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# taz.de -- Die Wahrheit: Spaltpilz Giftpilz
> Ein Mythos wird entzaubert: „Magic Mushrooms“ sind überhaupt nicht
> magisch, sondern bedrohen den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Bild: Magische Rauschpilze, natürlich aus den Niederlanden
Wenn die Tage spürbar kürzer werden und die bunten Blätter von den Bäumen
trudeln, schießen sie allerorten wie Pilze aus dem Boden: Pilze. Nicht
zufällig ist das die Zeit, zu der auch die Angehörigen einer anderen
Spezies ihre bleichen Köpfe an die frische Luft recken: Deutschlands
Drogenabhängige. Letztere drohen ersteren den Garaus zu machen, einzelne
Arten sind bereits vom Aussterben bedroht. Unter anderem deshalb schlagen
Wissenschaftler jetzt Alarm.
Ihre Vorwürfe sind schwerwiegend: „Die Leute durchkämmen unsere Wälder und
Wiesen auf der Basis falscher Grundannahmen“, sagt zum Beispiel Dr. Leon
Hallhuber, Philosoph an der Universität Münster. „Das ganze Jahr über
rollen sie Papers, droppen Pills, sniffen Lines und sticken sich Needles in
ihre Venen, ohne ihre Höhlen für mehr als die nötigsten Besorgungsgänge zu
verlassen. Mit Anbruch des Herbstes pilgern sie zu Tausenden ins Laub und
zu den angrenzenden Kuhweiden. Kommt das außer mir niemandem seltsam vor?“
Doch. Die Anthropologin Dr. Frederike Feist von der Uni Hannover begleitet
das Phänomen seit Jahren kritisch. „Trotz des gleißenden Lichts und der
ungewohnt sauerstoffhaltigen Luft versuchen die stolpernden Gestalten, sich
wie gewöhnliche Spaziergänger zu verhalten“, hat sie beobachtet. „Sie
richten ihren Blick bemüht unauffällig zu Boden, halten Ausschau nach
erntefähigem Material.“ Auf den Maronenröhrling, den Waldchampignon und den
Steinpilz geben die Fremdlinge aus dem Großstadtsumpf dabei keinen
Pfifferling, wie Feist berichtet: „Sie haben es einzig auf Psilos
abgesehen, Pilze also, die die halluzinogen wirkende Substanz Psilocybin
enthalten.“
## Mehrstündige Irrfahrt
Hierzulande zählt dazu vor allem der Spitzkegelige Kahlkopf, der deshalb in
seinem Bestand existentiell bedroht sei, bestätigt Biologieprofessor Dr.
Jeremias Kron aus Freiburg: „Die Drogensuchenden benötigen immer gleich
fünfzehn bis zwanzig der kleinen, schwer zu kauenden und nicht eben
köstlichen Pilze, um auf eine mehrstündige Irrfahrt durch die Wogen ihres
getrübten Bewusstseins zu gehen.“ Rücksichtslos ernteten sie alles ab, was
Waldboden und Kuhfladen hergäben. Nachhaltigkeit sei ihnen ein Fremdwort:
„Woher die nächsten Pilzgenerationen ihre Sporen nehmen sollen, ist den
Rauschgiftsüchtigen egal.“
Das liege, ergänzt Anthropologin Feist, nicht zuletzt an dem irreführenden
Namen ‚Magic Mushrooms‘. „Nach Einnahme ihrer ersten Handvoll Psilos“, …
die Wissenschaftlerin, „glauben viele Konsumenten tatsächlich an Magie,
bilden sich ein, mit höheren Wesenheiten in Berührung gekommen zu sein.“
Aufgrund dieses weitverbreiteten Aberglaubens könnte der Spitzkegelige
Kahlkopf demnächst das Schicksal von Elefanten, Haien und Tigern teilen.
Dabei sei an Magic Mushrooms überhaupt nichts magisch, erklärt
Biologieprofessor Kron. Alles, was die Pilzfresser erlebten – von erhöhter
Lichtempfindlichkeit über intensivere Musikerfahrung bis hin zu komplexen
Halluzinationen –, könne als schlichte Vergiftungserscheinungen
klassifiziert werden: „Das ist einfach nur Körperchemie, die betrügen sich
selbst.“ Gerade darin sieht Philosoph Hallhuber eine enorme Gefahr: „Der
Konsum von Psilos“, sagt er, „verführt zu magischem Denken, zu Esoterik und
in letzter Konsequenz zu Autoritarismus und Schlimmerem, zum Beispiel
Homöopathie.“
## subatomare Wellenbewegungen
Auch die Anthropologin meint, das Problem könne die Gesellschaft noch teuer
zu stehen kommen. Psilokonsumenten imaginierten sich als Teil eines großen
Pilzgeflechts, wähnten sich untereinander verbunden und mit starken
spirituellen Kräften begabt: „Sie sehen Farben und Formen, die nicht
existieren, spüren subatomare Wellenbewegungen, die sie sich lediglich
erträumen, fühlen Kontakt zu prähistorischen oder extraterrestrischen
Kaiserreichen – mit anderen Worten: Sie sind die AfD-Wähler von morgen.“
Exakt in dieselbe Kerbe schlägt der Philosoph: „Hardcore-User akzeptieren
naturwissenschaftliche Erkenntnisse nicht mehr, schlagen das skeptische
Erbe der Aufklärung aus und sind für Rationalismus und Demokratie verloren.
Teils entdecken sie sogar die vergilbten Schriften von Carlos Castaneda
wieder.“
Die Sucht nach den Giftpilzen könne für unsere Zivilisation daher zum
Spaltpilz werden, warnen alle drei Wissenschaftler. Auf lange Sicht drohe
ein Zeitalter der Unvernunft, in dem der Glaube an übersinnliche Phänomene
und höhere Mächte die Gesellschaft zerstöre. Nicht alle Abhängigen blieben
nämlich auf den Pilzen hängen und entwickelten Psychosen. Viele arbeiteten
nach überwundener Sucht erfolgreich als Gurus, Schamanen oder
Bildungsreferenten und verbreiteten ihre toxische Weltanschauung weiter.
Der Verführungskraft der Droge gelte es deshalb massiv entgegenzuwirken.
„Und falls Aufklärung schon nichts mehr nützt“, fordert Dr. Hallhuber,
„müssen wir Normalen jetzt raus in den Wald und denen alle Pilze präventiv
wegfuttern.“
2 Oct 2018
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
Pilze
Umvolkung
Paul Ziemiak
CDU
Oktoberfest
Schwerpunkt Brexit
Aufstehen
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