| # taz.de -- Kultur in Zeiten des Coronavirus: Was für eine Geisteroper! | |
| > Weil in Berlin alle Opern und Theater dicht sind, überträgt der rbb | |
| > „Carmen“ auf youtube. Das irritiert – und bringt zugleich ganz neue | |
| > Einsichten. | |
| Bild: Carmen wurde zwar gespielt, aber nur für die Kameras | |
| Berlin taz | Die Anordnung des Kultursenators Klaus Lederer, wegen des | |
| Coronavirus bis zum 19. April den Spielbetrieb in den staatlichen | |
| Kultureinrichtungen [1][komplett einzustellen], veranlasst dazu, nach | |
| Alternativen zu suchen. Digitale Alternativen. Ganz nach dem Motto: Trotz | |
| Corona in die Oper! | |
| Das Pilotprojekt von rbbKultur zusammen mit der Staatsoper Unter den Linden | |
| fand am Donnerstagabend statt. Martin Kušejs Inszenierung der Opéra Comique | |
| „Carmen“ von Georges Bizet wurde vor leeren Rängen – und auch leerem | |
| Parkett – aufgeführt und im Livestream auf YouTube übertragen. Am | |
| Samstagabend um 20.15 Uhr kann man die Vorstellung dann im altehrwürdigen | |
| Fernsehen erleben. | |
| Natürlich gab es bereits vor Corona Live-Übertragungen von Konzerten, | |
| Theateraufführungen und Opern. Aber die aktuelle Situation ist besonders | |
| ungewöhnlich. „Der rbb macht’s!“, lautet das Motto des Senders. Es klingt | |
| nach einem Appell auch an andere Institutionen. | |
| Dann geht es los: Im Pyjama vor den Laptop gelümmelt, fiebere ich gebannt | |
| auf den Beginn von „Carmen“. Ein Blick auf den leeren Opernsaal. 1.400 | |
| Plätze hat die Staatsoper zur Verfügung. Nun herrscht Stille. Es folgen | |
| etliche Nahaufnahmen, natürlich auf die leere Bestuhlung in jeder nur | |
| möglichen Perspektive. RbbKultur-Sprecherin Anja Herzog erklärt noch | |
| einmal, der rbb wolle Abhilfe schaffen angesichts der riesigen Lücke, die | |
| durch das Virus im Kulturbetrieb entstehe. | |
| Dann ist das Orchester im Bild. So dicht war ich noch nie dran am | |
| Orchestergraben, der ja im Souterrain sitzt. Die Musizierenden sind | |
| normalerweise kaum zu sehen. Während man sonst, wenn man sich keine Karten | |
| in den ersten Reihen leisten kann, auf ein Opernglas angewiesen ist und das | |
| mimische Spiel der Sänger*innen oft nur erahnen kann, bietet der Livestream | |
| mit seinen Nahaufnahmen echte Vorteile. Die Perspektivenwechsel finden | |
| zudem fast sekündlich statt, sodass man beinahe das Gefühl hat, man säße | |
| vor einem Actionfilm. Georges Bizet hätte sich über diese Assoziation | |
| sicherlich gefreut. | |
| In der virtuellen Welt müssen sich viele aber auch erst einmal damit | |
| zurechtfinden, dass eine Oper aus dem Jahr 1875 in den YouTube-Trends ist. | |
| Plötzlich treiben über tausend Operngänger*innen „Carmen“ nach oben. Die | |
| junge Generation kommentiert ahnungslos in dem ablenkenden Livechat neben | |
| der Liveübertragung: „Bruh, dachte das wäre so nen Sido-Cover“, schreibt | |
| ein junger Nutzer. Der rbb kontert: „Ihr könnt auch einfach was anderes | |
| gucken, das wisst ihr, ja?“ | |
| Während der Inszenierung frage ich mich aber, ob die Darsteller*innen die | |
| Energie vermissen, die ihnen ja sonst das Publikum gibt. Oder ob sie gerade | |
| sowieso einen immensen Kraftakt leisten. Fazit: Corona setzt den Opernkodex | |
| außer Kraft. Endlich kann man auch in der Oper so viel husten, wie man | |
| will. Wie gut, dass es digitale Technik gibt. Weitere Übertragungen sollen | |
| laut rbb folgen. | |
| 13 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alissa Geffert | |
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