| # taz.de -- Die Wahrheit: Ein Chiller zum Knuddeln | |
| > Der neue Generalsekretär und Berufsjugendliche Paul Ziemiak ist ein | |
| > Glücksfall für die Christdemokratische Partei Deutschlands. | |
| Er ist blutjung, hat jede Menge konservativer Flausen im Kopf und sieht so | |
| gechillt aus wie ein langjähriger Kiffer – bereits unmittelbar nach seiner | |
| Wahl flogen [1][Paul Ziemiak, dem neuen Generalsekretär der CDU], in den | |
| sozialen Netzwerken sämtliche Herzen zu. „Voll der Druffi!“, „Augenringe | |
| wie ein Suchtbolzen – Herzlike!“ und „Jetzt steht Schwarz-Grün wohl nich… | |
| mehr im Wege“, so lauteten typische Kommentare unter Fotos des 33-Jährigen, | |
| dem als erstem Junge-Union-Vorsitzenden auf Anhieb der Sprung in die | |
| Parteispitze gelang. | |
| Dabei war Ziemiak nach der turbulenten Nacht auf dem Hamburger | |
| Bundesparteitag einfach nur restlos übermüdet. „Kiffen? Ich weiß nicht mal, | |
| wie das geht“, kichert er in sich hinein. „Ist das so was Ähnliches wie | |
| Bong rauchen? Oder Erdloch? Schmeckt mir jedenfalls nicht. Ich hab eine | |
| klare Werteorientierung, bin eher so der Wodka-Typ. Meine Parole als | |
| gebürtiger Pole: Grasovka statt Gras!“ | |
| Schnell merken wir: Der jüngste CDU-Generalsekretär aller Zeiten ist nicht | |
| nur ein Freund offener Worte, kampagnentauglicher Slogans und kindischer | |
| Albereien; mit ihm ist auch ein erfrischend neuer Geist ins Adenauer-Haus | |
| eingezogen, wie sich schon bei der Anbahnung unseres Gesprächs zeigte. | |
| „Treffen wir uns doch bei Ihnen zu Hause“, hatte er ins Telefon gelacht. | |
| „Ich bring Bier mit und ein bisschen Happa-Happa. Was snacken Sie denn | |
| gerne? Italienisch? Libanesisch? Oder soll mir meine Frau eine Tupperdose | |
| mit Bigos mitgeben?“ | |
| Obwohl wir für den köstlichen polnischen Krauteintopf votieren, steht | |
| Ziemiak zwei Tage später unangekündigt mit einer Styroporbox voller | |
| vietnamesischer Sommerrollen und einem Sechserträger Sauerländer Pils | |
| mitten im Wohnzimmer. „Ich liebe Überraschungen“, strahlt er. „Das ist d… | |
| Privileg der Jugend – immer ein bisschen unberechenbar bleiben!“ Unsere | |
| Nachfrage, ob das Büffelgraswässerchen Grasovka eine Rolle bei der | |
| auffälligen Vergrößerung seiner Tränensäcke gespielt habe, lässt er desha… | |
| lieber offen. „Jugendlicher Leichtsinn schön und gut“, schmunzelt er. „A… | |
| man muss es mit der Aufrichtigkeit ja nicht gleich übertreiben.“ | |
| ## Überrollt wie ein Teenager | |
| Während wir es uns auf dem Sofa bequem machen und uns die weichen, mit | |
| Gemüse und Garnelen gefüllten Reispapierrollen in den Hals schieben, gibt | |
| er allerdings zu, dass er mittags zum Zeitpunkt der Abstimmung „komplett | |
| durch“ gewesen sei. Die nächtlichen Ereignisse, die auf die Inthronisierung | |
| Annegret Kramp-Karrenbauers zur CDU-Vorsitzenden folgten, hätten ihn | |
| überrollt wie einen launischen Teenager, grinst er breit und nimmt einen | |
| Schluck Bier. | |
| Nur so sei er nachts überhaupt in der Lage gewesen, spontan und für ihn | |
| selbst vielleicht am überraschendsten jene Entscheidung zu treffen, die | |
| nicht nur sein Leben, sondern die Geschicke des ganzen Landes auf den Kopf | |
| stellen könnte. Im flackernden Stroboskoplicht der Delegiertenparty, etwa | |
| gegen halb eins, so erinnert sich Ziemiak verschwommen, sei | |
| Kramp-Karrenbauer im Rausch der Musik auf ihn zugekommen: „Sie tanzte mich | |
| offensiv an, zwinkerte mir die ganze Zeit so verschwörerisch zu, drängte | |
| mich irgendwann rabiat von der Tanzfläche, und als ich gerade sagen wollte: | |
| ‚Hoppla, Annegret, ich bin doch verheiratet!‘, machte sie mir zum zweiten | |
| Mal das Angebot, ihr Generalsekretär zu werden.“ | |
