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# taz.de -- Unfälle durch rechtsabbiegende LKW: Lösung dringend gesucht
> In Hannover wurde ein elfjähriger Radfahrer von einem rechtsabbiegenden
> Lastwagenfahrer übersehen und getötet. Es war 2018 der zehnte Todesfall
> dieser Art bundesweit.
Bild: Gemeinsam schweigen: An dieser Kreuzung ist am Mittwoch ein Kind gestorben
HANNOVER taz | Das weiße Fahrrad lehnt an einer Ampel. Darunter liegen
weiße Rosen und zwei Teddybären. Am Mast der Ampel hängt ein Schild: ‚Ein
Albtraum‘ steht darauf. 30 Erwachsene und 15 Kinder haben sich am frühen
Donnerstagabend auf die Straße gesetzt. Sie schweigen. Genau hier, an
dieser Kreuzung an der sechsspurigen Vahrenwalder Straße in Hannover, ist
am Mittwoch ein Kind gestorben.
Am Mittwochabend hatte ein LKW-Fahrer den elf jährigen Jungen beim
Rechtsabbiegen übersehen. Laut Polizei hatten sowohl der junge Radfahrer
als auch der Lastwagenfahrer Grün. Die Mutter des Kindes fuhr direkt hinter
ihrem Sohn und sah mit an, wie er von dem LKW erfasst wurde. Der Junge
starb noch an der Unfallstelle an den Folgen seiner Verletzungen.
„Das ist ein besonders tragischer Fall“, sagt Nadine Danowski vom
Fahrradverband ADFC in Niedersachsen. Eine Ausnahme sei er aber nicht.
Bundesweit sind laut ADFC im vergangenen Jahr 38 Radfahrer durch
rechtsabbiegende Lkw getötet worden. In diesem Jahr waren es mit dem Jungen
schon zehn Menschen.
„Das lässt, wo die Fahrradsaison gerade erst begonnen hat, Schlimmstes
befürchten“, sagt Danowski. Der ADFC fordert, dass die niedersächsische
Landesregierung eine Bundesratsinitiative unterstützt, die in der kommenden
Woche behandelt wird.
Die Länder Berlin, Bremen, Brandenburg, Thüringen und Hessen fordern darin,
dass sich Deutschland auf EU-Ebene dafür einsetzt, dass technische
Lösungen, die solche Unfälle beim Rechtsabbiegen verhindern können,
verpflichtend für Nutzfahrzeuge ab 7,5 Tonnen werden. Mit solchen
Abbiegeassistenzsystemen, die den Fahrer mit Lichtzeichen und Geräuschen
warnen und nach dem Wunsch der Antragssteller auch „bei Bedarf eine
Notbremsung einleiten“, sollen alle Laster nachgerüstet werden, so die
Forderung.
Ein System, das selbstständig bremst, gibt es auf dem Markt allerdings noch
nicht. Europaweit hat bisher nur Daimler ein Abbiegeassistenzsystem
entwickelt. Das leuchtet zunächst gelb, blinkt dann rot und piept, wenn ein
Zusammenstoß droht. „Der Fahrer hat durch die Warnung genügend Zeit, um
selbst zu bremsen“, versichert eine Daimler-Sprecherin.
Doch auch in der bisherigen Version fordert der ADFC die Neuerung, die pro
LKW rund 2.500 Euro kostet – und das Land solle dabei mit gutem Vorbild
vorangehen. „Es müsste die Baustellenfahrzeuge der Landesbetriebe und die
Fahrzeuge der Abfallwirtschaft mit dem System ausstatten.“
Das niedersächsische Verkehrsministerium ist bei den Assistenzsystemen noch
zwiegespalten. Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) hat in der aktuell
laufenden Verkehrsministerkonferenz zwar die Forderung nach verpflichtenden
Abbiegeassistenten eingebracht, an eine schnelle Umsetzung scheint man im
Ministerium aber nicht zu glauben: „Das Problem ist, dass es bisher kaum
ein wirklich funktionierendes System am Markt gibt“, sagt eine
Ministeriumssprecherin. Bisher gebe es nur ein System, das tatsächlich
praxistauglich sei. „Systeme, die nur teilweise funktionieren, sorgen
allenfalls für eine Scheinsicherheit“, so die Sprecherin.
In der Staatskanzlei verweist ein Sprecher darauf, dass der Antrag in der
kommenden Woche im Bundesrat noch nicht abschließend beraten, sondern erst
einmal in den zuständigen Ausschuss verwiesen wird. „Diese inhaltliche
Besprechung wird Niedersachsen abwarten müssen, bevor es zu einer
Entscheidung kommt.“
## Schutz auch für die Fahrer
Die SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag spreche sich dafür aus, den
Antrag zu unterstützen, sagt der Abgeordnete Stefan Klein. Er denkt bei den
Assistenzsystemen nicht nur an die Radfahrer: „Auch die Fahrer selbst
werden dadurch geschützt“, sagt er. „Sonst müssen sie ein Leben lang mit
dem Trauma leben, dass sie jemanden getötet haben.“
Um solche Unfälle zu vermeiden, können auch die Kommunen was tun. Das
Verkehrsministerium rät etwa, Schaltungen an Ampelkreuzungen so zu
verändern, dass die Radfahrer etwas früher Grün bekommen als die Autos. So
rücken sie in das Sichtfeld der Lastwagenfahrer vor. Gleiches gilt für
vorgezogene Haltelinien für Radfahrer. Zudem gebe es Versuche mit Spiegeln
an Ampelpfosten. „Dazu gibt es allerdings noch keine belastbaren
Ergebnisse, sagt die Ministeriumssprecherin.
Dem ADFC reicht das nicht: „Im dichten Stadtverkehr gibt es für die Fahrer
beim Abbiegen eine Überforderung“, sagt Danowski. Um die Situation sicherer
zu machen, müssten die Grünphasen von Fußgängern und Rechtsabbiegern
komplett getrennt und nacheinander geschaltet werden. Dann käme es gar
nicht mehr zu der gefährlichen Situation, dass LKW und Radfahrer
gleichzeitig losfahren.
20 Apr 2018
## AUTOREN
Andrea Scharpen
## TAGS
Fahrrad
Straßenverkehr
Unfälle
ADFC
Lkw
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