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# taz.de -- Indiens neues Einbürgerungsgesetz: Die mutigen Musliminnen vom Sit…
> Indiens Frauen blockieren die Straßen – zuerst in Delhi, jetzt auch in
> Mumbai. Damit protestieren sie gegen ein diskriminierendes
> Einbürgerungsgesetz.
Bild: Zuerst in Delhi, seit vier Wochen in Mumbai: Frauen wehren sich gegen das…
Mumbai taz | Der Protest beginnt nur wenige Gehminuten von Mumbais
Hauptbahnhof entfernt. Einige Hundert Frauen besetzen eine Seitenstraße –
seit vier Wochen schon. Sie protestieren gegen Indiens umstrittenes neues
[1][Einbürgerungsgesetz]. Täglich haben sie eine andere Aktion
vorbereitet, erzählt die Therapeutin Safoora Shaikh. An diesem Abend lassen
sie Luftballons in den Farben der indischen Flagge, Safran, Weiß und Grün,
aufsteigen, gebunden an einen Drachen mit der roten Aufschrift „Kein
Bürgerregister“.
„Mumbai Bagh“ wird der Protestort genannt. Besonders unter Musliminnen ist
die Verunsicherung groß. Denn die neue Regelung, die bestimmten
Flüchtlingen und Migranten den Erwerb der indischen Staatsbürgerschaft
erleichtern soll, schließt Muslime ausdrücklich aus. Manche Inder sind über
diese Neuregelung empört, Flüchtlinge aus Ländern wie Bangladesch und
Afghanistan fürchten um ihren Verbleib.
[2][Landesweite Demonstrationen gegen das Einbürgerungsgesetz] in einigen
Städten im Dezember haben sich inzwischen in Sitzproteste von mehrheitlich
muslimischen Frauen verwandelt. Auf dem Instagram-Account „Mumbai Bagh“
werden neun weitere Städte angegeben. Viele der Frauen dort vermuten, das
neue Gesetz sei erst der erste Streich von Innenminister Amit Shah. Darauf
werde ein Bürgerregister folgen, bei dem alle erst ihre Staatsbürgerschaft
nachweisen müssen, um eingetragen zu werden – mit entsprechenden
Dokumenten, die mehrere Generationen zurückreichen, was die wenigsten
indischen Familien können.
Innenminister Shah hat dieses Vorhaben bereits angekündigt. Premierminister
[3][Narendra Modi] hat dementiert. So ganz will Nachwuchssportler Abdul das
aber nicht glauben. Er wohnt im Hochhaus gegenüber von „Mumbai Bagh“. Der
junge Mann kommt oft vorbei, um zu sehen, was die Frauen auf der Straße
machen.
## Vorbild: Eine Straßenblockade in Delhi
Denn für viele in Indien ist es ungewohnt, Frauen Tag und Nacht draußen
sitzen zu sehen. Doch sie sind nicht allein. Neben den Männern, die hinter
der Absperrung mit der bunt bemalten Wand stehen, sind etwa 20
Polizistinnen und Polizisten in drei Schichten vor Ort. Sie sollen dafür
sorgen, dass es ruhig bleibt.
Den Spitznamen „Mumbai Bagh“ bekam das Sit-in nach einer Woche, angelehnt
an einen Protest in Delhis Wohnviertel Shaheen Bagh, wo seit zwei Monaten
Musliminnen eine Autobahn blockieren. „Es geht auch darum, die Frauen von
Shaheen Bagh zu unterstützen, die mit so vielen Problemen konfrontiert
sind“, sagt Shaikh in Mumbai. Sie kommt nach der Arbeit zum Sit-in und
bleibt bis Mitternacht.
Unter den Frauen, die meist schwarze Schleier tragen, sind viele Hausfrauen
und Ältere, aber auch Studentinnen, Mütter mit kleinen Kindern die
interessiert herumlaufen.
Die Lokalregierung duldet die Sitzblockade, „die beste Revolution der
Stadt“ laut Google-Review. „Was die Frauen hier tun, tun sie nicht nur für
sich, sondern für alle in diesem Land“, sagt Sozialarbeiterin Naseefa, die
an diesem Abend dazugekommen ist. Die 64-Jährige trägt ein pinkes
zweiteiliges Gewand, eine „Rida“ aus einer Kapuzenbluse und einem langen
Rock, was sie als Bohra-Muslimin von den anderen Frauen abhebt.
## „Wir haben das Recht zu protestieren“
Verlässt man die Gegend, werden einige Mumbaier skeptisch: „Sind diese
Frauen gebildet genug, um zu verstehen, für was sie da protestieren?“,
fragt Verkäufer Chetan. „Ich habe das Gefühl, das sind von der Opposition
bezahlte Proteste, wie sie sonst vor Wahlen vorkommen“, meint
Kleinunternehmer Ravi. „Wir haben das Recht, zu protestieren“, entgegnet
Safoora Shaikh solchen Kritikern. Die Frauen bestreiten, dass sie dafür
Geld annehmen.
Shaikh vermutet, die Gerüchte hätten ihnen Ursprung darin, dass sich die
Regierung vor ihrem Protest fürchtet. Teilweise kamen über tausend Menschen
zusammen. Doch reicht das, um in der brodelnden Millionenstadt Mumbai Lärm
zu machen?
Mitglieder der indischen Regierungspartei BJP schweigen über die Frauen von
„Mumbai Bagh“. Kleinunternehmer Ravi, der mit der BJP sympathisiert,
versichert: Keiner muss Angst haben, die Frauen auf der Straße werden sich
ausweisen können, wenn es so weit ist.
Ihre Aktion hat den Frauen in Mumbai immerhin zu einem Gespräch mit
LokalpolitikerInnen verholfen. Naseefa, Safoora Shaikh und die anderen
hoffen aber auf mehr. Der Regierungschef des Bundesstaats Maharashtra, in
dem Mumbai liegt, hat verkündet, ein Bürgerregister werde es in seinem
Bundesstaat nicht geben. Das hätten die Frauen jetzt gern schriftlich.
21 Feb 2020
## LINKS
[1] /Protest-gegen-Migrationsgesetz-in-Indien/!5646006
[2] /Neues-Staatsbuergerschaftsgesetz/!5647272
[3] /Vor-der-Parlamentswahl-in-Indien/!5584770
## AUTOREN
Natalie Mayroth
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