# taz.de -- Die Wahrheit: Wir müssen leider draußen bleiben! | |
> Männer feiern den Frauentag gern ohne Frauen. Doch dagegen regt sich | |
> massiver Protest in einer sensibilisierten Öffentlichkeit. | |
Seit 1921 wird er jährlich am 8. März gefeiert, doch kurz vor seinem 100. | |
Geburtstag sorgt der internationale Frauentag für Turbulenzen. Der | |
Gedenktag, im vergangenen Jahr in Berlin erstmals gesetzlicher Feiertag, | |
ist nicht nur der Tag, an dem der großen Frauen gedacht wird, die das | |
Frauenwahlrecht erkämpft, die Diskriminierung zurückgeschlagen und die Welt | |
ein Stück besser gemacht haben – er ist auch der Tag der | |
Supersonderangebote und Spitzenschnäppchen: Rotkäppchen-Sekt für 1,99 Euro, | |
fair gehandelte Tulpen (10 Stck.) für 2,49 Euro, Merci-Schokolade in | |
eigenen Packungsgrößen (XL bis XXXL). Da ist wirklich für jede etwas dabei. | |
Kein Wunder, dass auch Männer immer öfter Lust bekommen, den Frauentag zu | |
zelebrieren. Sie köpfen zusammen mit ihren Bros und Buddies eine Flasche | |
Bailey’s, stoßen auf die Frauenrechte an, schauen Filme wie „Thelma und | |
Louise“ oder „Grüne Tomaten“ – und weinen dann prompt an den falschen | |
Stellen. Viele Herren der Schöpfung sind freilich bloß dabei, weil sie | |
immer dabei sind, wenn es was wegzufeiern gibt. Frauen sind auf solchen | |
Partys, wenn nicht ausdrücklich erwünscht, so doch geduldet, solange sie | |
nicht ständig in den Film reinquatschen oder gar spoilern. | |
Andere Männer jedoch haben über Jahre hinweg mit ansehen müssen, was Gender | |
Mainstreaming und weibliches Empowerment in unserer Gesellschaft | |
angerichtet haben. Sie durften erfahren, wie ihre Altersgenossinnen | |
selbstbewusst vorbeizogen und ihnen die besten Stücke vom Karrierekuchen | |
vor der Nase weggeschnappt haben. Diese Männer wollen einfach nur in | |
Gemeinschaft von Gleichgesinnten Wunden lecken, Toasts auf die heimlich | |
bewunderten Ladys ausbringen und bei ein paar Dutzend Bier staunen, wie | |
weit man es mit Fleiß, Zielstrebigkeit und einem weiblichen Chromosomensatz | |
bringen kann. | |
In diesen Kreisen war es Usus, die Frauentagsfeiern unter Ausschluss von | |
Frauen stattfinden zu lassen. „Wir durften ja oft auch nicht auf deren | |
Feste“, rechtfertigt sich Sprachenstudent Leon vom Arbeitskreis | |
feministischer Linguisten an der Privatuniversität Bensberg. „Wir dachten | |
all die Jahre, es wäre rücksichtsvoller, wenn wir still und heimlich unter | |
uns Männern feiern und gewissermaßen einen großen Safespace außerhalb | |
unserer Party schaffen. Mit dem Shitstorm vor vier Wochen hat keiner von | |
uns gerechnet!“ | |
## Kampftag im Partykeller | |
In einer von #MeToo und Weinstein-Prozess sensibilisierten Öffentlichkeit | |
hätten die Studenten aber damit rechnen müssten. Kaum waren | |
Facebook-Veranstaltungen und Flyer in die Welt gesetzt, ging ein Sturm der | |
Empörung durch die sozialen Medien. Immer mehr Fälle von ohne Frauen | |
geplanten Frauentagsfeiern wurden ans Tageslicht gezerrt, ihre Veranstalter | |
an den medialen Pranger gestellt. Zwar versuchten sich einige Organisatoren | |
an Entschuldigungen der Art, dass man es doch „nicht so gemeint“ habe und | |
„vielleicht auch mal ein bisschen locker bleiben“ solle. Allerdings sorgten | |
prominente Bloggerinnen für tüchtig Gegenwind und stampften die | |
jämmerlichen Ausreden in Grund und Boden. | |
Viele der geplanten Festlichkeiten wurden daraufhin abgesagt, andere | |
nachträglich für Frauen geöffnet. Trotzdem bleibt die Frage: Was sind das | |
eigentlich für Männer, die Frauen ausgerechnet am Kampftag für gleiche | |
Rechte aus ihren Partykellern und Wochenendhütten ausschließen wollten, und | |
