| # taz.de -- Programmkinos kämpfen um Existenz: Lichte Momente | |
| > Trotz Corona gibt es Neu- und Wiedereröffnungen: das Klick im Juni, das | |
| > Sinema Transtopia im September, wohl im Oktober das Intimes in | |
| > Friedrichshain. | |
| Bild: Das Kiezkino Intimes in Friedrichshain öffnet wohl noch im Oktober 2020 … | |
| Berlin taz | Als die Berliner Kinos nach mehr als drei Monaten | |
| Coronazwangspause am 2. Juli wieder öffnen durften, war auch das | |
| [1][historische Arthaus-Kino Klick in Charlottenburg] nach rund | |
| zweijähriger Unterbrechung dabei. Am 3. September folgte das transnationale | |
| Kinoprojekt des [2][Projekthauses bi’bak Sinema Transtopia im Haus der | |
| Statistik], wo seither postmigrantische Perspektiven im und aufs Kino | |
| diskutiert werden. Und nun das [3][Kino Intimes in Friedrichshain], das | |
| nach einem Jahr Pause bereits im Frühjahr wiedereröffnen sollte – und wo | |
| die neuen Betreiber nun hoffen, in den nächsten Tagen die | |
| Betriebsgenehmigung zu bekommen. | |
| Drei Kinos in Zeiten verschärfter Hygieneauflagen und dramatischer | |
| Umsatzeinbußen: Das ist ein tolles Zeichen, da ist man sich auf Seiten der | |
| Berliner Kinobetreiber einig. Denn eigentlich geht es den Programmkinos | |
| maximal „den Umständen entsprechend“. Als sie Anfang Juli wiedereröffnen | |
| durften, brach gerade der Sommer an – da sehen die meisten Hauptstädter, | |
| wenn überhaupt, nur noch im Freiluftkino Filme. | |
| Nun, da das Wetter wieder schlecht genug ist für Kino drinnen, gehen auch | |
| die Coronazahlen nach oben. Die Kinos können wegen der Abstandsregeln nur | |
| 20 bis 30 Prozent der Sitzplätze belegen – und haben nach ersten | |
| Soforthilfepaketen von Bund und Land schon länger keine Unterstützung mehr | |
| erhalten. „Die meisten Kinos verkaufen derzeit etwa die Hälfte der Tickets | |
| im Vergleich zum vorigen Herbst“, sagt der Kinobeauftragte des Medienboards | |
| Berlin Brandenburg, Christian Berg. „Das ist auf Dauer eine existenzielle | |
| Bedrohung.“ | |
| Zum Hintergrund: Anders als in anderen Regionen ist Berlin ein Eldorado für | |
| kleine unabhängige Programmkinos, in den letzten zehn Jahren hat sich ihre | |
| Anzahl von um die 50 auf über 100 verdoppelt – und das, obwohl 2018 und | |
| 2019 auch ohne Corona miserable Kinojahre waren. | |
| ## Kino als Event und Gesprächsangebot | |
| Das Geheimrezept lautet: Kino als Event und Gesprächsangebot, sei es in | |
| Form zahlreicher Publikumsgespräche, angeschlossener Kneipe oder guter | |
| Verankerung im Kiez etwa dank steter Anwesenheit der Betreiber als | |
| Intendanten, Kuratoren oder einfach nur Ansprechpartner. | |
| Netflix und Co konnten auf diese Weise eher den großen Kinos Konkurrenz | |
| machen, weshalb zuletzt in Berlin auch nur große pleitegingen: Imax und | |
| Cinestar am Potsdamer Platz Ende letzten Jahres, das Colosseum in der | |
| Schönhauser Allee in diesem Sommer – wohl weniger wegen Corona als deshalb, | |
| weil es sich weder in Sachen Programm noch Atmosphäre allzu sehr von den | |
| Multiplex-Kinos unterschied. Wie viele andere Kulturschaffende in dieser | |
| Stadt sind die Betreiber der kleinen Kinos dagegen eher von Idealismus als | |
| von finanziellen Aussichten getrieben. Sie sind zäh und flexibel. Oft | |
| kalkulieren sie nur mit durchschnittlich einem Drittel Auslastung, können | |
| überhaupt nur durch den Kneipenbetrieb nebenan überleben. | |
| So bitter es für sie ist, nun auch bei jenen Filmen Leute nach Hause zu | |
| schicken, die sonst auch mal für volle Säle sorgen: Die Laune scheint | |
| gedämpft, aber trotzdem optimistisch. | |
