# taz.de -- Deutsche Rüstungsexporte: Weniger versprochen, mehr geliefert | |
> Die schwarz-rote Regierung hat sich selbst übertroffen: Die deutschen | |
> Rüstungsexportgenehmigungen sind auf ein Allzeithoch gestiegen. | |
Bild: Deutsche Waffen im Kriegsgebiet: Leopard-Panzer des türkischen Militärs… | |
BERLIN taz | Es klang zu schön, um wahr zu sein. „Rüstungskontrolle und | |
Abrüstung bleiben prioritäre Ziele deutscher Außen- und | |
Sicherheitspolitik“, schrieben CDU, CSU und SPD [1][in ihren | |
Koalitionsvertrag] vom März 2018. Auch eine „restriktive | |
Rüstungsexportpolitik“ versprachen die drei Regierungsparteien. Und ganz | |
konkret kündigten sie an: „Wir schränken die Rüstungsexporte für | |
Drittländer weiter ein, die weder Nato- noch EU-Mitgliedsländer sind noch | |
diesen gleichgestellt.“ | |
Keine zwei Jahre später sind das nur noch hübsche Worte fürs politische | |
Poesiealbum. Die Realität sieht anders aus, wie aus den Antworten des | |
Wirtschaftsministeriums auf Anfragen der Abgeordneten Sevim Dağdelen | |
(Linkspartei) und Omid Nouripour (Grüne) hervorgeht, die der taz vorliegen. | |
Danach genehmigte die Bundesregierung in diesem Jahr – Stand 15. Dezember – | |
Rüstungsexporte im Wert von insgesamt mehr als 7,95 Milliarden Euro. Damit | |
wurde bereits vor Jahresende ein neues Allzeithoch erreicht. [2][Die | |
bisherige Rekordmarke aus dem Jahr 2015 lag bei „nur“ 7,86 Milliarden | |
Euro.] Nicht berücksichtigt sind dabei Sammelausfuhrgenehmigungen, die in | |
2019 auch noch mal mit mindestens rund einer halben Milliarde zu Buche | |
schlagen dürften. | |
An der Spitze der Empfängerländer steht das EU- und Nato-Mitglied Ungarn. | |
Dessen rechtsnationalistische Regierung Viktor Orbáns, die derzeit massiv | |
aufrüstet, kann sich über genehmigte Lieferungen in Höhe von 1,77 | |
Milliarden Euro freuen. | |
Etwa 3,51 Milliarden Euro entfallen auf sogenannte Drittländer – eine | |
Steigerung gegenüber dem Vorjahr um fast 1 Milliarde. Welche Rüstungsgüter | |
konkret genehmigt wurden, geht aus den Schreiben der Regierung nicht | |
hervor. | |
Unter den zehn wichtigsten Empfängerländern befinden sich gleich fünf | |
Drittländer. Darunter sind mit Ägypten (802 Millionen) auf Platz 2 und den | |
Vereinigten Arabischen Emiraten (207 Millionen Euro) auf Platz 9 auch zwei | |
Gründungsmitglieder [3][der von Saudi-Arabien geführten Kriegsallianz im | |
Jemen], die dort gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen kämpft. In | |
ihrem Koalitionsvertrag hatten Union und SPD noch angekündigt: „Wir werden | |
ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar | |
am Jemen-Krieg beteiligt sind.“ | |
Kaum minder fragwürdig erscheinen die genehmigten Rüstungsexporte an | |
Algerien (238 Millionen Euro/Platz 7), Katar (223 Millionen Euro/Platz 8) | |
und Indonesien (201 Millionen Euro/Platz 10). Alle drei Staaten zeichnen | |
sich durch eine problematische Menschenrechtssituation aus. Gleichwohl | |
versichert Wirtschaftsstaatssekretär Ulrich Nußbaum in seiner Antwort an | |
die Linksparteilerin Dağdelen: „Die Beachtung der Menschenrechte im | |
Empfängerland spielt bei der Entscheidungsfindung eine hervorgehobene | |
Rolle.“ | |
Dağdelen stellt der Regierung ein schlechtes Zeugnis aus: „Das ganze Gerede | |
von einer restriktiven Rüstungsexportpolitik fällt wie ein Kartenhaus in | |
sich zusammen“, konstatierte die Linksparlamentarierin. Besonders der | |
Anstieg der Exporte in Krisenländer, Spannungsgebiete und kriegführende | |
Staaten sei besorgniserregend. „Wir brauchen jetzt endlich klare, | |
gesetzliche Verbote von Waffenexporten“, forderte Dağdelen. | |
Warum die Rüstungsgenehmigungen in diesem Jahr auf einen solch hohen Wert | |
gestiegen sind, sei „nach all den Ankündigungen einer restriktiveren | |
Exportpolitik kaum zu erklären“, sagte die Grüne Katja Keul der taz. „Wir | |
brauchen endlich ein Rüstungsexportkontrollgesetz, das die Bundesregierung | |
verpflichtet, eine außen- und sicherheitspolitische Begründung für ihre | |
Entscheidungen zu liefern“, forderte die Sprecherin für Abrüstungspolitik | |
der grünen Bundestagsfraktion. | |
27 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/koalitionsvertrag-zwischen-cd… | |
[2] /Deutsche-Ruestungsexporte/!5477560 | |
[3] /Genehmigung-von-Ruestungsexporten/!5603114 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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