# taz.de -- Linke Problemzonen: Der renitente Ramelow | |
> Bodo Ramelow stimmt mit der AfD und will das Paritätsgesetz aussetzen. | |
> Die Partei rügt ihn. Und Sahra Wagenknecht meldet sich wieder zu Wort. | |
Bild: Empört: Sahra Wagenknecht und Bodo Ramelow | |
BERLIN taz | Zum Internationalen Frauentag findet der frisch gewählte | |
Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow, Linke, am Sonntag schöne Worte: | |
„Gleichberechtigung gehört nicht nur in Sonntagsreden, sondern bleibt | |
Alltagsaufgabe für alle“, postet die Staatskanzlei seinen Gruß. Doch im | |
parlamentarischen Alltag möchte Ramelow die Gleichberechtigung erst mal | |
beiseite lassen. | |
Das im Juli 2019 mit den Stimmen von Linken, SPD und Grünen beschlossene | |
und im Januar in Kraft getretene Paritätsgesetz soll für die nächste | |
Landtagswahl doch noch nicht gelten. Um die Wahl nicht zu blockieren, solle | |
das Gesetz ausgesetzt werden, sagte Ramelow am Samstag der Thüringer | |
Allgemeinen. „Das Paritätsgesetz würde somit erst zur übernächsten | |
Landtagswahl, also nicht schon zur Wahl im April 2021, in Kraft treten.“ | |
Das Thüringer Paritätsgesetz schreibt den Parteien vor, dass sie ihre | |
Wahllisten abwechselnd mit Frauen und Männern besetzen. Das stellt | |
insbesondere die AfD vor Probleme, auf deren Wahlliste 2019 gerade mal 5 | |
von 35 KandidatInnen weiblich waren. Die Partei hatte deshalb im Januar | |
Klage beim Landesverfassungsgericht gegen das Gesetz eingereicht. Nur zwei | |
Tage zuvor hatte die FDP einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, | |
mit dem Ziel das Gesetz aufzuheben. | |
Mit den Attacken von AfD und FDP begründet Ramelow auch sein Einknicken: | |
„Durch die zu erwartenden Klagen und den FDP-Antrag würde jede Landtagswahl | |
blockiert.“ Seine Fraktion, die das Gesetz mit ein- und durchgebracht | |
hatte, schickte am Sonntag auf taz-Anfrage nur einige dürre Worte: „Die | |
Linksfraktion hat für die rechtskonforme Absicherung der Neuwahlen im | |
kommenden Frühjahr auch das Paritätsgesetz im Blick.“ | |
## Linke und Grüne gehen auf Distanz | |
Andere Abgeordnete kritisierten Ramelows Alleingang hingegen. Die Fraktion | |
hätte [1][Anfang Februar zwar über eine Verschiebung des Partitätsgesetzes] | |
beraten, so die für das Thema zuständige Abgeordnete Karola Stange zur taz. | |
Damals standen aber baldige Neuwahlen im Raum. Das ist nicht mehr der Fall. | |
Sie hätte sich deshalb gefreut, wenn Ramelow jetzt noch einmal mit der | |
Fraktion gesprochen hätte, so Stange. „Falls das Landesverfassungsgericht | |
grünes Licht für das Paritätsgesetz gibt, sehe ich keine Veranlassung, es | |
zurückzuziehen.“ Und gegen den Antrag der FDP müsse man eben Mehrheiten im | |
Parlament suchen. Bei der Fraktionsklausur am Dienstag wird das Thema wohl | |
zur Sprache kommen. | |
Auch der Koalitionspartner distanziert sich vorsichtig von Ramelows | |
Vorstoß. „Die Debatte darüber steht derzeit nicht an“, so der Grüne und | |
Justizminister Dirk Adams zur taz. Es gelte, die Entscheidung des | |
Verfassungsgerichtshofs abzuwarten. Und: „Bei alldem wird auch der | |
Thüringer Landtag ein wichtiger Partner sein.“ | |
Doch nicht nur mit dieser Aktion bereitet Ramelow seiner Partei derzeit | |
Bauchkrämpfe. Noch schärfer missbilligte die Linke am Freitag dessen | |
Bekenntnis, er habe den AfD-Kandidaten Michael Kaufmann, der am Donnerstag | |
mit einer Stimme Mehrheit zum Landtagsvizepräsidenten gewählt wurde, | |
ebenfalls mitgewählt. Ramelows Begründung: Die Handlungsfähigkeit des | |
Parlaments sei zu sichern. Die AfD hätte sonst die Benennung von | |
KandidatInnen für den Richterwahlausschuss blockiert. Dieses Gremium beruft | |
neue RichterInnen, jede Fraktion entsendet eine VertreterIn. | |
## Rüge von der Parteileitung | |
Selbst die sonst loyale Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow ging per | |
Twitter auf Abstand: „Meine Position ist eine andere: keine Stimme für die | |
AfD.“ | |
Der geschäftsführende Parteivorstand der [2][Bundespartei verabschiedete am | |
Samstag eine Erklärung], in der er Ramelows Entscheidung als falsch | |
bezeichnete. Geschäftsführer Jörg Schindler sagte der taz am Sonntag: Er | |
habe keinen Zweifel, dass Ramelow ein überzeugter Antifaschist sei. „Die | |
konkrete Mitwahl des Landtagsvizepräsidenten halte ich dennoch für falsch. | |
Wir sind dazu mit Bodo im Gespräch.“ | |
Und um das Maß voll zu machen, meldete sich zum Wochenende auch die | |
ehemalige Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht mal wieder zum Thema | |
Flüchtlinge zu Wort: Im Fernsehen und auf ihrem YouTube-Kanal tat sie kund, | |
dass es hinsichtlich der Situation an der türkisch-griechischen Grenze | |
überhaupt keine Lösung sei, jetzt die Grenzen aufzumachen. Entsprechende | |
Vorschläge der Grünen seien „wohlfeil“ und „unehrlich“. Die „völli… | |
Kontrolllosigkeit von 2015“ dürfe sich nicht wiederholen, so Wagenknecht. | |
In Bayern, wo die Linke gerade im Kommunalwahlkampf steht, beißen sie vor | |
Wut in den Wahlkampfstand. An die Adresse von Ramelow, Wagenknecht und | |
Parteichef Bernd Riexinger, der zuletzt über den [3][Ausspruch einer | |
Parteianhängerin, Reiche zu erschießen], flapsig hinweggegangen war, | |
[4][twitterte die Kreisvorsitzende] für die Mittlere Oberpfalz, Eva Kappl: | |
„Das ist grade die mit Abstand wichtigste Wahl für uns, wir reißen uns hier | |
den Arsch auf, und von jedem von euch kommt so ’ne Scheiße. Ernsthaft?“ | |
8 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Gleichstellung-im-Landtag/!5659749 | |
[2] https://www.die-linke.de/start/nachrichten/detail/erklaerung-des-geschaefts… | |
[3] /Riexinger-ueber-Aeusserung-zu-Reichen/!5666317 | |
[4] https://twitter.com/Avocaee/status/1236079362484645889 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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