| Etwa bei den Betreibern des Kinos Moviemento in Kreuzberg, das in einem | |
| Haus der Deutsche Wohnen residiert. Ende letzten Jahres wurde bekannt, dass | |
| der Immobilienriese verkaufen will und die Betreiber versuchen, ihre Räume | |
| selbst zu kaufen. Auch wenn noch nichts in trockenen Tüchern ist: „Wir sind | |
| inzwischen im gutem Kontakt, die Deutsche Wohnen möchte nun ebenfalls das | |
| Kino erhalten“, so Geschäftsführerin Iris Praefke. Die Unterstützung der | |
| Stammgäste sei „riesig. Am Tag der Wiedereröffnung nach dem Shutdown sind | |
| einige regelrecht jubelnd die Treppe hochgestürmt“, sagt Praefke. | |
| ## Im Vergleich zur Party ein sicherer Ort | |
| Ähnliches berichtet auch der Geschäftsführer der Yorck-Kinos, Christian | |
| Bräuer. Die Gruppe betreibt 15 Kinos in der Stadt, und auch sie kann | |
| momentan im Schnitt nur jeden vierten Sitzplatz belegen. Bräuer sagt, man | |
| komme derzeit etwa auf die Hälfte der Umsätze vom letzten Herbst – es werde | |
| ein harter Winter. Doch man sei sich der Treue der Berliner Stammgäste | |
| sicher und habe nicht den Eindruck, dass diese sich von der Bitte um | |
| Onlinereservierung schrecken ließen. | |
| „Das Vertrauen ist da“, bestätigt auch Christian Berg vom Medienboard. Bis | |
| jetzt sei weltweit noch kein Fall bekannt, wo sich ein Zuschauer im Kino | |
| mit Corona angesteckt hat. Im Vergleich zur Party ist das Kino ein sicherer | |
| Ort. | |
| Vielleicht ist auch das einer der Gründe, warum sich die neuen Betreiber | |
| des Traditionskinos Intimes in der Boxhagener Straße so sehr auf die | |
| Eröffnung freuen und darauf, dass es nach zwei verschobenen Terminen nun | |
| tatsächlich losgehen wird. | |
| ## Nun das vierte Programmkino in Friedrichshain | |
| „Ich finde es wirklich erstaunlich, dass immer noch keine Unruhe in der | |
| Nachbarschaft aufkommt, die Leute sich einfach so immer weiter freuen und | |
| die Nase an der verschlossenen Tür plattdrücken“, sagt Stefan Käding, der | |
| mit seinen Mitstreitern nach [4][den Tilsiter Lichtspielen], dem Kino | |
| Zukunft am Ostkreuz und dem Freiluftkino Pompeji nun das vierte | |
| Programmkino in Friedrichshain an den Start bringt – und zwar auch mithilfe | |
| der ältesten Mietergenossenschaft im Ostteil der Stadt, der Selbstbau e. | |
| G., der das Haus gehört und der Erhalt des Kinos wichtig ist. | |
| Auch Käding macht sich natürlich Sorgen, denn an allen anderen Orten hat | |
| man sich eher auf das Konzept Kino mit Kneipe eingeschwungen – das heißt, | |
| es muss nicht mehr nur mit Hygiene und Abstand gerungen werden, sondern | |
| aktuell auch noch mit der neuen Sperrstunde. Auch, dass es zur Eröffnung | |
| keine richtige Party geben wird, macht Käding zu schaffen. Wenn jetzt keine | |
| Hilfe mehr käme, würde man das Jahr 2021 wahrscheinlich nicht überstehen, | |
| sagt er. | |
| Aber dann spricht der passionierte Kinomacher doch lieber über die | |
| berühmten Leuchtbuchstaben des Intimes, deren Neonröhren man neu befüllen | |
| ließ. Über den neuen kleinen Saal, der in früheren Lagerräumen entstanden | |
| ist. Und über die Farbe des alten großen Saals, über die man lange | |
| nachgedacht habe und die an dieser Stelle natürlich noch nicht verraten | |
| werden darf. | |
| „Wir sind aufgeregt“, sagt Käding. „Und wir werden uns diese Aufregung | |
| nicht verderben lassen.“ | |
| 20 Oct 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.klickkino.de/ | |
| [2] https://hausderstatistik.org/veranstaltungen/ | |
| [3] http://kino-intimes.de/ | |
| [4] http://Hollywood%20ist%20woanders | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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