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# taz.de -- Die Wahrheit: Kommando Umvolkung
> Glassplitter, Gesprächsfetzen und geostrategische Planspiele am grünen
> Tisch – eine Stippvisite bei Angela Merkel im Kanzleramt.
Bild: Unterm Adenauer-Bild seit Jahren die Welt im Griff: Merkel am Schreibtisch
Was macht eigentlich Angela Merkel gerade? Seit sie ihren Posten als
CDU-Vorsitzende an den Nagel gehängt hat, ist es still geworden um die
große alte Dame der deutschen Nachkriegspolitik – verdächtig still. Was die
meisten nämlich vergessen: Merkel ist hinter den Kulissen immer noch
Kanzlerin! Nach wie vor zieht sie verdeckt die Strippen, hat weiterhin alle
Macht über das Land und missbraucht diese vermutlich mit größter Freude, um
dem deutschen Volk zu schaden oder sogar den Todesdolchstoß zu versetzen.
Doch was macht Merkel augenblicklich konkret? Wir wollen es genau wissen.
Unser Reportageteam packt blitzschnell alles Notwendige ein und braust zum
Kanzleramt. Da einer der Kollegen eine Ausbildung beim Kommando
Spezialkräfte der Bundeswehr genossen hat, können wir uns eine
Terminvereinbarung sparen. So gelangen wir eine Viertelstunde später über
den schmalen Balkon im siebten Stock in Merkels geräumiges Büro, rollen die
Strickleitern ein und schütteln die Glassplitter von unseren Schultern.
Was macht nun Merkel an ihrem kleinen Schreibtisch? In diesem Moment
jedenfalls keinen Hehl aus ihrer Fassungslosigkeit. Anklagend deutet sie
auf die geborstene Scheibe, hinter der sich das grandiose Panorama des
Reichstagsgeländes entfaltet. Innerhalb von Sekunden fängt sie sich zwar
wieder und greift zum Handy, das wir ihr jedoch sanft entwinden können, ehe
sie damit die Sicherheitskräfte alarmiert. Allein ihr Vorsatz deutet für
uns allerdings darauf hin, dass sie etwas zu verbergen hat.
## Beklommene Gesprächsatmosphäre
„Keine Sorge, wir haben nur ein paar Fragen“, erklären wir, während wir
unser Aufnahmegerät auspacken. „Wir sind Journalisten, und obwohl wir Sie
und Ihr System hassen, garantieren wir für Ihre körperliche Unversehrtheit,
jedenfalls heute. Aber bitte antworten Sie ehrlich.“ Im Nu entspannt sich
die kleine Frau im Hosenanzug ein wenig. Sie scheint sogar zu ihrem
berühmten trockenen Humor zurückzufinden, als sie aufsteht und ihrerseits
erklärt, dass sie sich über diese Zusicherung sehr freue und im Übrigen
eine ähnlich merkwürdige, ja geradezu beklommene Gesprächsatmosphäre nur
allzu gut kenne, nämlich von Meetings mit Präsident Trump.
In solch einer kritischen Situation ist Offenheit oft das Beste, sodass wir
unverzüglich unsere erste Frage stellen: „Frau Kanzlerin, was machen Sie
gerade eigentlich?“ Statt einer aufrichtigen Auskunft, wie man sie von
einer deutschen Regierungschefin erwarten könnte, deckt uns Merkel mit
ihrem üblichen Redeschwall ein. Es geht um Verantwortung, ein Telefonat mit
Macron, den Brexit, den Länderfinanzausgleich und dergleichen mehr – wir
hören schon gar nicht mehr hin.
Dafür können wir allerdings um so besser beobachten, wie sich Merkel
beinahe unmerklich bewegt. Wie sie sich Zentimeter für Zentimeter zwischen
uns und etwas anderes zu schieben versucht. Es hat ganz den Anschein, als
stelle sie sich schützend vor den großen Zweitschreibtisch, den sie
bekanntlich nicht so gern nutzt: der vier Meter breite Trumm unter dem
hässlichen Adenauer-Gemälde von Kokoschka. Sie möchte wohl nicht, dass wir
die riesige Weltkarte sehen, die dort ausgebreitet liegt – mitsamt den
vielen Dutzend verschiedenfarbigen Holzfigürchen, die darauf, nach Ländern
und Kontinenten gruppiert, herumstehen!
