| # taz.de -- Waffenexporte nach Mexiko: Verbotene Geschäfte | |
| > Umgeht die Waffenschmiede Sig Sauer erneut die deutschen Exportregeln? | |
| > Recherchen von taz und SWR deuten auf illegale Deals mit Mexiko hin. | |
| Bild: Keine Skrupel: Gelangten deutsche Sig-Sauer-Waffen in die falschen Hände? | |
| Berlin taz | Die Waffenschmiede Sig Sauer lässt auf ihrer Website keine | |
| Zweifel: Mit dem Slogan „Geboren in Europa, perfektioniert in Amerika“ | |
| wirbt das Unternehmen für seine Pistolen und Gewehre, preist seine | |
| „Legenden auf dem Schlachtfeld“ an. Es beschreibt den langen Werdegang, auf | |
| den die Firma in der Schweiz, in Deutschland und den USA zurückblicken | |
| kann. Sig Sauer legt großen Wert auf die langjährige Erfahrung, mit der die | |
| Waffentechnologie immer weiter ausgebaut werden konnte. | |
| Besonders erfolgreich ist die US-Schwesterfirma Sig Sauer Inc. Von Exeter | |
| im Bundesstaat New Hampshire aus exportieren die Waffenbauer | |
| uneingeschränkt in alle Welt, etwa nach Saudi-Arabien, die Vereinigten | |
| Emirate und die Philippinen. Auch in Länder, in die Ausfuhren aus | |
| Deutschland nicht genehmigt würden. Aber wurden die Pistolen und Gewehre | |
| alle in den USA hergestellt? Und wurde die Waffentechnologie, die Sig Sauer | |
| Inc. an andere Staaten verkauft, tatsächlich nur dort entwickelt? | |
| Dokumente, die der taz und dem SWR vorliegen, lassen etwas anderes | |
| vermuten. Demnach war bei der Entwicklung und Herstellung von exportierten | |
| Waffenkomponenten nach Mexiko auch das in Eckernförde (Schleswig-Holstein) | |
| ansässige Sig-Sauer-Werk beteiligt. Der Verdacht liegt nahe, dass das | |
| Unternehmen damit erneut deutsche Rüstungsexportvorgaben umgangen hat. Vor | |
| einem Jahr wurden bereits drei aktive und ehemalige Manager der Firma zu | |
| Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie in Deutschland hergestellte Pistolen | |
| via New Hampshire an das Bürgerkriegsland Kolumbien verkauft hatten. | |
| Nun belegt ein Schreiben des Washingtoner Außenministeriums, dass die | |
| Lieferung von Teilen und Informationen für den Bau von Pistolen nach Mexiko | |
| genehmigt wurde, die zum Teil ursprünglich in Deutschland entwickelt und | |
| produziert wurden. Sig Sauer dürfe der mexikanischen Marine technische | |
| Daten und Material „für die Herstellung von Sig-Modellen vom Typ SP2022, | |
| P224, P226, MK25 und halbautomatische P229-Pistolen“ zuliefern, heißt es in | |
| dem Schreiben. | |
| ## „Made in Germany“ | |
| Nach Angaben der Bundesregierung erteilten die deutschen Exportbehörden Sig | |
| Sauer seit dem Jahr 2000 insgesamt 26 Genehmigungen für | |
| Technologieausfuhren in die Vereinigten Staaten. Wenn aber eine Fertigung | |
| für die USA genehmigt wurde, dürfe diese Produktion auch nur dort | |
| stattfinden, erklärt der ehemalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in | |
| dem Dokumentarfilm „Tödliche Exporte 2“, der Mittwochabend in einem | |
| Themenabend der ARD zu Waffenexporten nach Mexiko ausgestrahlt wird. Der | |
| weitere Export aus den USA müsse in Deutschland genehmigt werden, so der | |
| SPD-Politiker. Doch eine solche Erlaubnis hat das Bundesausfuhramt (Bafa) | |
| in den letzten 20 Jahren nicht ausgestellt. | |
| Fragen werfen auch andere Erkenntnisse der Recherchen im Rahmen der | |
