| # taz.de -- Gewerkschafter über Equal Pay Day: „Baustein für mehr Gerechtig… | |
| > Der DGB schlägt ein Gutscheinmodell für Arbeit in Privathaushalten vor. | |
| > Das würde Jobs schaffen und besonders den Frauen* helfen, sagt Johannes | |
| > Jakob. | |
| Bild: Kundgebung zum Equal pay Day vom DGB in Berlin 2019 | |
| taz: Herr Jakob, eigentlich wollen wir pünktlich zum heutigen Equal Pay Day | |
| darüber sprechen, welchen Beitrag mehr legale Arbeit in Privathaushalten | |
| für die Verdienstmöglichkeiten von Frauen leisten kann. Aber es wirkt wohl | |
| etwas weltvergessen, wenn wir nicht mit [1][Corona] beginnen. Sind nicht | |
| gerade die Menschen, die in Privathaushalten als Reinigungskräfte oder | |
| Haushaltshilfen arbeiten, jetzt auch vom großen Shutdown betroffen? | |
| Johannes Jakob: Das ist schwierig zu sagen. Das Problem ist ja, dass diese | |
| haushaltsnahen Dienstleistungen überwiegend in Schwarzarbeit erbracht | |
| werden. Wir gehen davon aus, dass rund vier Millionen Haushalte | |
| haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Davon sind aber nur | |
| cirva 400.000 legale Jobs. | |
| Also eine Branche ohne Kontrollmöglichkeiten, bei der die meisten | |
| Beschäftigten auch jetzt im Krisenfall nicht von der Unterstützung durch | |
| die Politik profitieren. | |
| Genau. Und bei der die Beschäftigten weder im Krankheitsfall noch fürs | |
| Alter abgesichert sind. Wir schlagen ein Fördermodell für diesen | |
| Arbeitsbereich vor, das sowohl mehr Familien und vor allem Frauen von der | |
| Arbeit im Haushalt entlastet, als auch die Arbeitsbedingungen für die | |
| Beschäftigten, ebenfalls vor allem Frauen, verbessert. Das wird den Gender | |
| Pay Gap nicht schließen, ist aber ein kleiner Baustein für [2][mehr | |
| Einkommensgerechtigkeit]. | |
| Ein Förderprogramm für haushaltsnahe Dienstleistungen: Ist das nicht ein | |
| alter Hut, das gibt es doch schon … | |
| Der Staat hat derzeit zwei Wege zur Förderung der Arbeit in | |
| Privathaushalten: Die steuerliche Förderung über die | |
| Einkommensteuererklärung ist offensichtlich zu gering und verhindert nicht, | |
| dass Schwarzarbeit preiswerter ist. Und bei den geförderten Minijobs ist | |
| das Problem, dass man ja nur maximal 450 Euro verdienen kann. Weil aber | |
| viele mehr verdienen wollen, nehmen sie dann weitere Jobs in Schwarzarbeit | |
| an. Beides hat sich als Irrweg erwiesen. Und dabei wächst der Bedarf nach | |
| Entlastung in Privathaushalten. | |
| Ist das so? | |
| Wir haben, wenn wir mal über Corona hinausdenken, einen akuten | |
| Fachkräftemangel in Deutschland und gleichzeitig die Situation, dass die | |
| meisten Frauen mit Kindern nur Teilzeit arbeiten. Dort ergibt sich ein | |
| erhebliches Fachkräftepotenzial, wenn die Frauen in den Haushalten | |
| entlastet werden. | |
| Ist es denn so erstrebenswert, dass alle in Vollzeit arbeiten? | |
| Ob jemand in Vollzeit arbeitet, ist immer auch eine private Entscheidung, | |
| aber wir möchten zumindest die Möglichkeit geben, mehr zu arbeiten. Wir | |
| hören einfach sehr oft, dass Frauen sich nur deshalb beruflich | |
| einschränken, weil ihnen die Doppelbelastung zu viel wird. | |
| Man könnte auch fördern, dass Väter weniger arbeiten und dadurch die Arbeit | |
| im Haushalt besser aufgeteilt werden kann. | |
| Ja, auch das ist natürlich ein Weg, aber er birgt die Gefahr, dass sich der | |
| Fachkräftemangel dann noch weiter vergrößert. Und am Ende kann man ja auch | |
| das eine tun, ohne das andere zu lassen – so dass Familien echte | |
| Wahlfreiheit haben. | |
| Also erklären Sie mal Ihren Plan. | |
| Wir schlagen vor, dass der Staat die Arbeitsstunde in Privathaushalten mit | |
| 12 Euro bezuschusst – zum Beispiel über ein Gutscheinmodell. Der Betrag von | |
| 12 Euro ergibt sich aus den Erfahrungen in einem Modellversuch in | |
| Baden-Württemberg, bei dem zunächst 8 Euro vorgesehen waren. Erst bei 12 | |