„Hand aufs Herz, Frau Merkel“, fragen wir entgeistert. „Ist das der Ort, …
dem über die Zukunft des deutschen Volkes entschieden wird? Schieben Sie
dort die Völkerschaften der Erde in irgendwelchen geheimen geopolitischen
Planspielen umher? An deren Ende die tatsächliche Umvolkung steht, der
große Austausch, der Volkstod?“
„Na, das mit dem Volkstod schlagen Sie sich mal aus dem Kopf – so schlimm
wird’s schon nicht werden“, gackert Merkel. Wenn sie sich ertappt fühlt,
lässt sie es sich jedenfalls nicht anmerken. „Und soo geheim ist das alles
auch nicht“, schüttelt sie den Kopf. „Wissen Sie, wenn man so einen großen
Austausch verantwortungsvoll bewerkstelligen will, dann muss man in einer
Demokratie den Dialog mit vielen Beteiligten führen und immer das Machbare
im Auge behalten.“
## Klartext der Kanzlerin
Während uns mählich schwindelig wird, spricht die Kanzlerin Klartext: „Wir
können ja nicht einfach hopplahopp die Bevölkerung Syriens gegen die
Bevölkerung Deutschlands tauschen. Das braucht jede Menge Vorbereitung,
unzählige Stabsbesprechungen, Beratungen mit den engsten Verbündeten,
Lobbygruppen, Teilen der Opposition und so weiter – auch die Islamverbände
wollen gefragt sein!“
Uns wird schlecht.
„Und dann muss das Ganze bis zur endgültigen Beschlussfassung ständig mit
der geheimen Weltregierung abgestimmt werden“, stöhnt sie. „Deren Befehle
sind meist kaum zu verstehen, weil natürlich in Geheimschrift verfasst. Ich
weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen. Das ist ein ganz mühseliger
Prozess!“
Obwohl uns die Knie weich werden, führt uns Merkel zum Tisch mit der
Weltkarte. „Wo Sie schon mal da sind“, runzelt sie die Stirn und ergreift
zwei Spielfiguren. „Wollen Sie vielleicht ein Wörtchen mitreden? Die
Thüringer hier zum Beispiel, sollen die nach Libyen oder nach Nigeria?“
Anderthalb turbulente Stunden folgen, in denen immer wieder nackte Wut in
uns aufsteigt, doch am Ende haben wir es geschafft. Nach zähem Feilschen
und Ringen bleiben die Thüringer in Deutschland, müssen eventuell nur nach
Mecklenburg-Vorpommern umziehen.
Die Kanzlerin spendiert ein Gläschen Sekt, schüttelt herzlich unsere Hände;
dann ziehen wir verwirrt von dannen. Selbstverständlich keimt in uns allen
draußen der Verdacht auf, dass sie uns schlicht über den Tisch gezogen hat.
Indem sie uns das Gefühl gegeben hat, an der Entscheidung beteiligt zu
sein, hat sie uns womöglich tief in ihr System hineingesaugt.
Andererseits sind wir mächtig beeindruckt. Merkel ist es gelungen, selbst
uns, ihre ärgsten Feinde, in den politischen Prozess einzubinden. Sie hat
uns sogar Straffreiheit und freies Geleit zugesichert! Vielleicht ist sie
ja doch die große Staatsfrau, als die man sie in den bizarr systemtreuen
Zirkeln im Inland und leider auch in weiten Teilen des Auslands ansieht?
Vielleicht muss sie ja gar nicht weg?
Aber klar ist auch: Würden wir unsere Reportage nicht mit diesen
frappierend versöhnlichen Worten enden lassen, würde die Systempresse sie
niemals drucken. Insofern bleibt es von unserer Seite bei einem
zwiespältigen „Danke, Frau Merkel …“
Und den unzensierten Gesprächsmitschnitt finden Interessierte gewiss
irgendwo im Netz!
19 Dec 2018
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
Umvolkung
Schwerpunkt Angela Merkel
Kanzleramt
Preise
Schwerpunkt Europawahl
Schwerpunkt AfD
Paul Ziemiak
Annegret Kramp-Karrenbauer
Pilze
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