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# taz.de -- Parlamentswahl in Aserbaidschan: Einsam im Parlament
> Die Regierungspartei des langjährigen Autokraten Ilham Alijew holt die
> absolute Mehrheit. Ein einziger Oppositionspolitiker erringt einen Sitz.
Bild: Wahlplakate in Baku
BERLIN taz | Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in der ölreichen
Südkaukasusrepublik Aserbaidschan hat [1][die Regierungspartei „Neues
Aserbaidschan“ des autokratischen Präsidenten Ilham Alijew] ersten
vorläufigen Ergebnisse zufolge am Sonntag 65 von 125 Sitzen und damit die
absolute Mehrheit geholt. Das teilte die Zentrale Wahlkommission nach
Auszählung von 87 Prozent der Stimmen am Montagmorgen mit.
Alle anderen Mandate gingen an sogenannte unabhängige Kandidaten, die
jedoch allesamt dem Alijew-Lager nahestehen. Mit Erkin Gadirli von der
Partei „Republikanische Alternative“ (ReAl) schaffte [2][lediglich ein
Vertreter der Opposition] den Einzug ins Parlament (Milii Medschlis). Die
Wahlbeteiligung lag, offiziellen Angaben zufolge, bei 47,8 Prozent und
damit um acht Prozentpunkte niedriger als 2015.
Eigentlich hätte die Wahl erst im kommenden November stattfinden sollen. Am
5. Dezember vergangenen Jahres verfügte Alijew, der seit 2003 samt seinem
Familienclan an der Macht ist, jedoch die Auflösung der Volksvertretung und
setzte Neuwahlen an. Angeblich, so lautete die offizielle Begründung, wolle
sich der Dauerherrscher durch eine teilweise Erneuerung der Abgeordneten
die Unterstützung seines Reformkurses sichern. Zuvor waren bereits der
Posten des Ministerpräsidenten neu besetzt und einige Vertreter der
Regierung in der Präsidialverwaltung ausgetauscht worden.
Zu dem Reformversprechen gehörte auch die Ankündigung von Alijews Partei,
die Wahlen im Februar würden frei, fair und demokratisch verlaufen. Glaubt
man dem Befund unabhängiger Wahlbeobachterorganisationen und
oppositioneller Gruppierungen – einige hatten die Abstimmung boykottiert –,
kann davon aber, wie bei allen Abstimmungen seit Alijews Machtantritt,
keine Rede sein.
## An undurchsichtigen Wahlurnen
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sagte
am Montag, dass fundamentale Freiheiten nicht respektiert worden seien.
Bereits während der Wahlkampagne waren zahlreiche Unregelmäßigkeiten
registriert worden. So wurden oppositionelle Kandidaten unter
fadenscheinigen Begründungen gar nicht erst zugelassen. Einige derer, die
antreten durften, gaben zu Protokoll, sie selbst oder ihre Unterstützer
seien massiv bedroht und eingeschüchtert worden.
Gravierende Gesetzesverstöße hätten sich laut unabhängigen Beobachtern am
Wahltag fortgesetzt. So hätten Personen in Wahlverzeichnissen gestanden,
die längst gestorben sein. Wähler hätten in mehreren Wahllokalen gewählt
oder mehrere Stimmzettel auf einmal in die Wahlurnen geworfen. Viele Urnen
seien nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, durchsichtig gewesen.
Auch Beobachter wurden bei ihrer Arbeit offenbar massiv behindert.
Vereinzelt kam es zu tätlichen Angriffen, einigen wurde der Zutritt zu den
Wahllokalen verwehrt. Viele extrainstallierte Videokameras funktionierten
nicht. Als einen der augenscheinlichsten Fälschungsversuche bezeichnete ein
Vertreter der oppositionellen Partei Musavat die künstliche Anhebung der
Wahlbeteiligung. Die habe den ganzen Tag nicht über 20 Prozent gelegen.
„Uns wurde gesagt, die Wahlen würden transparent sein, aber was wir
bekommen haben, sind transparente Fälschungen“, sagte der
Oppositionspolitiker Ali Kerimli [3][dem Onlineportal „Kaukasischer Knoten“
(Kawkazki Uzel)]. Auch Togrul Iskenderli aus der Hauptstadt Baku, der in
seiner Heimatstadt Gandja für die ReAl-Partei angetreten war, ist wütend.
„Alles korrupt, das Ganze war ein einziger Fake“, sagte der 34-Jährige der
taz.
Der Leiter des Bakuer Zentrums für nationales strategisches Denken, Isa
Gambar, ergeht sich in düsteren Prognosen. „Im neuen Parlament wird es
[4][wieder keine Opposition geben]. Die Milii Medschlies wird auch
weiterhin alles widerstandslos abnicken“, sagte er Kawkazki Uzel. „Das wird
die politische Krise in unserem Land weiter verschärfen.“
10 Feb 2020
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-in-Aserbaidschan/!5662247
[2] /Opposition-in-Aserbaidschan/!5646289
[3] https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/345705/
[4] /Pressefreiheit-in-Aserbaidschan/!5575267
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Wahl
Parlamentswahl
Aserbaidschan
Ilham Alijew
Opposition
Aserbaidschan
Dresden
Ukraine
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