| Euro nahmen aber mehr Menschen das Angebot in Anspruch. | |
| Werden damit nicht nur Besserverdienende zusätzlich unterstützt, die sich | |
| ohnehin schon Reinigungskräfte und Haushaltshilfen leisten? | |
| Unser Vorschlag zielt darauf ab, dass sich ein größerer Kreis diese | |
| Entlastung leisten kann. Aber es wird auch in Zukunft so sein, dass ein | |
| Eigenanteil zu erbringen ist. Dienstleistungsagenturen berechnen derzeit | |
| etwa 24 bis 28 Euro pro Stunde. | |
| Bleiben also bei Ihrem Zuschuss rund 12 bis 16 Euro für die Kunden. Etwa so | |
| viel, wie man derzeit für eine nicht legale Arbeitsstunde bezahlt. | |
| So ist es. Das ist der Weg, aus Schwarzarbeit legale Arbeit zu machen. | |
| Es gibt doch diese Online-Portale wie Helpling und andere, bei denen ich | |
| für meine Wohnung günstig eine Reinigungskraft buchen kann. Geht das nicht | |
| schon in die richtige Richtung? | |
| Diese Portale verstehen sich als Vermittler und suggerieren den Kunden | |
| niedrige Preise. Die Beschäftigten sind Soloselbstständige, die Verdienste | |
| sehr gering, deshalb wird oft auf soziale Sicherung verzichtet. Generell | |
| werden diese Angebote nur wenig genutzt. Wir favorisieren den Weg über | |
| Dienstleistungsagenturen, bei denen die Beschäftigten angestellt und | |
| entsprechend gesichert sind. | |
| Gibt es solche Agenturen denn in ausreichendem Maße? | |
| Nein. Deshalb müsste es parallel ein Förderprogramm geben, mit der die | |
| Gründung dieser Dienstleistungsagenturen bezuschusst wird. Wir haben uns | |
| bei unserem Vorschlag sehr stark an Belgien orientiert, wo genau das | |
| gemacht wurde. Mit sehr guten Erfahrungen: Dort sind in den vergangenen | |
| zehn Jahren rund 140.000 Arbeitsplätze entstanden, zum Teil in Teilzeit, | |
| 1,1 Millionen Haushalte nutzen das Angebot. Auf Deutschland hochgerechnet | |
| wären das – über einen längeren Zeitraum – über eine Million Beschäfti… | |
| Sie wollen also, dass der Staat sowohl auftraggebende Familien als auch die | |
| Dienstleister noch stärker subventioniert. Lohnt sich das denn | |
| gesamtgesellschaftlich? | |
| Wir haben eine Modellrechnung gemacht: Für 5 Milliarden Euro Aufwendungen | |
| würde der Staat 4 Milliarden direkt zurückbekommen – etwa über Steuern und | |
| Sozialversicherungsbeiträge. Da sind die Ersparnisse zum Beispiel durch die | |
| Verringerung von Altersarmut noch gar nicht dabei. Wir sehen die | |
| Möglichkeit, dass hier Hunderttausende sozialversicherungspflichtige | |
| Arbeitsplätze entstehen für einen vergleichsweise geringen Aufwand. Andere | |
| Bereiche werden auch subventioniert. Da werden ganz andere Beträge | |
| aufgerufen und es entstehen viel weniger Arbeitsplätze. | |
| Ist eine Neuregelung nicht auch aufgrund der seit 2013 geltenden | |
| ILO-Konvention 189 geboten, in der die Internationale Arbeitsorganisation | |
| fordert, dass Beschäftigte in Privathaushalten aus der Schwarzarbeit | |
| herausgeholt werden? | |
| Die Bundesregierung prüft diese Konventionen bedauerlicherweise nur sehr | |
| formal. Und formal ist die Arbeit in Deutschland gut geregelt. Vor | |
| Schwarzarbeit verschließt die Politik gern die Augen. | |
| Wie realistisch ist denn, dass die Bundesregierung das Thema jetzt angeht – | |
| aktuelle Krise hin oder her? | |
| Im Koalitionsvertrag steht ein Passus drin, dass man private Haushalte | |
| entlasten will, allerdings sehr allgemein formuliert. Deswegen gibt es noch | |
| kein konkretes Modell, aber sehr wohl Gespräche zwischen den Parteien im | |
| Bundestag. Mit unserem konkreten Vorschlag machen wir jetzt einen Aufschlag | |
| und müssen sehen, was die Politik dann – nach überstandener Coronakrise – | |
| daraus macht. | |
| 17 Mar 2020 | |
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| Manuela Heim | |
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