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# taz.de -- Ein Jahr nach Beginn der Massenproteste: Sudans Frauen können stol…
> Die Sudanesen freuen sich, dass ihre vor einem Jahr begonnenen
> Massenproteste teilweise Erfolg hatten. Aber sie kämpfen noch mit der
> Wirtschaftskrise.
Bild: Eine Sudanesin freut sich am ersten Jahrestag des Beginns der Proteste ü…
NAIROBI taz | Vor einem Jahr begannen im Sudan die hartnäckigen Proteste.
Sie führten im April zum Sturz von Präsident Omar al-Baschir durch das
Militär, nachdem er mit tödlicher Gewalt gegen die Demonstranten vorgehen
ließ.
Letztlich kam es zur Bildung einer [1][Übergangsregierung] aus Zivilisten
und Militärs. Der seit August die Regierung führende Premierminister
Abdalla Hamdok ist aber um seinen Job nicht zu beneiden. Denn der Ökonom
muss nicht nur vorsichtig agieren in einer fragilen politischen Situation,
sondern auch die Wirtschaft aus der Krise führen und [2][bewaffnete
Konflikte befrieden].
Anfang Dezember forderte die Gewerkschaft SPA, die die treibende Kraft
hinter den Demonstrationen gegen al-Baschir war, von Hamdok die Entlassung
der [3][Außenministerin] und des Ministers für Landwirtschaft. Die hätten
laut SPA, die für einen Großteil der Bevölkerung spricht, bisher versagt.
Hamdok versprach eine Untersuchung.
Die Sudanesen freuen sich zwar, dass ihre vor einem Jahr begonnenen
Proteste teilweise Erfolg hatten. Aber sie kämpfen weiter mit der schweren
Wirtschaftskrise. „Wir sind genau vor einem Jahr für bessere
Lebensbedingungen auf die Straße gegangen. Aber noch immer reicht das
Einkommen bei den meisten nicht zum Leben. Die Preise steigen und wir sind
ständig pleite“, sagt der Lehrer Mohamed Al Bakr aus der Hauptstadt
Khartum.
## Subventionskürzungen führten zum Massenprotest
Die Demonstrationen begannen in der Arbeiterstadt Atbara nördlich von
Khartum. Auf Rat des Internationalen Währungsfonds (IWF) strich die
Regierung al-Baschir die Subventionen für Getreide und Benzin. Doch das war
der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Arbeiter gingen auf die Straße und schnell folgten landesweite Proteste vor
allem von Frauen. Bald forderten sie den Sturz von al-Baschir und die
Bildung einer Zivilregierung.
[4][Zwar ist al-Baschir inzwischen im Arrest]. Aber die Wirtschaft krankt
noch immer an den Jahrzehnten der [5][Korruption] und den Folgen
internationaler Sanktionen.
Hamdok will jetzt die Benzinsubventionen langsam auslaufen lassen. Die
Staatskasse ist leer und der Preis von 10 Cent pro Liter Benzin ist einer
der niedrigsten der Welt. Im Gegenzug schlug er eine Verdoppelung des
Mindestlohns vor. Die Getreidesubventionen will Hamdok noch beibehalten.
## US-Sanktionen gelten noch weiter
Sudan braucht finanzielle Hilfen. „Es verwundert, dass vor allem die
Amerikaner nicht stärker helfen. Sie haben unsere Proteste beklatscht, aber
dabei blieb es. Sie sollten wenigstens die Sanktionen aufheben“, meint
Lehrer Bakr.
Hamdok bat die USA, den Sudan von der Liste der Terrorunterstützerstaaten
zu streichen. Das Land steht seit Jahren darauf, weil al-Baschirs Regime
unter anderem damals Al-Qaida-Führer Ossama bin Laden beherbergt hatte.
Wegen der Sanktionen bekommt der Sudan bei internationalen Organisationen
wie dem IWF keine Kredite.
Die USA und die EU-Staaten misstrauen Sudans Militär. Schließlich hat es
eng mit al-Baschir, der auch dem Militär entstammte, kooperiert. Jetzt
teilt es mit Zivilisten die Macht.
