# taz.de -- Inszenierung Franz Schrekers Zauberoper: Pakt mit dem Teufel | |
> Ersan Mondtag feiert sein Debüt als Opernregisseur. In Antwerpen | |
> verknüpft er Franz Schrekers „Schmied von Gent“ mit belgischer | |
> Kolonialgeschichte. | |
Bild: Szene aus dem „Schmied von Gent“ in der Inszenierung von Ersan Mondtag | |
Gerade hat Barrie Kosky an der Komischen Oper in Berlin Jaromír | |
Weinbergers Operette „Frühlingsstürme“ ausgegraben und zu neuem Leben | |
erweckt, da folgt an der Flämischen Oper in Antwerpen Franz Schrekers | |
„Schmied von Gent“, inszeniert von Ersan Mondtag. So unterschiedlich die | |
Operette und die große Zauberoper von Schreker auch sein mögen, eins haben | |
sie gemeinsam: Kaum hatten diese Werke ihre Uraufführung hinter sich, da | |
schlugen die Nationalsozialisten zu. Mit organisierter Pöbelei zuerst und | |
dann, als sie die Macht dazu hatten, mit der Verbannung dieser Werke von | |
den Bühnen. | |
Im Falle der im Oktober 1932 uraufgeführten Schreker-Oper dauerte das kein | |
halbes Jahr. Den im Januar 1933 herausgekommenen „Frühlingsstürmen“ waren | |
gar nur ein paar Tage Bühnenleben vergönnt. Diese Akte von kultureller | |
Barbarei gegen die damals auf Anhieb erfolgreichen Kunstwerke waren nur | |
Vorboten für den Versuch, ihre Urheber auch physisch zu vernichten. | |
Weinberger trieben sie ins Exil. Schreker aus Hochschul-Amt und | |
Akademie-Würden. Schlimmeres blieb ihm nur erspart, weil er 1934 starb. | |
Man muss diese Rezeptionsbrüche nicht mal in die Inszenierung der Werke | |
einbauen, um darüber zu erschrecken, dass heute wieder versucht wird, vom | |
rechten politischen Rand aus (ob nun pöbelnd oder von den Rednerpulten der | |
Parlamente) Einfluss auf die Kunst zu nehmen. [1][Multitalent Ersan | |
Mondtag] gehört zu denen, die ihre Mission als Künstler weit fassen. | |
## Politisch Klartext | |
Sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein nutzt er nicht nur dazu, sich – wie bei | |
der Volksbühne Berlin – als Intendant ins Gespräch zu bringen, sondern | |
auch, um politisch Klartext zu reden, wenn er es für nötig hält. Dass der | |
Künstler als Zeitgenosse aber vor allem erst einmal überzeugende Kunst | |
machen muss, bewies er jetzt bei seinem Debüt als Opernregisseur an der | |
Flämischen Oper. | |
Es spricht für ihn, dass er den schon mal für Freiburg geplanten Schritt in | |
diese Königsdisziplin der Regisseure (die die Oper für Gesamtkunstwerker | |
wie ihn allemal ist) noch einmal aufschob, weil sich seine Vorstellungen | |
nicht umsetzen ließen. An der Flämischen Oper (mit Spielstätten in | |
Antwerpen und Gent) war das jetzt möglich. Mit der hübschen Pointe, dass | |
Gent im Titel des Stückes „Der Schmied von Gent“ vorkommt. Und nicht nur | |
das. Auch der Ort der Premiere findet sich in der von Mondtag selbst | |
entwickelten Bühne wieder. Ein das gesamte Portal füllender Prospekt zeigt | |
den gewaltigen Bahnhof von Antwerpen, der [2][vom einstigen kolonialen | |
Reichtum Belgiens] kündet. | |
Bei Mondtag nimmt der Held der Oper, der clevere, sich wie ein Eulenspiegel | |
durch die Zeitläufte jonglierende Schmied Smee, am Ende seines Lebens die | |
Gestalt des belgischen Königs Leopold II. an. Der beutete den Kongo als | |
Privatbesitz aus und ließ selbst Kindern die Hände abhacken, wenn sie ihr | |
Erntesoll nicht brachten. Reichtum durch einen Teufelspakt! | |
In der Oper ist der Teufelspakt von Smee auf sieben Jahre befristet. In der | |
Geschichte Belgiens, bis Befreiungsidol Patrice Lumumba 1960 die Rechnung | |
präsentierte. Seine Rede wird nebst ein paar Videos in dem Akt eingespielt, | |
in dem abgerechnet und Smees Leben danach bewertet wird, ob er in die Hölle | |
oder in das Paradies kommt. Die Hölle will ihn nicht, weil er ihre drei | |
Abgesandten ausgetrickst hatte, als die ihn nach der Siebenjahresfrist | |
holen wollten. Weil er die heilige Familie sehr großzügig bewirtet hatte, | |
als die bei ihm vorbeikam, hatte er als Lohn drei Wünsche frei. Die | |
schützen ihn vor dem Zugriff der Höllenboten. | |
## Ambition und Metaphorik | |
Petrus wiederum war der Teufelspakt, den Smee für sieben Jahre Reichtum | |
eingegangen war, nicht geheuer. Aber Joseph setzt sich für ihn ein und hat | |
in der Frage offenbar das letzte Wort. Also gibt es für den Schmied ein | |
Happy End im Himmel. Das Problem ist, dass man dem König, in dessen Maske | |
er am Ende auftritt, genau das nicht wünschen würde. | |
Hier verhaken sich Ambition und Metaphorik der Inszenierung. Die | |
ästhetische Stimmigkeit des Ganzen zerstört das aber nicht. Auf die | |
Drehbühne hat sich Mondtag ein Konstrukt bauen lassen, das auf der einen | |
Seite mit einem halben Dutzend stilisierter Fassaden ein zusammengerücktes | |
Gent zeigt und auf der Rückseite einen gespenstischen Moloch. Wie aus der | |
Geisterbahn auf dem Rummel. Gefletschte Zähne und einen Säugling in der | |
Kralle. Himmel und Hölle auf Erden. | |
Die fantasievollen Kostüme mäandern durch die Zeiten und Kulturen und | |
ignorieren fröhlich den Geschlechterdresscode. Dazu eine choreografisch | |
ausgefeilte Personenregie für ein fabelhaftes Ensemble. Am Pult sorgt Alejo | |
Pérez für die suggestive Klangfülle und den ganz eigenen Sound zum | |
Parlando, die die bewusst gesuchte Volkstümlichkeit im Orchestergroßformat | |
so faszinierend machen. | |
4 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Joachim Lange | |
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