| Dokumentation auf. Die Filmemacher haben in Kolumbien und Mexiko | |
| Sig-Sauer-Pistolen aufgetan, die auf eine Herstellung in Deutschland | |
| hinweisen. So steht auf einer Waffe sowohl „Made in Exeter“ als auch „Fra… | |
| Made in Germany“, auf einer anderen verweist das sogenannte Beschusszeichen | |
| auf das zuständige Amt in Kiel. „Wenn welche dahin gekommen sind, muss das | |
| ein anderer Weg gewesen sein, jedenfalls einer ohne Genehmigung“, sagt der | |
| ehemalige Bafa-Präsident Arnold Wallraff. | |
| Bereits im Jahr 2015 gab der US-Kongress Sig Sauer Inc. grünes Licht für | |
| den Verkauf von Pistolen und Gewehren im Wert von 266 Millionen US-Dollar | |
| an Mexiko. Nach Einschätzungen der US-Friedensorganisation AFSC dürften | |
| damit 300.000 bis 400.000 Feuerwaffen den Rio Bravo überqueren. Die | |
| Genehmigung gelte bis 2024, erklärt AFSC-Aktivist und Rüstungsexperte John | |
| Lindsay-Poland. Er spricht von einer „beispiellosen Menge für die USA und | |
| Mexiko“. | |
| Von Eckernförde aus wäre ein solches Geschäft nicht mehr möglich. Seit | |
| bekannt wurde, dass das Konkurrenzunternehmen Heckler&Koch (HK) illegal | |
| G36-Gewehre nach Mexiko geliefert hat, ist der Kleinwaffenexport dorthin | |
| sehr schwierig geworden. Die Firma wurde zwar erst im letzten Jahr für die | |
| Ausfuhren strafrechtlich verurteilt, seit 2011 hat das Bafa den | |
| Schwarzwälder Waffenbauern jedoch keine Exportgenehmigungen mehr | |
| ausgestellt. Die HK-Gewehre waren in besonders gefährliche Bundesstaaten | |
| gelangt, in die eigentlich keine Lieferung erlaubt war. | |
| ## „Sig Sauer sahnt da richtig ab.“ | |
| Die Waffen von Sig Sauer Inc., das sich zu hundert Prozent im Besitz des | |
| deutschen Mutterkonzerns L&O Holding befindet, dürfen dagegen nach US-Recht | |
| uneingeschränkt in alle Regionen Mexikos gehen. „Geografische | |
| Restriktionen“ gebe es nicht, erklärt das US-Außenministerium. | |
| Eine Liste des mexikanischen Verteidigungsministeriums (Sedena) bestätigt, | |
| dass die Waffen auch in Gegenden gelangten, wo Sicherheitskräfte eng mit | |
| Banden der organisierten Kriminalität zusammenarbeiten. Etwa in die | |
| Grenzstadt Nuevo Laredo, einem der wichtigsten Orte für den Drogenschmuggel | |
| in die USA. Dort verschleppten Marinesoldaten 2018 zahlreiche Menschen. | |
| Mindestens 32 sind bis heute verschwunden, gegen 257 Angehörige der Marine | |
| wird deshalb ermittelt. Fotos und Videoaufnahmen, die Amnesty International | |
| vorliegen, belegen: Bei den Angriffen kamen auch Sig-Sauer-Sturmgewehre vom | |
| Typ Sig 516 zum Einsatz. | |
| Angaben der Sedena zufolge hat das Unternehmen seit 2007 zunehmend Waffen | |
| nach Mexiko geliefert. Ab dem Jahr 2011 machen die Verkaufszahlen jedoch | |
| einen Sprung, in der Folge steigen sie um ein Vielfaches – just in jenem | |
| Jahr also, in dem der Konkurrent Heckler&Koch keine Gewehre mehr nach | |
| Mexiko exportieren durfte. „Sig Sauer hat einfach den Markt von | |
| Heckler&Koch in Mexiko übernommen, als dieser wegen der Skandalen nicht | |
| mehr liefern durfte“, schlussfolgert der Waffenexperte Lindsay-Poland. „Sig | |
| Sauer sahnt da richtig ab.“ | |
| 1 Apr 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Wolf-Dieter Vogel | |
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