# taz.de -- Frauenstreik in Mexiko: Ein Tag ohne Mexikos Frauen | |
> Millionen Frauen haben in Mexiko gegen die zunehmende Gewalt gegen Frauen | |
> gestreikt. Viele Betriebe und Geschäfte blieben am Montag geschlossen. | |
Bild: Ganz schön leer, wenn Mexikos Frauen wegbleiben: Fabrik in Ciudad Juáre… | |
OAXACA taz | Verlassene Hörsäle, leere U-Bahnen, geschlossene | |
Ladengeschäfte und zahlreiche Betriebe, in denen die Produktion stillstand | |
– so erlebte Mexiko den Tag, an dem sich viele Frauen aus dem öffentlichen | |
Leben zurückzogen, nicht zur Arbeit gingen und auch keine Hausarbeit | |
leisteten. Um gegen die zunehmende Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu | |
protestieren, hatten Feministinnen für den Montag zu einem [1][nationalen | |
Frauenstreik] aufgerufen und ernteten große Zustimmung: Universitäten, | |
Schulen, indigene Organisationen und Behörden schlossen sich ebenso an wie | |
Banken, Unternehmerverbände und hochrangige Politikerinnen. Schätzungen | |
zufolge haben sich mehrere Millionen Frauen an dem Streik mit dem Titel | |
[2][„Ein Tag ohne uns“] beteiligt. | |
Dass der Aufruf so breite Unterstützung fand, hängt mit zwei Morden | |
zusammen, die in den vergangenen Wochen großes Aufsehen erregten. Anfang | |
Februar wurde die 25-jährige [3][Ingrid Escamilla] von ihrem Freund brutal | |
getötet, die Fotos der verstümmelten Leiche erschienen auf den Titelseiten | |
zweier Zeitungen. Wenige Tage später fand man die sterblichen Reste der | |
siebenjährigen Fátima Cecilia in einer Plastiktüte im Müll, das Mädchen war | |
nach der Schule entführt und vergewaltigt worden. | |
Die Morde und die mediale Zurschaustellung der Leiche von Escamilla seien | |
für die Mobilisierungen ausschlaggebend gewesen, erklärt Lourdes Godínez | |
von der [4][feministischen Nachrichtenagentur CIMAC]. „Sie haben | |
unübersehbar gezeigt, was wir seit Jahren sagen: dass Frauen verschwinden | |
und ermordet werden.“ Täglich werden in Mexiko zehn Frauen ermordet, | |
mindestens jede vierte aus geschlechtsspezifischen Gründen. | |
Bereits am 8. März, dem Internationalen Frauentag, demonstrierten | |
offiziellen Angaben zufolge allein in Mexiko-Stadt 80.000 Frauen, laut | |
Angaben der Organisatorinnen waren es 200.000. Auch in vielen weiteren | |
Städten gingen Aktivistinnen auf die Straße, um gegen Frauenmorde, | |
Vergewaltigungen und sexuelle Nötigung zu demonstrieren. | |
## VW und Audi stellten die Produktion ein | |
Mit den Demonstrationen und dem Streik wolle man nicht nur die | |
machistischen Verhältnisse anprangern, sagt die Aktivistin Julia Murieda. | |
„Wir fordern auch, dass die Politik das Problem priorisiert und unserem | |
Recht auf ein Leben ohne Gewalt auf der Straße, im Bett, in der Schule und | |
bei den Behörden Geltung verschafft.“ | |
Einige Viertel von Mexiko-Stadt waren deutlich leerer als sonst. | |
Unternehmensketten, Banken und viele Regierungsbehörden hatten vorab | |
verkündet, dass sie den Streik unterstützen und ihren Mitarbeiterinnen frei | |
gegeben. Die deutschen Autobauer Volkswagen und Audi stellten ihre | |
Produktion an dem Tag ein. Ohne die Frauen könne man nicht operieren, | |
erklärte VW. | |
Bankhäuser arbeiteten maximal mit 50 Prozent ihrer Kapazitäten. | |
Universitäten boten Studenten Seminare an, um über | |
Geschlechtergerechtigkeit und patriarchale Gewalt zu diskutieren. In den | |
hunderten geschlossenen Schulen waren die Eltern aufgerufen, über „die | |
Werte der Erziehung“ nachzudenken. | |
Auch die Frauen des indigenen Zapatistischen Befreiungsheers (EZLN) im | |
Bundesstaat Chiapas schlossen sich dem Streik an. Radikaler als viele | |
andere feministische Unterstützerinnen richteten sie ihre Kritik an die | |
politische Klasse. „Nieder mit der machistischen Regierung“, riefen sie. | |
Wenig Widerhall fand der Aufruf wiederum bei Frauen, die als informelle | |
Arbeiterinnen ohne soziale Absicherung an Marktständen, in Restaurants oder | |
Supermärkten tätig sind. Häufig hängt von deren Arbeit das Überleben der | |
Angehörigen ab. So etwa bei Doña Tere, die seit 20 Jahren auf einem Markt | |
Gemüse verkauft: „Wenn ich heute nicht öffne, hat meine Familie nichts zu | |
essen.“ | |
10 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Getoetete-Frauen-in-Lateinamerika/!5666531 | |
[2] https://www.mujerde10.com/mujeres-al-rescate/un-dia-sin-nosotras-convocator… | |
[3] /Proteste-in-Mexiko/!5663834 | |
[4] https://cimac.org.mx/ | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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