# taz.de -- Berliner Kiezkinos: Licht an in den Lichtspielen | |
> Viele kleine Programmkinos haben derzeit um ihre Existenz zu kämpfen. | |
> Grund sind nicht fehlende Zuschauer, sondern steigende Mieten. | |
Bild: Macht bald wieder auf: Das Kino Intimes in Friedrichshain | |
Tolle Nachrichten für das Berliner Programmkino: Während das Kino | |
[1][Moviemento] am Kottbusser Damm noch nach Wegen sucht, die Etage, die es | |
bespielt, zu kaufen, sind zwei andere Kinos, die bereits geschlossen | |
hatten, nun doch gerettet. Das Intimes in der Boxhagener Straße in | |
Friedrichshain wird nach einem Jahr Pause im Frühling wiedereröffnen. Und | |
auch das Kino Klick in der Charlottenburger Windscheidstraße, das 2017 nach | |
13 Jahren wiedereröffnete und nach nur einem Jahr wieder schließen musste, | |
macht in den nächsten Monaten wieder auf. | |
Bei allen drei Kinos sind nicht, wie viele vielleicht erwarten, die | |
sinkenden Zuschauerzahlen schuld an der Existenzkrise. Einzig der | |
Immobilienmarkt ist eine Bedrohung für die Berliner Programmkinos. Die | |
Betreiber des Moviemento versuchen per Crowdfunding genug Geld für den Kauf | |
ihrer Räume zusammenzubekommen. Nach vielen Besitzerwechseln gehört das | |
Haus heute einer Tochter der Deutsche Wohnen. Sowohl beim Intimes als auch | |
beim Klick konnten sich in den letzten Wochen engagierte Kinomacher mit den | |
Eigentümern der Häuser einigen. | |
„Wir haben gerade den Mietvertrag unterschrieben“, sagt Christos Acrivulis, | |
dem der Filmverleih missingFILMs gehört und der das Kino Klick bereits von | |
2017 bis 2018 wiederbelebt hatte. Bis 2018 war er nur Untermieter von | |
Dawanda, die vor dem Kino einen Shop betrieben. Dawanda ging 2008 pleite. | |
Jetzt hat Acrivulis mit einem Team von vier Personen direkt vom Eigentümer | |
gemietet. Dort, wo früher der Dawanda-Shop war, wird Gastronomie entstehen, | |
die auch die Kinobesucher nutzen können. | |
„Wir zahlen eine sehr günstige Anfangsmiete“, sagt auch Stefan Loose, der | |
mit seinen Mitstreitern nach den Tilsiter Lichtspielen, dem Kino Zukunft am | |
Ostkreuz und dem Freiluftkino Pompeji nun mit dem Intimes das vierte | |
Programmkino im Friedrichshain an den Start bringt. | |
## Kinobetreiber als Kuratoren | |
Er uns seine Mitstreiter hatten großes Glück, denn das Haus, im dem sich | |
das Kino befindet, gehört der ältesten Mietergenossenschaft im Ostteil der | |
Stadt, der Selbstbau e. G. Gegründet wurde sie gleich nach der Wende, im | |
März 1990, von Bewohnern der Häuser Rykestraße 13 und 14. Schon damals war | |
das Leitbild, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, indem man die Häuser der | |
Spekulation entzieht. | |
Bevor der Filmdienstleister Cine-Logistics 2014 das Intimes übernahm, war | |
es von Mietern im Haus betrieben worden. Die Genossenschaft wollte das | |
traditionsreiche Kino, das vermutlich 1907 gegründet wurde, unbedingt | |
erhalten, statt die zigste Kneipe im Kiez ins Haus zu bekommen. Als sich | |
das Team um die Tilsiter Lichtspiele bewarb, war die Entscheidung schnell | |
gefallen. Viele Jahre lagen die Lichtspiele direkt in der Mitte zwischen | |
den Multiplexkinos UCI Landsberger Allee und Kosmos. Beide sind heute | |
geschlossen, die Tilsiter Lichtspiele gibt es immer noch. | |
Wer seit so vielen Jahren Kiezkino macht, der wird auch das Intimes wuppen | |
können. Dort entstehen derzeit aus dem einen zwei Säle und ein Foyer, wo | |
man sich vor oder nach dem Kino bei einem Getränk treffen, sich auf den | |
Film freuen oder den Film sacken lassen kann. | |
Wie in den meisten gut funktionierenden Programmkinos dieser Stadt wird es | |
Publikumsgespräche und andere kleine Events geben, vor allem aber werden | |
die Betreiber oft vor Ort sein, wie Kuratoren Rede und Antwort stehen. „Wir | |
haben viele Stammkunden, die zu den üblichen Zeiten auftauchen, sich | |
überraschen lassen, was wir zeigen, und wenn gar nichts dabei ist, einfach | |
auf ein Bier bleiben“, sagt Loose von den Tilsiter Lichtspielen. | |
## Berlin hat die höchste Programmkinodichte bundesweit | |
Wie sein ganzes Team ist auch er erstaunt, wie positiv die Nachbarn auf die | |
neuen Plakate am Intimes reagieren, auf denen steht, dass bald | |
wiedereröffnet wird. In einem Kiez, wo es fast nur noch Kneipen gibt, sind | |
die Leute mehr als dankbar, wenn sich die wenigen Alternativen behaupten. | |
Andererseits ist es auch wieder nicht erstaunlich, dass die Kinomacher so | |
zuversichtlich sind bei der Wiedereröffnung ihrer neuen alten Kinos. Berlin | |
