# taz.de -- Opposition in Aserbaidschan: Entführt und ausgeliefert | |
> Der oppositionelle Aserbaidschaner Elvin Isajew wird in der Ukraine | |
> entführt und nach Baku abgeschoben. Das ist das Werk von Geheimdiensten. | |
Bild: Bei Kritik hört der Spaß auf: Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew | |
KIEW taz | Die Ukraine hat den oppositionellen aserbaidschanischen Blogger | |
Elvin Isajew nach Aserbaidschan abgeschoben. Dort wurde der 39-Jährige | |
sofort in Untersuchungshaft genommen. Das berichten ukrainische, russische | |
und aserbaidschanische Medien am Sonntag. | |
Isajew hatte vor seiner Abschiebung, die bereits am 12. Dezember | |
durchgeführt worden war, mehrere Monate in der Ukraine gelebt. Der Blogger, | |
dessen YouTube-Kanal 21.000 AbonnentInnen hat, ist für seine beißende | |
Kritik [1][an der Korruption in Aserbaidschan] und dessen Herrscher, Ilham | |
Alijew, bekannt. | |
Isajew ist nicht der erste Kritiker der aserbaidschanischen Regierung, der | |
aus dem Ausland entführt wurde. Im Mai 2017 wurde [2][der | |
aserbaidschanische Journalist Afgan Muchtarli], Träger des Pawel | |
Scheremet-Preises, in Tbilisi gekidnappt. Wenig später tauchte er in einem | |
aserbaidschanischen Gefängnis auf und wurde im Januar 2018 zu sechs Jahren | |
verurteilt. | |
Vor seiner Einreise in die Ukraine im September hatte Isajew fast 20 Jahre | |
in Russland gelebt, wo man ihm 2001 die russische Staatsbürgerschaft | |
verliehen hatte. Im August 2019 hatten die aserbaidschanischen Behörden | |
einen Haftbefehl für ihn ausgestellt. Wenig später wurde er in Russland | |
verhaftet. | |
## Vorwurf Terrorrismus | |
Die Vorwürfe sind offiziell nicht bekannt. Gegenüber der Kyiv Post äußerte | |
der aserbaidschanische Oppositionelle Fikret Huseynli, Isajew werde | |
Terrorismus vorgeworfen. Gleichzeitig wurde Isajew ohne Angabe von Gründen | |
die russische Staatsbürgerschaft entzogen. | |
Doch der Europäische Menschengerichtshof (EGMR) verbot am 11. September in | |
einer Eilentscheidung eine Auslieferung nach Aserbaidschan. Isajew wurde | |
aus der Abschiebehaft freigelassen, jedoch von den russischen Behörden | |
aufgefordert, das Land zu verlassen. Wenig später reiste er mit seinem | |
aserbaidschanischen Pass in die Ukraine ein und lebte bei Freunden in Kiew. | |
Am 12. Dezember schlugen Isajews Kiewer Freunde Alarm. Dieser war wie vom | |
Erdboden verschluckt. Dann, am 14. Dezember, erklärte die Pressestelle des | |
aserbaidschanischen Migrationsdienstes, Elvin Isajew sei am 12. Dezember | |
aus der Ukraine nach Aserbaidschan abgeschoben worden, weil er die | |
ukrainischen Aufenthaltsgesetze verletzt habe. | |
Gegenüber der taz berichtet der ukrainische Menschenrechtler und | |
Fernsehmoderator Boris Sacharow, der Isajew beraten hatte, über die näheren | |
Umstände der Abschiebung. „Über meinen Kontakt habe ich erfahren, dass | |
Isajew vom Inlandsgeheimdienst SBU entführt worden ist. Anschließend ist er | |
von den Aserbaidschanern mit einem Diplomatenflugzeug außer Landes gebracht | |
worden“, so Sacharow. | |
## Ohne rechtliche Grundlage | |
Diese Zusammenarbeit von ukrainischem und aserbaidschanischen Geheimdienst | |
sei „ein Verbrechen“, für das jede rechtliche Grundlage fehle, so Sacharow. | |
Er ist sich sicher, dass die ukrainischen Behörden gewusst haben müssen, | |
dass der EGMR Russland die Auslieferung von Isajew verboten habe. Sollte er | |
die Aufenthaltsbestimmungen verletzt haben, hätte man ihn auch in das Land | |
ausweisen können, aus dem er eingereist ist, nämlich Russland. | |
Bis vor seiner Ausreise in die Ukraine hatte Isajew mit seiner Frau und | |
seinen beiden Söhnen, die alle die russische Staatsbürgerschaft besitzen, | |
in St. Petersburg gelebt. Dass er sich in dem Konflikt zwischen der Ukraine | |
und Russland auf die Seite Russlands gestellt hat, dürfte ihm in der | |
Ukraine keine Sympathien einbringen. | |
Unterdessen berichten ukrainische Medien, dass der ukrainische Präsident | |
Wolodimir Selenski in diesen Tagen zu einem Staatsbesuch in Aserbaidschan | |
erwartet wird. | |
16 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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