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# taz.de -- Tödliche Radunfälle: Technik allein reicht nicht
> Der stete Ruf nach dem Abbiegeassistenten verdeckt, dass es keine
> absolute Sicherheit im Verkehr gibt. Deshalb: bitte auch mehr Vorsicht!
Bild: Außenkamera am Bus oder LKW: der Abbiegeassistent
Wieder eine tote Radfahrerin in dieser Woche, und wieder im Zusammenhang
mit einem rechts abbiegenden Auto. Und wieder ist da sofort die Forderung
nach dem Abbiegeassistenten, dem elektronischen Warnsystem. Und weil der
Bus, um den es dieses mal ging, sogar so ein System gehabt haben soll, soll
es eben ein noch ausgeklügelteres sein. Und dann gibt es keine Unfälle
mehr?
Allein so zu denken, ist der falsche Weg. Es gaukelt vor, mit mehr Technik
jeden Abbiegeunfall ausschließen zu können. Das geht aber nicht.
Abbiegeassistenten mögen manchen Unfall vermeiden helfen. Aber es gibt eben
Situationen, da hilft das nicht, genauso wenig wie abgepollerte
Radstreifen, die protected bike lanes – an irgendeiner Stelle müssen die ja
offen sein. Es ist der nachvollziehbare, aber irreführende Wunsch nach
absoluter Sicherheit in einem Bereich, der aus Gründen immer gefährlicher
wird, die nicht technischer, sondern komplexer gesellschaftlicher Natur
sind.
Wie so oft ist auch im Straßenverkehr ein gelegentlicher Perspektivwechsel
hilfreich – in diesem Fall vom Fahrradsattel hinter die Windschutzscheibe.
Kommt beim Schreiber dieser Zeilen nicht oft vor, passiert aber
gelegentlich. Und bei diesen Fahrten gibt es immer mal wieder den Gedanken:
Den hättest du jetzt fast nicht gesehen – trotz großer Aufmerksamkeit, weil
eben selbst Vielradler. Am leeren, schlecht einsehbaren Radweg vorbei
gefahren, an der Kreuzung aufs Abbiegen wartend, nach rechts blinkend – und
plötzlich wie aus dem Nichts zieht rechts geradeaus schnell ein Fahrrad
vorbei. Ohne nochmaligen langen Schulterblick … gar nicht auszudenken, da
hätte auch kein Assistent elektronischer Natur geholfen.
Am Autosteuer sitzen zudem immer mehr ältere Menschen, deren
Reaktionsfähigkeit zwangsläufig abnimmt. Und eben auch immer mehr
Ego-Shooter. Langsamer werden, wenn ein Hindernis auftaucht? Nein, voll auf
die Hupe und Tempo beibehalten. Blinker setzen, Schulterblick – wieso das
denn? Das schließt aber gelegentlich auch Radfahrer ein. Man kann natürlich
volle Kanne – die Autos fahren ja auch 50 und leider oft mehr! – auf eine
unübersichtliche Kreuzung zubrettern und unaufmerksame, im letzten Moment
bremsende Autofahrer mit einem „Wie viele sollen denn noch sterben?“
anschnauzen (wie es der Schreiber im Radsattel auch schon getan hat).
Man kann sich aber auch fragen, ob Risiko und Zeitgewinn dabei in einem
gesunden Verhältnis zueinander stehen. Und keine Frage ist es eigentlich,
ob es fair gegenüber Autofahrern ist, im Dunkeln im schwarzen Hoody ohne
Licht oder Leuchtweste und vielleicht noch mit Kopfhörer unterwegs zu sein.
Das soll nun nicht heißen, dass (wir) Radfahrer im Sinne von „Der Klügere
gibt nach“ dauerhaft zurückstecken, die eigene Vorfahrt abtreten, die
Straße rücksichtslosen Autofahrern überlassen sollen, aus purer
Resignation. Nein, natürlich sind übersichtlichere Radwege, Radspuren, bike
lanes usw. wichtige Dinge, die einiges an Anspannung rausnehmen. Aber wenn
eben Rücksichtslosigkeit und Brutalität allerorten wächst – siehe die
Attacken auf Feuerwehrleute und Polizisten – dann hilft es in letzter
Konsequenz nicht, auf elektronische Systeme zu hoffen, sondern nur, immer
nochmal selbst genau zu gucken, ob das Auto neben einem nun tatsächlich
geradeaus fährt – oder nicht doch abbiegt.
25 Jan 2020
## AUTOREN
Stefan Alberti
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