hat bundesweit die höchste Programmkinodichte überhaupt, Tendenz steigend. | |
Gab es laut Filmförderungsanstalt 2009 noch über 50 Programmkinosäle in der | |
Stadt, sind es heute weit über hundert – und das, obwohl 2018 und 2019 | |
miserable Kinojahre waren. | |
„Das Kino ist im Umbruch“, bestätigt Christian Berg vom Medienboard | |
Berlin-Brandenburg auch im Hinblick auf die jüngste Schließung des | |
Cinestar-Kinos am Potsdamer Platz. „Die Multiplexe haben zu kämpfen, aber | |
Programmkinos sind keine Konkurrenten zu den Streamingportalen.“ | |
Für die Stammkunden des Programmkinos bleibt der Kinobesuch ein | |
gesellschaftliches Ereignis wie für andere der Besuch eines Restaurants. | |
Das kann der Fernsehabend auf dem Sofa niemals ersetzen. | |
## Nur noch 1,5 Millionen | |
Das ist auch einer der Gründe, warum selbst die Betreiber des Moviemento so | |
siegessicher in die Zukunft sehen. Im November ging das Kino an die | |
Öffentlichkeit und startete ein Crowdfunding. Inzwischen kamen die 100.000 | |
Euro, die in der ersten Etappe das Ziel waren, zusammen. Es gibt einen | |
Freund und die Betreiber selbst, die je 200.000 Euro zusteuern könnten. | |
Fehlen weiterhin 1,5 Millionen, um das Kino kaufen zu können. „Wir glauben | |
fest, dass wir einen Weg finden“, sagt Betreiberin Ruth Strecker trotzdem. | |
Auf der Website des Moviemento findet man zahlreiche Videos von | |
Prominenten, die sich als Unterstützer outen. Einer allerdings hat sich | |
noch nicht laut geäußert, nämlich Tom Tykwer, der im Kino als Vorführer | |
gearbeitet hat. Gerade ist die neue Staffel seiner erfolgreichen | |
Fernsehserie „Babylon Berlin“ bei einem Bezahlsender angelaufen. | |
Es würde ihm gut zu Gesicht stehen, die schöne, alte Welt, in der seine | |
Karriere begonnen hat, mitzuretten. | |
6 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Berliner-Kino-in-Gefahr/!5635103&s=plarre+moviemento/ | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
## TAGS | |
Kino Berlin | |
Programmkino | |
Netflix | |
Kino Berlin | |
Programmkino | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Kino Berlin | |
Kolumne Berlin viral | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Kinokultur | |
Stummfilm | |
Kino Berlin | |
Kino | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Berliner Kinopleite: Kolossaler Kampf | |
Weiter Streit ums Kino Colosseum: Senat soll Kauf der Immobilie prüfen, | |
ehemalige Mitarbeiter wollen es als Kino wiedereröffnen. | |
Programmkinos kämpfen um Existenz: Lichte Momente | |
Trotz Corona gibt es Neu- und Wiedereröffnungen: das Klick im Juni, das | |
Sinema Transtopia im September, wohl im Oktober das Intimes in | |
Friedrichshain. | |
Freiluftkinos warten auf den Neustart: „Kulturell ausgehungert“ | |
Das Konzept steht, Umbauten sind fertig: Dennoch gibt es keine Signale, | |
wann die Freiluftkinos in Berlin starten können, sagt Betreiber Arne Höhne. | |
Bauen im Friedrichshainer Nordkiez: Brauerei im Dornröschenschlaf | |
Ein lange leerstehender Kinokomplex wird abgerissen. Der Neubau soll Büros | |
und eine Kita beherbergen. Die alte Brauerei nebenan dämmert vor sich hin. | |
Überleben der Programmkinos: Jetzt schlafen die Geschichten | |
Vom Kinobesuch kann man jetzt nur träumen. Der Preis für Programmkinos in | |
Berlin und Brandenburg soll ihnen beim Überleben helfen. | |
Kinochef über Corona-Krise: „Noch nie so lange geschlossen“ | |
15 Hamburger Programmkinos starten Crowdfunding-Kampagne: Nie sei es so | |
schlimm gewesen wie derzeit. | |
Hamburger Programmkino Abaton: „Wer isst schon zu Hause Popcorn?“ | |
Familie Grassmann betreibt seit rund 50 Jahren das Abaton in Hamburg. Ein | |
Gespräch über die Anfänge des Programmkinos und eine Zukunft trotz Netflix. | |
Berliner Filmgeschichte: Es gibt keinen Ausweg | |
Die deutsche Kinemathek hat eine kleine Ausstellung zum 100. Geburtstag des | |
Films „Das Cabinet des Dr. Caligari“ organisiert. | |
Berliner Kino in Gefahr: Großer Einsatz fürs Kino | |
Das Moviemento in Kreuzberg ist bedroht, ein Investor will die Räume | |
verkaufen. Nun sammeln die Betreiber Geld, um das Kino selbst kaufen zu | |
können. | |
(Kino-)Besuch mit einer Cineastin: Kein Tag ohne Kino | |
Nana Frisch schaut 300 Filme pro Jahr, viele davon auf der Berlinale. | |
Manchmal fragt sie sich, ob das Filmfest überhaupt für Menschen wie sie | |
gemacht wird. | |
Berlin besiegt Freiburg: Lichte Momente, schwacher Gegner | |
Die Fußballer von Hertha BSC gewinnen beim Freiburger SC mit 3:0. Zur | |
Unterstützung hatte das Tabellenschlusslicht für die Fans das komplette | |
Gästekartenkontingent aufgekauft. |