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# taz.de -- Preise für Anwohnerparken: Falsch abgebogen
> Gestaffelte Preise für das Anwohnerparken schlägt die Automobillobby vor.
> Damit verrät sie lediglich, dass es ihr nicht um lebenswerte Städte geht.
Bild: Hier könnten Parkbänke stehen
Zum Beispiel Stuttgart. Ein Anwohnerparkausweis für ein Jahr kostet dort
30,70 Euro. Das ist, im Vergleich zu anderen Kommunen, schon sehr viel,
nämlich die aktuell obere Grenze, um das Auto permanent mehr oder weniger
vor der Haustür abzustellen. Zum Vergleich: Berliner:innen zahlen 20,40
Euro. Für zwei Jahre. Aber: Beides ist natürlich viel zu wenig und
wahnsinnig niedrig im Vergleich zu den gesellschaftlichen Kosten, die solch
ein öffentlicher Platz zum Parken verursacht.
Wenn jetzt also der Verband der Automobilindustrie kommt und sagt: Hey
Leute, wir haben ein paar tolle Vorschläge. [1][Lasst uns das
Anwohnerparken doch einkommensabhängig staffeln und so gestalten, dass
Kommunen für nachgefragte Gegenden insgesamt die Preise erhöhen dürfen] –
dann kann man im Kontext von [2][Klimawandel], [3][Wohnungsnot] und
dringend notwendiger [4][Verkehrswende] nur sagen: Da kommt ihr ungefähr 20
Jahre zu spät. Wenn die Kosten für einen jährlichen Parkausweis nicht
gerade in den vierstelligen Bereich gehen sollen, dann wird das auch
Gutverdienende nicht dazu bringen, das eigene Auto abzuschaffen.
Dafür reicht schon ein kurzer Blick auf die anfallenden Kosten, wenn man
ein paarmal im Jahr ein Auto mietet, um vielleicht doch mal ein schwereres
Möbelstück oder eine nicht mehr so gut zu Fuß unterwegs seiende Person zu
chauffieren. Bleiben wir in Stuttgart: In der Zone „City“ kostet eine
Stunde Parken 4 Euro. In der Zone „Parkraummanagement – Langzeitparkplätze…
gibt es einen Tag für 8,60 Euro. In beiden Fällen würde es sich glatt
lohnen, ein ab und an zu nutzendes Carsharing-Fahrzeug auf den eigenen
Namen mit einem Anwohnerparkausweis anzumelden.
Was heißt es also, wenn ein Automobilindustrie-Lobbyverband dafür plädiert,
das Parken finanziell neu zu sortieren? Erstens, dass ein Autoverband
natürlich möchte, dass Autofahren angenehm ist. Parkplatzsuchen ist
unangenehm. Höhere Preise, Spezialparkplätze, digitale Dienste, bei denen
Autos Daten über freie Parkplätze austauschen, was der Verband so
vorschlägt, könnte das Suchen vereinfachen und Autofahren angenehmer
machen.
## Was wir brauchen
Die Vorschläge zeigen zweitens, dass die Lobbyisten, die zwar Klimawandel
und Wohnungsnot in ihrem Papier erwähnen, trotzdem kurz vor der ganz großen
Debatte abbiegen. Der Debatte darüber, was wir als Gesellschaft eigentlich
sinnvolleres machen wollen mit den ganzen öffentlichen Flächen, auf denen
tagein, tagaus private Autos stehen, von einer Größe, die manchmal die
eines Zimmers übersteigt. Denn dass das so nicht weitergehen kann, sollte
langsam klar werden. Wir brauchen Kaltluftentstehungsgebiete und
Frischluftschneisen, um den zunehmend heißen Sommerperioden in den Städten
zu begegnen.
Wir brauchen Wohnungen, damit die steigende Zahl an Stadtmenschen
untergebracht werden und das Wohnen trotzdem noch bezahlbar bleiben kann.
Und für die Menschen brauchen wir Spielplätze, Skaterampen und Freiflächen.
Tümpel zum Entenzählen, Bäume zum Schattenspenden und Gemüsegärten für die
Nahversorgung. Sichere Abstellplätze für Fahrräder, Bänke zum
In-der-Sonne-Sitzen und wahrscheinlich noch viel, viel mehr. 30,70 Euro im
Jahr, das sind gute 2,50 Euro im Monat. 20,40 Euro für zwei Jahre, das sind
lächerliche 85 Cent monatlich. Und wir reden hier über mehrere Quadratmeter
öffentlichen Raums. Gibt es irgendwo noch Wohnungsmieten für so einen
Preis?
Zumal der Verband – und das ist fast schon lustig – im gleichen
Positionspapier Sonderparkplätze für Elektroautos vorschlägt. Die ja eher
zum teureren Segment gehören, was also Besserverdienenden zugute käme. Und
nein, Elektroautos lösen das Problem von zu viel Blech auf zu wenig Raum
nicht.
Momentan ist die Welt hierzulande um die Bedürfnisse von Autos und ihren
Besitzer:innen drumherum gebaut. Das ist das Grundproblem. Und das muss
sich ändern.
2 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.vda.de/de/presse/Pressemeldungen/02012020-automobilindustrie-pr…
[2] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
[3] /Mietenwahnsinn/!t5495378
[4] /Verkehrswende/!t5328047
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Verkehrswende
Parkplätze
Autoindustrie
Auto-Lobby
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Deutscher Städtetag
Grüne Berlin
Parkplatz
Verkehr
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