| Als persönlicher Freund Jens Spahns und bekennender Unterstützer von | |
| Friedrich Merz hatte Ziemiak das erste Ersuchen der Kandidatin zuvor | |
| selbstverständlich abgelehnt. Nach der knappen Niederlage des konservativen | |
| Lagers jedoch, erzählt er, sei er aufgrund seiner jugendlichen | |
| Empfindsamkeit derart frustriert gewesen, dass er sich den Plan der | |
| Vorsitzenden wohlwollend anhörte und ihm sofort begeistert zustimmte. | |
| Ziemiak verdrückt die letzte Sommerrolle, gießt Bier nach und macht gerührt | |
| ein Bäuerchen: „Wörtlich sagte Annegret zu mir: ‚Zwei Fliegen, eine Klapp… | |
| Mit deiner Personalie versöhnen wir die verfeindeten Parteiflügel und | |
| machen die CDU zur jugendlichsten Partei Deutschlands.‘ Das war ein nicer | |
| Move von ihr, wo ich ihr doch vorher einen Korb gegeben hatte.“ | |
| Versteht er denn die Enttäuschung seiner Parteifreunde über den plötzlichen | |
| Sinneswandel, der ihm das magere Ergebnis von 62,8 Prozent bescherte? Kann | |
| er nachvollziehen, dass ihm vonseiten der Merz- und Spahn-Fans jetzt | |
| Geheimabsprachen, ja Verrat vorgeworfen werden? „Smarte Kids passen sich | |
| ihrer Umwelt an“, sagt Ziemiak maulig. „Um dieser dann ihren Stempel | |
| aufzudrücken. Das beste Beispiel ist doch die Geschichte der Gattung | |
| Mensch. Hätten wir uns nicht vor Zehntausenden von Jahren an die Umwelt | |
| angepasst, wir wären jetzt nicht in der Lage, sie zugunsten einer | |
| wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu zerstören.“ | |
| Über Politik möchte er nun nicht weiter reden, dafür reicht seine | |
| Aufmerksamkeitsspanne nicht. Stattdessen daddelt er in seinem goldfarbenen | |
| Smartphone herum, liest uns halblaut Nachrichten aus Frankreich vor. Wie | |
| jeder echte Konservative träumt er insgeheim von der Konservativen | |
| Revolution, von Barrikaden, Straßenschlachten und Blut, das durch die | |
| Gassen fließt. Deshalb ist er auch der Erste aus den Reihen der | |
| Christdemokraten, der Sympathien für die Gelbwesten aus der Unterschicht zu | |
| erkennen gibt. | |
| ## Wegfliegen von allen Hatern | |
| Zur Verdeutlichung seiner Position singt er einen Hit von seinem | |
| Lieblingssänger Mark Forster vor: „Wir fliegen weg, denn wir leben hoch, / | |
| gewinnen alles und geh’n k. o. / Wir brechen auf, lass die Leinen los, / | |
| die Welt ist klein und wir sind groß.“ | |
| Anschließend spricht er, der als Kind von Übersiedlern im Sauerland | |
| aufwuchs, über die Bedeutung von Lebensträumen: „Wenn du aus den | |
| Polen-Slums von Iserlohn kommst und weder Elektriker noch | |
| Gas-Wasser-Installateur werden willst, gibt es nur einen Weg, der dich da | |
| rausführt: die Politik. Deshalb bin ich schon mit fünfzehn in die Junge | |
| Union eingetreten und wurde noch im selben Jahr Vorsitzender des Iserlohner | |
| Jugendparlaments. Nehmt dies, ihr Hater, die ihr mir meine fehlenden | |
| Studienabschlüsse vorwerft! Ghettofaust! Und jetzt muss ich mal dringend | |
| aufs Klo.“ | |
| Süß! Während Paul Ziemiak hinter der geschlossenen Tür laut weitersingt, | |
| kann man sich auf einmal einen Reim auf ihn machen. Wie der etwa | |
| gleichaltrige, ebenfalls polnischstämmige Mark Forster ist er einfach ein | |
| Spiegelbild unserer Jugend, ein Spitzenprodukt der Evolution, ein Hansdampf | |
| und Springinsfeld sondergleichen. Mit ihm als Generalsekretär wird die CDU | |
| zum Sammelbecken einer neuen Jugendbewegung werden und die Konservative | |
| Revolution entfachen. Und was die kommenden Wahlen betrifft: Es bestehen | |
| jedenfalls gute Chancen, dass „Ziemiak“ zum Jugendwort des Jahres 2019 | |
| gewählt wird. | |
| 15 Dec 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mark-Stefan Tietze | |
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