Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Das chinesische Geheimrezept
> Vorsicht beim Take-away: So manch köstlich scheinende Soße basiert
> vielleicht nur auf nicht ganz so korrekten Zutaten. Am Ende ist es nur
> Ketchup.
Bild: Wollen auch bald nach ganz oben abdampfen: die Zybulkis
Von China lernen heißt in diesen Tagen offensichtlich siegen lernen. Auch
ich möchte meinen Blick aus didaktischen Gründen heute in den fernen Osten
richten. Und zwar war ich neulich unangenehm berührt, als ich zufällig in
die Ausgabeluke des von mir geschätzten Bistro Hong Kong schaute. Dort
musste ich nämlich mit ansehen, wie der Chinese eine Portion der von mir
ebenfalls geschätzten Gung-Bao-Soße zubereitete – meine Portion.
Da das an einer belebten Einkaufsstraße gelegene Bistro schon seit vielen
Jahren Ausgabeluke an Ausgabeluke mit einem für seine Qualität und
günstigen Preis gleichfalls berühmten Thai-Imbiss zu koexistieren vermochte
und auch viel von originalen Chinesen frequentiert wurde, dachte ich
eigentlich, dass in dieser beliebten Garküche viel mit frischen
Originalzutaten und chinesischen Geheimrezepten gearbeitet wird.
Der junge Chinamann indes, den ich durch die enge Ausgabeluke beobachtete,
klatschte als Erstes, als Grundlage der Soße also, eine volle Schöpfkelle
einer roten Substanz in den Wok, die aus einem Plastikeimer unter der
Kochstätte stammte, einem Eimer, der seinen Inhalt bei näherer Betrachtung
deutlich als Tomatenketchup der Marke Kraft zu erkennen gab.
Ich war so unangenehm berührt, als hätte ich einen guten Freund bei einer
unanständigen Handlung ertappt; gleichzeitig fühlte ich mich aber auch
hintergangen, regelrecht abgezockt. „Das ist also euer Geheimrezept?“,
wollte ich den Freunden aus dem Land des Lächelns entgegenschleudern,
„Scheißtomatenketchup?!“, was ich jedoch aus angeborener Höflichkeit
unterließ, obwohl der Groll weiter in mir tobte.
## Sekundenschnell zur Nagelprobe
Trotzdem bestellte ich mein Gericht mit der Gung-Bao-Soße nicht ab, da ich
gerade diese stets als außerordentlich köstlich empfunden hatte und es nun,
so fasste ich sekundenschnell meinen Entschluss, auf eine Nagelprobe
ankommen lassen wollte. Ich nahm das verpackte Gericht also weise in mich
hineinlächelnd entgegen und bezahlte klaglos.
Als ich das entpackte Essen schließlich am Schreibtisch verzehrte und dabei
konzentriert verköstigte, war ich wieder einmal hingerissen: Das Gemüse war
knackig, die Soße super, und das ganze Wissen um ihre düstere Herkunft
konnte mir den Genuss nicht verleiden.
Und außerdem, so dachte ich mir, ist die Soße ja vielleicht nicht trotz,
sondern wegen des Kraft-Tomatenketchups so vorzüglich. Im HipHop greift man
ständig auf Samples zurück, im Film auf vorproduziertes Einspielmaterial,
im Journalismus fast ausschließlich auf bewährte Phrasen, es herrscht eben
Postmoderne. Wenn die bestmögliche Gung-Bao-Soße der Welt als Basis nun
einmal ausgerechnet Kraft-Tomatenketchup braucht, dann sei die Belegschaft
des Bistro Hong Kong, die just dieses mit sicherer Hand auswählte, über den
grünen Klee gelobt dafür, dass sie ihre Soße so ausgezeichnet, wie man das
heute nennt, „kuratiert“.
15 Apr 2020
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
chinesische Küche
Restaurant
Restaurantkritik
Familie
Homeoffice
Schwerpunkt Coronavirus
Gender
Schwerpunkt AfD
Apotheken
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Ab in die Milchstraße
Erschreckende Zahlen: Immer mehr Deutsche wollen ins All auswandern und
ihre Mitbürger in der Merkel-Diktatur allein lassen.
Die Wahrheit: Und es hat Zoom gemacht …
Pandemie der Liebe: Wenn’s im Homeoffice knistert und knattert, entwickeln
sich ganz schnell Frühlingsgefühle der besonderen Art.
Die Wahrheit: Schon brennt die Luft!
Ein neuer Trend greift in der großen Krise um sich: Die Nerven liegen
blank, und immer mehr Leute drehen komplett durch.
Die Wahrheit: Wir müssen leider draußen bleiben!
Männer feiern den Frauentag gern ohne Frauen. Doch dagegen regt sich
massiver Protest in einer sensibilisierten Öffentlichkeit.
Die Wahrheit: Seid umschlungen, Milliarden!
Mit dem Geld eines Milliardärs kann man 1.000 Millionäre durchfüttern.
Warum nur sind die sympathischen Oligarchen trotzdem oft so scheu?
Die Wahrheit: Servicehölle Apotheke
Kopfschmerz ist ein feiner Anlass, um eines jener Geschäfte zu betreten,
die herrliche Gegenmittel vertreiben. Wären da nur nicht diese
Thekenfürsten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.