# taz.de -- Die Wahrheit: Der ganz große Knall | |
> Erst war sie gegen den Euro, dann gegen Migration. Nun plant die AfD | |
> Gerüchten zufolge ihren nächsten Richtungsschwenk hin zum Krieg. | |
Auf der Dachterrasse der AfD-Parteizentrale in Berlin-Tiergarten pfeift | |
sacht der Wind, unten in der Schillstraße trillern lautstark die | |
Demonstranten. Mehrere hundert haben sich an diesem Montagmittag vor dem | |
klotzigen Bau versammelt, um die Pressekonferenz zu stören, auf der sich | |
die Spitze der beliebten rechtsradikalen Partei zu den unglaublichen | |
Vorwürfen äußern will, die gegen sie im Umlauf sind. | |
Oben, wo die Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland gerade | |
hinter einem Sicherheitskordon an die Mikrofone treten, kommt von dem Lärm | |
freilich weniger an, als die ungewaschenen Antifa-Horden denken. Knapp | |
fünfzig Hauptstadtjournalisten spitzen die Ohren, als Meuthen ins Mikro | |
bellt, dass an den am Wochenende unter dem verleumderischen Label | |
„Blitzkrieg-Leaks“ bekanntgewordenen Vorgängen nichts, aber auch absolut | |
nichts dran ist. | |
„Zum einen“, schnarrt Meuthen, „sind in Deutschland kriegsvorbereitende | |
Handlungen grundgesetzlich verboten, und daran halten wir uns | |
selbstverständlich …“ – „Selbst-ver-ständ-lich!“, brummt Gauland | |
dazwischen. „… weshalb das Dokument nur eine widerliche Fälschung sein | |
kann. Zum anderen ist es aber ebenso selbstverständlich, dass die AfD, | |
sollte sie in Regierungsverantwortung kommen, unverzüglich die Bundeswehr | |
zur Verteidigung der Grenzen einsetzen wird, sobald die nationale | |
Sicherheit bedroht ist.“ | |
„Auch jenseits der Grenzen, klar“, poltert Gauland. „Wenn die Messerstech… | |
vor Ihrem Gartentor stehen, würde jeder von Ihnen für seine Töchter genau | |
dasselbe tun.“ | |
Die Mienen der Pressemenschen hellen sich auf. Viele von ihnen waren aus | |
allen Wolken gefallen, als sich die Meldung von den sogenannten | |
„Blitzkrieg-Leaks“ am späten Freitag wie ein Buschbrand im Netz | |
verbreitete. Ein linksradikales Nachrichtenportal hatte ein angeblich aus | |
Parteikreisen stammendes Strategiepapier veröffentlicht. Darin schlägt eine | |
Arbeitsgruppe unter Federführung von Alice Weidel und Björn Höcke vor, der | |
Partei zum zweiten Mal eine neue Ausrichtung zu geben – als „Partei der | |
Wehrhaftigkeit und des schnellen Präventivschlags“. | |
## Ja zum Blitzkrieg | |
Die anonymen Verfasser konstatieren ein schwindendes Interesse der Wähler | |
an der Partei, das sich in den nächsten Jahren rapide fortsetzen werde, | |
„wenn es nicht langsam mal zum großen Knall kommt“. Nach dem erfolgreichen | |
Wandel von der Anti-Euro- zur Anti-Migranten-Partei müsse ein weiterer | |
Schwenk her, um die Partei frisch und glaubwürdig zu halten und ihr | |
genügend neue, unzufriedene Anhänger zuzuführen: „Die AfD ist als einzige | |
politische Kraft entschlossen, der Bedrohung Deutschlands durch äußere wie | |
innere Feinde zügig und mit Waffengewalt Einhalt zu gebieten. Das | |
entsprechende Programm lautet: ‚Ja zum Krieg! Ja zum schnellen operativen | |
Sieg!‘“ | |
Das Presseecho auf die tatsächliche oder vermeintliche Enthüllung, der von | |
links das Etikett „Blitzkrieg-Leaks“ verpasst wurde, war am Wochenende | |
verheerend. Viele Journalisten, die bis dahin fest an einen Dialog mit den | |
Rechten geglaubt hatten oder sogar mit Zielen der Partei sympathisierten, | |
bekamen plötzlich Angst, nach einer Machtergreifung der AfD prompt ins Heer | |
einberufen, in einem Blitzkrieg verheizt oder gar an die Wand gestellt zu | |
werden. Selbst die konservativen Sonntagszeitungen warnten in ihren | |