Seitdem versucht Sudan auch über die Aufarbeitung von
Menschenrechtsverbrechen international Vertrauen zu gewinnen. So hat die
Staatsanwaltschaft begonnen, Verbrechen in der westlichen Region Darfur
während des Al-Baschir-Regimes zu untersuchen. Seine 30-jährige Herrschaft
prägten Menschenrechtsverletzungen und groß angelegte Korruption. Für
letztere wurde er vor Kurzem zu zwei Jahren Arrest verurteilt.
## Militär will al-Baschir nicht ausliefern
Aber schwerwiegender sind die Anklagen wegen Kriegsverbrechen und
Menschenrechtsverletzungen in Darfur. Schon 2009 hatte der Internationale
Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag al-Baschir angeklagt. Doch als ihn das
Militär absetzte, machte es sofort klar, dass er nicht an den ICC
ausgeliefert wird.
Der Darfur-Konflikt hatte 2003 mit einem Aufstand der lokalen Bevölkerung
begonnen, die sich vom Al-Baschir-Regime stark marginalisiert fühlte. Er
ließ den Aufstand von einer Reitermiliz aus Hirtenvölkern bekämpfen, die
mit der bäuerlichen Lokalbevölkerung über den Zugang zu Weiden und
Wasserquellen stritten.
Die Janjaweed-Miliz mordete, vergewaltigte und plünderte in Darfur.
Mindestens 300.000 Menschen wurden getötet, fast drei Millionen vertrieben.
Die Erfolgsaussichten der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind gering.
Mohamed Hamdan Dagalo, bekannter als Hametti, war ein Führer der Janjaweed
und ist jetzt einer der mächtigsten Männer im [6][Souveränen Rat], der
derzeit höchsten Macht im Sudan. Hametti dürfte versuchen, Ermittlungen
gegen sich zu vereiteln, abgesehen davon, dass die anhaltende Gewalt in
Darfur ohnehin Untersuchungen behindert.
„Um Frieden und Gerechtigkeit zu erreichen muss Sudans Übergangsregierung
die Verbrechen der Vergangenheit aufarbeiten“, fordert Arnold Tsunga, der
Direktor des Afrika-Programms der internationalen Juristenkommission.
Frieden sei nicht nur notwendig in Darfur, sondern auch in anderen
Landesteilen wie den südlichen Nubabergen und am Blauen Nil.
## „Es muss sich noch viel ändern“
„Es muss sich noch viel ändern“, sagt die Journalistin Elzahra Ibrahim aus
Khartum, die vor allem über Umwelt- und Frauenthemen für ausländische
Medien schreibt. Als Beispiel nennt sie die erst vor Kurzem abgeschaffte
Kleiderordnung. Die verbot Frauen das Tragen von Hosen und zwang sie, den
Kopf zu bedecken. „Zwar [7][wurden die an der Scharia orientierten
Kleidervorschriften inzwischen abgeschafft], aber es gibt noch immer ein
Gesetz, das Frauen Hosen verbietet“, sagt sie.
Ibrahim hat zwei Kinder und erlebt ständig, wie islamistische Gesetze sie
weiter drangsalieren. Sie ließ sich vom Vater ihrer Kinder scheiden, aber
fürchtet, das er ihr sie wegnehmen kann. Denn ihr bald sieben Jahre alter
Sohn kann ganz legal von ihrem Ex geholt werden.
„Ich kann das zwar gerichtlich versuchen zu verhindern, weil ich auch
finanziell für die Kinder sorgen kann. Aber die Verfassung benachteiligt
Frauen noch immer,“ sagt Ibrahim.
Wie viele Frauen ihrer Generation ist sie kämpferisch. Nicht nur für ihre
Kinder, sondern auch für ihr Land. „Ich hoffe, dass der Sudan ein gutes
Land wird. Vor allem für diejenigen, die dafür gestorben sind.“
26 Dec 2019
## LINKS
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[3] /Sudans-neue-Aussenministerin/!5621154
[4] /Sudans-Ex-Praesident-al-Bashir/!5650525
[5] /Prozess-gegen-Omar-Al-Bashir/!5616233
[6] /Sudan-im-Wandel/!5617403
[7] /Wandel-im-Sudan/!5646910
## AUTOREN
Ilona Eveleens
## TAGS
Sudan
Massenproteste
Demokratisierung
Menschenrechtsverletzungen
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Politische Kunst
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