was haben sie aus der ganzen Chose gelernt? | |
Sprachenstudent Leon will sich gerne erklären: „Eigentlich arbeiteten wir | |
in der Gruppe gerade daran, den Begriff ‚Frauenheld‘ zu dekonstruieren, | |
indem wir ihm den Begriff ‚Frauenheldin‘ zur Seite zu stellen, um eben auch | |
Frauen klarzumachen, dass sie die wahren Heldinnen in der Geschichte sind. | |
Da passte uns die Diskussion gerade nicht, und wir haben in unserem ersten | |
Tweet ein bisschen flapsig reagiert.“ | |
## Fernkurs beim Pick-up-Artist | |
Was Leon „flapsig“ nennt, war in Wirklichkeit krass misogyne Scheiße und | |
führte einen Tag lang die Twittercharts in Deutschland an. Als Konsequenz | |
aus dem unerquicklichen Vorgang hat sich die Arbeitsgruppe mittlerweile | |
aufgelöst, während sich Leon zurückgezogen hat, um die frauenfeindlichen | |
Anteile seiner Persönlichkeit zu reflektieren und einen Fernkurs bei einem | |
renommierten Pick-up-Artisten zu belegen. | |
Recht einsichtig zeigen sich hingegen die „Hellersheimer Buben“, eine | |
Clique von Dorfmännern aus Schwaben, die es sich in den letzten Jahren zur | |
Gewohnheit machte, den Frauentag mit Bollerwagen und Bierkasten draußen in | |
der Natur zu begehen – ganz ohne weibliche Beteiligung. Auch auf sie | |
prasselte der Zorn der sozialen Netzwerke nieder, nachdem die Jungs bei | |
Facebook ein Video vom letztjährigen Umzug posteten. „Das mit dem Penis und | |
den Zweigen als Venussymbol war echt zu blöd“, kichert Bubensprecher Uli | |
(24), von Beruf Mechatroniker, selbstkritisch. „Und dass Tobi dann voll in | |
die Büsche gekotzt hat, erst recht.“ | |
„Wir feiern halt gern hart“, versucht Lagerist Tobi (19) das Dilemma zu | |
beschreiben. „Und da sind die Frauen ja immer ein Bremsklotz mit ihrem | |
ständigen ‚Trink nicht so viel‘ und ‚Was redest du da wieder für eine | |
Kacke?!‘ “ | |
Der Shitstorm hat die Jungs jedoch zur Räson gebracht: Schon dieses Jahr | |
dürfen die Frauen mitlaufen und -saufen – im kommenden wollen die | |
„Hellersheimer Buben“ sogar etwas Hilfreiches für sie auf die Beine | |
stellen, zum Beispiel Workshops in Rückwärts-Einparken. | |
## Strahlende Egos | |
Als völlig resistent gegen die Kritik hat sich allerdings eine Gruppe von | |
anonymen CDU-Hinterbänklern aus dem Bundestag erwiesen. Sie möchten den | |
Internationalen Frauentag dazu nutzen, bei Spießbraten und Sekt einer Frau | |
zu huldigen, die sie alle in Lohn und Brot hält: Angela Merkel. Davon | |
lassen sich die rund vierzig Männer auch nach der Debatte nicht abbringen. | |
In einer Mail schreibt der anonyme Kopf der Gruppe: „Wir diskutieren dort | |
über eine mögliche Nachfolgerin für Frau Dr. Merkel und fänden es | |
degoutant, wenn Frauen dabei wären.“ In einer weiteren Mail erklärt er | |
frank und frei: „Ja, wir wurden von Feminazis gehirngewaschen. Dennoch: | |
Keine Frauen bei unserer Feier!“ | |
Trotz einzelner männlicher Trotzreaktionen scheint es also insgesamt so, | |
als seien Frauen endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch es | |
gibt noch viel zu tun, wie Sprachenstudent Leon mahnt: „Man sollte in | |
solchen Dingen auch mal Frauen selbst zu Wort kommen lassen. Es kann nicht | |
angehen, dass es immer nur wir Männer sind, die wir männliche Dominanz | |
zementieren, indem wir ungefragt draufloslabern und Minute für Minute Text | |
produzieren, der zur eigentlichen Sache gar nichts beiträgt, sondern nur | |
unsere Egos zum Strahlen bringt. Es wäre doch schön, wenn in einer | |
künftigen Welt auch Frauen mal das letzte Wort haben können!“ Sein Wort in | |
Mutter Gaias Ohr. | |
7 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Mark-Stefan Tietze | |
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