Leitartikeln davor, das bellizistische Potenzial der Partei zu | |
unterschätzen. | |
„Die Sorgen, die sich einige von Ihnen gemacht haben, dürften mit unseren | |
Ausführungen hoffentlich zerstreut sein“, schmunzelt nun oben auf dem Dach | |
Gauland. „Für Detailfragen stehen Ihnen jetzt die Kollegen Weidel und Höcke | |
zur Verfügung, die ja im Zentrum dieser Rufmordkampagne stehen.“ | |
Ein Reporter prescht kritisch vor: „Blitzumfragen zeigen, dass die | |
Zustimmungswerte der AfD nach Bekanntwerden des ominösen Dokuments um zehn | |
Prozent gestiegen sind. Wäre das nicht, selbst wenn das Papier eine | |
Fälschung ist, ein Grund, daran festzuhalten?“ | |
Weidel und Höcke schauen sich an. „Wir sind eine Friedenspartei“, sagt | |
Weidel lächelnd. „Wir treten für ein friedliches Nebeneinander der Kulturen | |
ein – am besten durch Mauern und Stacheldrahtzäune getrennt. Wenn man uns | |
deshalb Kriegstreiberei vorwirft, ist das der Versuch einer planmäßigen | |
Existenzvernichtung, gegen den wir uns mit allen Mitteln zur Wehr setzen | |
werden – notfalls auch mit der Generalmobilmachung.“ | |
Höcke setzt hinzu, dass er sich angesichts der allgemeinen Dekadenz, | |
Verweichlichung und Kapitulationsmentalität im Lande tatsächlich ein | |
bisschen mehr Opferbereitschaft wünsche: „Dulce et decorum est – ,Süß und | |
ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben', wie schon Horaz sagt. Aber | |
das ist nur meine persönliche Meinung, die ich mit den Parteigremien noch | |
nicht abgestimmt habe und für die ich bestimmt wieder gerügt werde.“ | |
Ein Korrespondent meldet sich: „Haben Sie schon Pläne für einen Überfall | |
auf Polen in der Schublade?“ | |
„Nein, wir wären froh, das migrationskritische Polen zu unseren Verbündeten | |
zu zählen“, entschlüpft es Höcke, doch Weidel fährt burschikos dazwischen: | |
„Erstens planen wir gar keinen Überfall“, rügt sie, „und zweitens wäre… | |
Björn Höcke dankbar, wenn er Parteiinterna Parteiinterna sein lässt.“ | |
## Krieg egal gegen wen | |
„Danke, Alice, aber wenn sich das verrottete System Merkel beharrlich | |
weigert, dem Volkswillen entsprechend abzudanken, hat es doch praktisch uns | |
den Krieg erklärt“, schäumt Höcke. „Da muss es damit rechnen, dass wir | |
rücksichtslos zurückschlagen – ganz gleich wohin!“ | |
„Ja“, keift Weidel, „aber das sollten wir nicht in aller Öffent- …“ … | |
Ein Knall lässt die Menge zusammenzucken. In den Gesichtern zeigt sich | |
Panik – erst recht, als Höcke eine Heckler & Koch P8 zieht und sie auf den | |
Journalistenpulk richtet. Die Sicherheitsleute stürzen sich rempelnd hinein | |
in die Sitzreihen und führen nach einigem Gerangel einen linken | |
Pressevertreter ab, in dessen Hand eine aufgeplatzte Brötchentüte flattert. | |
„Unmöglich!“, ereifert sich ein Journalist. „Das sind doch SA-Methoden, | |
hier in einer so angespannten Situation für zusätzliche Angst zu sorgen!“ | |
„Das ist nackter Terror“, schimpft Höcke, und Weidel pflichtet ihm bei: | |
„Hier können Sie sehen, wer in diesem Land wirklich Krieg will. Es würde | |
mich nicht wundern, wenn diese Kreatur auch mit den Kreisen in Verbindung | |
steht, die das Fake-Papier in die Welt gesetzt haben.“ | |
Die Hauptstadtreporter nicken und notieren die Neuigkeiten eifrig in ihre | |
Blöcke. Was sie an diesem Mittag erlebt haben, bestätigt wieder einmal die | |
goldene journalistische Regel: Man darf nicht vorschnell urteilen, man muss | |
eben immer beide Seiten hören. | |
2 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Mark-Stefan Tietze | |
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