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# taz.de -- Lkw tötet Radlerin beim Rechtsabbiegen: Trauer und Wut
> Innerhalb von zwei Jahren sterben zwei Menschen am Kottbusser Tor durch
> rechtsabbiegende Lkws. Das muss aufhören, fordern Demonstranten.
Bild: Die Wut ist groß: DemonstrantInnen am Donnerstagabend am Kotti
Berlin taz | Alle RadfahrerInnen klingeln dreimal, fast klingt es wie ein
Glockenspiel. Danach ist es still. Menschen sitzen auf dem nassen Asphalt,
andere legen Blumen auf ein weiß angemaltes Fahrrad. Ein Mann hält eine
Frau im Arm, sie weinen. Etwa 200 Menschen haben sich am Donnerstagabend am
Kreisverkehr am Kottbusser Tor versammelt – viele von ihnen sind wütend.
Wie kann das sein, fragen Menschen einen anwesenden Polizisten nach der
Schweigeminute. Er zuckt mit den Schultern und sagt: „Was genau passiert
ist, muss noch geklärt werden.“
Am Kotti findet eine Mahnwache für die erste getötete Radfahrerin Berlins
in diesem noch jungen Jahr statt. Ein Lkw überfuhr die 68-Jährige [1][beim
Rechtsabbiegen,] sie ist bereits die zweite Verkehrstote 2020. Zuvor war
ein 81-jähriger Mann an den Verletzungen eines Unfalls gestorben.
Am Tod beider Menschen ist wieder ein Lkw schuld. Wieder beim
Rechtsabbiegen. „Wenn die Lastwagen Abbiegeassistenten gehabt hätten, wäre
es wahrscheinlich nicht passiert“, sagt Ragnhild Sørensen, Sprecherin der
Verkehrsinitiative Changing Cities. Zusammen mit dem Allgemeinen Deutschen
Fahrrad-Club ADFC hat sie die Mahnwache organisiert. Anschließend radeln
die DemonstrantInnen zum Bundesverkehrsministerium. Sie wollen ihrem Ärger
Luft machen und fordern, dass das Land Berlin endlich handelt.
„Wir können den Verkehr so gestalten, dass Menschen nicht sterben müssen,
nur weil jemand für einen Augenblick einen Fehler macht“, sagt der
Kreuzberger Radaktivist Dirk von Schneidemesser in seiner Ansprache am
Donnerstag. Bodenwellen vor Kreuzungen, gesonderte Ampelschaltungen,
Fahrradstraßen, engere Winkel für Abbieger – mögliche Maßnahmen gebe es
genug. Doch das Land tue zu wenig. Und zu spät.
Sebastian Funk, 43, steht mit einer neongrünen Jacke und Helm neben seinem
Fahrrad im Regen. Die Straße am Kotti ist für die Demo bereits seit einer
halben Stunde gesperrt. Die Autofahrer vor den Polizeiabsperrungen hupen
immer häufiger. „Vieles, was Berlin macht, führt am Ziel vorbei: Es werden
Schutzstreifen mit Pollern angelegt, und kurz vor der Kreuzung dürfen
Autofahrer darüber fahren und rechts abbiegen“, sagt Funk. Das sei falsch
und entschärfe nicht die Situation. Er fahre täglich Fahrrad von Kreuzberg
bis Moabit und habe seine Routen so gewählt, dass er gefährliche Ecken
meide.
Auch der 53-jährige Constantin Tykiel fährt lieber einen Umweg um Orte wie
das Kottbusser Tor. „Mit [2][jedem getöteten Radfahrer] frage ich mich
morgens, wenn ich losfahre, ob ich abends wieder nach Hause komme“, sagt
er. Eine Frau, die ihren Namen in der Zeitung nicht lesen möchte,
kritisiert, die Stadt solle nicht nur die privilegierten Bezirke
verkehrssicherer machen. „Auch im Wedding sieht es schlimm aus“, sagt sie.
Die Senatsverwaltung für Verkehr will auf den erneuten Unfall am Kotti –
bereits vor zwei Jahren tötete ein rechts abbiegender Lastwagen an dieser
Stelle eine Fußgängerin – reagieren. Zunächst seien „signaltechnische
Maßnahmen an den Ampelanlagen“ geplant, sprich veränderte Ampelphasen, ließ
die Verwaltung am Donnerstagnachmittag mitteilen. Zudem werde der Bezirk
bauliche Veränderungen am Radweg prüfen. „Nur die Ampelphasen zu ändern,
ist zu wenig“, erklärt Ragnhild Sørensen dazu.
Das weiße Fahrrad, eine Erinnerung und Mahnung, steht inzwischen fest an
der Unfallkreuzung, und die Demo geht los. Wo eben noch trauernde Menschen
auf der Straße standen, biegt nun der erste Lkw rechts ab. Er bremst, neben
ihm fährt ein Radfahrer gerade aus. Vorbei an den Kerzen.
10 Jan 2020
## LINKS
[1] /Schutz-fuer-Radfahrer-und-Fussgaenger/!5565665
[2] /SPD-Vorschlag-zur-Unfallverhuetung/!5550332
## AUTOREN
Laura Binder
## TAGS
Kottbusser Tor
Fahrrad
Unfall
Verkehrstote
Unfallopfer
Gerichtsprozess
Schwerpunkt Radfahren in Berlin
Abbiegeassistent
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