# taz.de -- Die Wahrheit: Seid umschlungen, Milliarden! | |
> Mit dem Geld eines Milliardärs kann man 1.000 Millionäre durchfüttern. | |
> Warum nur sind die sympathischen Oligarchen trotzdem oft so scheu? | |
Wenn sie beschwipst in den Swimmingpool fallen, können sie ganze | |
Volkswirtschaften mit sich reißen. Manche sagen sogar, sie seien das | |
Himalaja-Salz der Erde: Milliardäre! In diesen Tagen machen sie auch wieder | |
tüchtig von sich reden. Einen Milliardärsreport haben zum Beispiel soeben | |
die Schweizer Großbank UBS und die Unternehmensberatung PWC vorgelegt, | |
beide unbestrittene, um nicht zu sagen unbestechliche Kenner der Materie. | |
Ihrem Report ist zu entnehmen, dass selbst für die Superreichen die | |
vergoldeten Trauben nicht mehr in den diamantbesetzten Himmel wachsen. | |
Erstmals seit fünf Jahren nämlich hat sich das weltweite Vermögen der | |
Milliardäre verringert. In Deutschland schrumpfte ihr Vermögen um 78 | |
Milliarden auf rund 500 Milliarden Dollar, ihre Zahl von 123 auf 114. Das | |
macht zwar im Schnitt immer noch knapp 4,4 Milliarden für jeden; aber hey, | |
endlich haben wir kleinen Leute auch mal einen kleinen Grund zur | |
Schadenfreude, ja ein Ventil für unseren Sozialneid! | |
Doch was sind das eigentlich für Typen, diese Milliardäre? Diejenigen von | |
ihnen, die uns täglich in den Medien begegnen, sind in der Regel tolle | |
Typen – mit Herz und Visionen! Ihnen neiden wir ihren Reichtum nur selten, | |
weil sie uns die Infrastruktur für unsere täglichen Verrichtungen | |
bereitstellen (Computer, Internet) oder in unseren Medien für den | |
kulturindustriell notwendigen Content sorgen (Fußballspieler, Schauspieler, | |
Musiker). | |
Unter den 2.101 Milliardären auf diesem Planeten (Vorjahreszahl: 2.158) | |
gibt es allerdings auch andere, viele andere, die nicht ins Rampenlicht | |
drängen. Es sind die im Dunkeln, die man nicht sieht: die Schüchternen und | |
Unauffälligen, Zartbesaiteten und Empfindsamen. Sie leben zurückgezogen, | |
möchten nicht erkannt und keinesfalls angesprochen werden – schon gar nicht | |
mit vollem Namen, gezückter Waffe und Bitte um zügige Herausgabe ihrer | |
Barschaft! Darum legen sie so viel Wert auf weitgehende Anonymität. Es gibt | |
keine Fotos von ihnen, niemand weiß, wo sie wohnen, nicht einmal ihre Namen | |
kennt man richtig. | |
## Der Geist der Privatsphäre | |
Einer, der bei der Wahrung seiner Privatsphäre nicht immer erfolgreich war, | |
ist der alle paar Jahre durch die Schlagzeilen geisternde Milliardär August | |
von Fick (Name von der Redaktion geändert). Der 89-Jährige, der seit 1999 | |
in der Schweiz wohnt, gilt dem Spiegel als „scheu“, der Münchner | |
Abendzeitung als „extrem scheu“ und dem Schweizer Internetportal Bilanz.ch, | |
das von der Sorte wohl noch andere kennt, als „zurückhaltend, ja fast als | |
scheu“. Genutzt hat es ihm jedoch nicht viel: Sein Name ist in der Welt! | |
Und Fotos gibt es auch. | |
Das ist möglicherweise unangenehm für von Fick, weil er im Verdacht steht, | |
der AfD verdeckte Wahlkampfspenden zugeschoben zu haben, und sich wegen | |
seiner zurückhaltenden Persönlichkeit nun gegen die Vorwürfe nicht zur Wehr | |
setzen kann. Wir vom Wahrheit-Reportageteam möchten den Geldsack selber zu | |
diesem Themenkomplex befragen, aber das ist schwierig bei einem derart | |
scheuen Zeitgenossen. Er geht nicht ans Telefon, reagiert nicht auf Mails, | |
blockiert uns irgendwann sogar auf Facebook. | |
Doch wir lassen nicht locker. Über seine Helfershelfer, den Chefredakteur | |
des Deutschland-Kuriers, dem von Fick über dunkle Kanäle einige Millionen | |
zur Wahlwerbung für die AfD spendiert haben soll, und seinen | |
