verlässliche Aussagen über die | |
Mortalitätsrate und die Sensitivität der Testverfahren zuließen. Bei der | |
Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen geht es laut Leopoldina vor | |
allem darum, „die Forschung zu intensivieren, um molekulare Daten zum | |
jeweiligen Virustyp, Krankheitsbild und der angepassten Therapie zu | |
erfassen“. | |
Als weiteres Ziel gilt die „beschleunigte Entwicklung von Impfstoffen und | |
Medikamenten sowie massive Förderung klinischer Studien zur Untersuchung | |
der Wirksamkeit und Verträglichkeit mit ethischer Begleitung sowie enger | |
Zusammenarbeit mit den Behörden“. | |
Nicht zuletzt sollten die Zulassungsverfahren beschleunigt werden, „bei | |
gleichzeitigem qualitätsgesichertem Monitoring von Wirksamkeit und | |
Nebenwirkungen“. | |
Die Wissenschaft formiert sich zum Kampf gegen einen unsichtbaren und | |
unheimlichen Feind. Wie lange er dauern wird, ist offen. Doch es dominiert | |
die Zuversicht, dass durch die Forschung das gefährliche Kronenvirus | |
alsbald entthront wird. | |
27 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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