| # taz.de -- Theater in Zeiten von Corona: „Wir heulen“ | |
| > Ein abgesagtes internationales Festival und eine Premiere in der | |
| > Schaubühne in Berlin: Ein trauriger Rahmen um ein trauriges Stück | |
| > Dystopie. | |
| Bild: Zurück zur Natur, wörtlich genommen. Szene aus „Die Affen“ mit Robe… | |
| Manchmal erinnert das Theater an einen müden Fernsehabend. Das ist kein | |
| gutes Zeichen. Erst eine deprimierende Doku über die Zerstörung der Erde, | |
| dann eine alte Science-Fiction-Serie, in der eine karriereorientierte | |
| Wissenschaftlerin andere Leben opfert, um Wissen über zukünftig zu | |
| besiedelnde Planeten zu erwerben, schließlich, als Trostpflaster, der | |
| Tierfilm: Wir beobachten eine kleine Gruppe Menschenaffen, in der die | |
| beiden männlichen Mitglieder einen tödlichen Kampf um die Führung | |
| ausfechten. | |
| Die Traurigkeit, die über dem Theaterabend „Die Affen“ in der Schaubühne | |
| lag, war aber schon da, bevor die Inszenierung von [1][Marius von | |
| Mayenburg] überhaupt begann. Von Mayenburg ist der Schaubühne als Autor und | |
| Regisseur seit vielen Jahren verbunden, oft mit Stücken, die gewitzt | |
| aktuelle Themen in absurden Szenen verarbeiten. Diesmal sollte sein neues | |
| Stück „Die Affen“ das [2][Festival Internationaler Neuer Dramatik (FIND)] | |
| am Mittwoch eröffnen, mit neun internationalen Gastspielen, darunter von | |
| Kirill Serebrennikov, Angélica Liddell, Édouard Louis, Toshiki Okada. | |
| Aber den „Vorgaben der Kulturverwaltung zum Umgang mit dem Coronavirus | |
| folgend, können wir es in der jetzigen Situation nicht verantworten, die | |
| Gefährdungslage zu ignorieren“, informiert das Theater in seiner | |
| Presseerklärung zu Absage des Festivals am Mittwoch. | |
| „Mit dem Ziel, die dynamische Verbreitung des Corona-Virus zu hemmen, habe | |
| ich entschieden, dass in den staatlichen Theatern, Opern und Konzerthäusern | |
| die geplanten Veranstaltungen in den Großen Sälen ab morgen, dem 11. März, | |
| vorerst bis zum Ende der Osterferien, also bis zum 19. April 2020, nicht | |
| mehr stattfinden. Ich empfehle auch den großen Privattheatern so zu | |
| verfahren“, hatte der Berliner Kultursenator Klaus Lederer am 10. März | |
| verfügt. Bei Sälen bis 500 Teilnehmern obliegt die Risikobewertung dem | |
| Veranstalter selbst. Die Säle der Schaubühne umfassen zwar weniger als 500 | |
| Plätze, aber, da FIND auf mehreren Bühnen parallel gespielt werden würde, | |
| kämen schnell 1.000 Leute und mehr zusammen. | |
| Am Dienstag, am Tag der Entscheidung, so erzählte der Intendant der | |
| Schaubühne, Thomas Ostermeier, im Radio Eins, bauten die russischen | |
| Mitarbeiter von Serebrennikov schon dessen Bühnenbild auf. Die Dramaturgen, | |
| die monatelang an der Vorbereitung gearbeitet haben, sind ebenso traurig | |
| wie die Künstler. Dem Theater entgehen mit der Absage natürlich auch | |
| Einnahmen. Wie sie die Künstler und deren Reisekosten, die kaum noch | |
| umsonst storniert werden können, jetzt bezahlen, dafür muss eine Regelung | |
| erst gefunden werden. „Wir heulen“, sagte Ostermeier. | |
| Also viele Gründe für verhaltene Stimmung bei der Premiere von „Affen“ im | |
| Saal C mit 270 Plätzen, die stattfand. Ebenso werden die Repertoirestücke | |
| in den kleineren Spielstätten weitergehen. So verfahren auch andere | |
| Theater, großer Saal geschlossen, Programm in den Nebenspielstätten geht | |
| weiter, im Deutschen Theater und im Gorki. Man tauscht sich aus im Foyer. | |
| Im Berliner Ensemble, da spielt man auch im großen Haus weiter, schließen | |
| aber die Ränge. Den Trick finden manche unsolidarisch. | |
| So lief das größere [3][Drama um einen Virus und den Schutz] vor ihm an | |
| diesem Abend vor der Tür. Eine vermüllte Erdkugel hing dann über der Bühne, | |
| darunter saß ein trauriger Mann. | |
| ## Zerstörte Welt | |
| Es war der Schauspieler Robert Beyer, der an diesem Abend erst einen | |
| Ehemann spielt, der mit seiner Frau (Jenny König) zunächst nicht mehr | |
| redet, dann ihr gegenüber eine wütende Rede hält, über die Unvernunft des | |
| Menschen, der seine Umwelt zerstört. Eine weitere Frau (Genji Rykova) und | |
| ein weiterer Mann (Mark Waschke) mischen sich ein, streiten sich um die | |
| beste Strategie, in einem Nationalpark im Kongo nach Öl zu bohren und die | |
| Politik auf ihre Seite zu bringen. Sie überbieten sich in zynischen Tricks. | |
| Und man weiß, dass alle diese Verbrechen schon verübt wurden. | |
| Das hält man nicht aus. Das hält auch der ältere Mann nicht aus, und – | |
| „gehe zurück, wenn der Weg nach vorn versperrt ist“ – beginnt die Mutati… | |
| in einen Affen, mit dem dann noch so dies und jenes veranstaltet wird. | |
| ## Verklärung Vergangenheit | |
| Es war viel Text, den die Schauspieler raushauen mussten, angestrengt | |
| redend. Die Energie, den Redeschwällen zu folgen, verliert sich bald, der | |
| Regisseur von Mayenburg scheint ermattet in die Knie gesunken vor dem Autor | |
| von Mayenburg. | |
| Man kann sich durchaus vorstellen, was zu dem Text geführt hat. Denn die | |
| Frage, ob es überhaupt noch einen Weg zu einem vernünftigen Haushalten mit | |
| den Ressourcen der Erde gibt, führt ja auch zu Überlegungen, wie weit ein | |
| Zurück zu Lebensformen, die noch nicht vom Raubbau geprägt waren, möglich | |
| ist. Dass dabei ein schöngefärbtes Bild der Vergangenheit mitschwingt, im | |
| Retro romantische Verklärung liegt, der Text parodiert es in gewisser | |
| Weise, indem es gleich zurück bis zu den Menschenaffen geht. Dass auch die | |
| nicht nur friedlich miteinander waren, erzählt das letzte, lange, textfreie | |
| Bild von der Affenhorde. | |
| Der ein oder andere Satz über die Vernunft des Menschen, auf die er sich so | |
| viel einbildet und die dann doch vor allem zur Zerstörung geführt hat, | |
| bringt allgegenwärtige Reflexionen gut auf den Punkt. Aber irgendwie bleibt | |
| vor allem das Theater selbst auf der Strecke, wie eine Aufgabe, die es zu | |
| bewältigen gilt, ohne Spaß, ohne Spannung, ohne doppelten Boden. | |
| 12 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katrin Bettina Müller | |
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