Bevollmächtigten, der diesen Geldtransfer wohl einfädelte, finden wir | |
heraus, wie wir uns über einen toten Briefkasten mit dem Milliardär in | |
Verbindung setzen können. Extrem genervt stimmt von Fick irgendwann einem | |
Treffen zu, um „ein paar Sachen richtigzustellen“, wie er uns mit einem | |
Kassiber in einer Zigarrenschachtel mitteilt. | |
So stehen wir zwei Wochen später vor von Ficks Geheimvilla im | |
Reichenviertel von Zürich. Der Butler, der uns empfängt, diktiert die | |
Regeln: Wir dürfen nicht direkt mit ihm reden, aber auch nicht über | |
elektronische Geräte, wegen der Abhörgefahr. Das Gespräch findet deshalb | |
über ein Dosentelefon statt. | |
Und der Mann ist wirklich scheu! Als wir den getäfelten Saal mit dem | |
kilometerlangen Tisch betreten, an dessen anderem Ende August von Fick | |
sitzt, sehen wir gleich, dass er rot wird – trotz der Sonnenbrille. Ja, die | |
müssen wir tragen, das gehört zu den Regeln. Wir stellen unsere erste | |
Frage: „Sie empfangen uns hier mitten im Züricher Reichenviertel. Ist das | |
nicht wahnsinnig gefährlich?“ | |
Seine Stimme klingt durch die Dose brüchig und blechern: „Nein, hier wohnen | |
nur Millionäre. Wir richtig Reichen wohnen an Orten, wo man uns nicht | |
vermutet. Hier bin ich also sicher.“ – „Warum scheuen Sie die | |
Öffentlichkeit so?“ – „Ich möchte einfach in Ruhe mein Geld vermehren�… | |
kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Außerdem ist da diese Angst vor | |
Attentaten, vor Entführungen oder, schlimmer noch: ständig angepumpt zu | |
werden!“ | |
Wir werden knallrot, schieben unsere Portemonnaies zurück, haken kritisch | |
nach: „Wieso wollen Sie immer mehr Geld? Sie haben doch alles!“ | |
## Der Oligarch mit Putzplan | |
„Reichtum ist mehr als nur Geld“, schnarrt der Oligarch. „Mir gehören zum | |
Beispiel Immobilien, große Teile der Münchner Innenstadt. Viele begüterte | |
Münchner sind direkt von mir abhängig, auch Politiker, die ich per Putzplan | |
gerne dazu verdonnere, sonntags das Treppenhaus zu wischen. Das klingt doch | |
interessanter als eine dritte oder vierte Yacht, nicht?“ | |
Wir nicken andächtig. Und die Sache mit der AfD? „Nun ja, mein Eigentum | |
ermöglicht mir eben ein starkes Engagement in Sachen Demokratie. Also: | |
dagegen!“ | |
Warum aber, fragen wir empört, ist der Strafverfolgungsdruck so gering in | |
dieser Affäre? Von Fick beginnt herzlich zu lachen. Wir stimmen sofort ein. | |
Dann stellt der alte Mann, wie versprochen, ein paar Sachen klar, was | |
jedoch off the record bleiben muss. | |
Als wir uns eine Stunde später mit klingelnden Ohren von von Fick | |
verabschieden, haben wir viel gelernt. Vor allem dies: Mit viel Geld kommt | |
große Macht, und mit großer Macht kommt große Verantwortung. Es ist zum | |
Beispiel kein Problem, für 100.000 Euro jemanden zu finden, der jemand | |
anderen um die Ecke bringt; geschweige denn für eine Million – was viele | |
einfache Millionäre bereits finanziell in Bedrängnis bringt. Anders gesagt: | |
Sich mit einem Milliardär anzulegen, ist so riskant, wie sich mit 1.000 | |
Millionären anzulegen, und bei Milliardären ist es viel wahrscheinlicher, | |
dass sich ein Verrückter darunter befindet. | |
Seien wir also froh, dass ein scheuer und verantwortungsbewusster | |
Milliardär wie von Fick lediglich eine rechtsradikale, stellenweise | |
neonazistische Partei mit brutal sozialdarwinistischer Agenda unterstützt, | |
statt gründlich unter Journalisten, Gewerkschaftern und Linken aufzuräumen. | |
Die Mittel dazu hätte er ja! | |
16 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Mark-Stefan Tietze | |
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