# taz.de -- Initiative stellt Forderungen an Senat: Weniger Autos, besserer Ver… | |
> Mobilitäts-AktivistInnen wollen die Zahl privater Autos in Berlin radikal | |
> senken. Die erste Reaktion der Verkehrsverwaltung klingt nicht abgeneigt. | |
Bild: So markiert man anderswo gewonnenen (Park-)Raum: Fahrradbügel in Santiag… | |
Ganz langsam beginnen das Mobilitätsgesetz und die rot-rot-grüne | |
Verkehrspolitik zu wirken: Hier und da entstehen geschützte Radstreifen, | |
mehr Infrastruktur ist in der Pipeline, es gibt viel Geld für neue, | |
klimafreundlichere Fahrzeuge im ÖPNV, [1][auch wenn es bisweilen mit der | |
Auftragsvergabe hapert]. Der sogenannte Umweltverbund – also alle | |
Verkehrsmittel außer privaten Kfz – befindet sich im flachen Steigflug. | |
Der städtischen Mobilitätslobby reicht das nicht. Ein Hauptproblem aus | |
ihrer Sicht: es fehlt an Straßenraum für alle NutzerInnen ohne vier Räder | |
und Verbrennungsmotor. Aus diesem Grund hatten ADFC, Changing Cities, BUND, | |
VCD und andere am Mittwoch zur Vorstellung eines Plans eingeladen, mit dem | |
es „Berliner Straßen für alle“ geben soll. „Wir sind die neue Autolobby… | |
sagte Peter Fuchs von der ebenfalls beteiligten Klimaschutzinitiative | |
PowerShift – natürlich ironisch. Aber es gehe ja nicht darum, Autos | |
komplett von der Straße zu verbannen, der Verkehr müsse nur viel | |
effizienter organisiert werden. | |
Mit sieben Forderungen will das Bündnis die Politik unter Druck setzen. | |
Ganz oben auf der Liste steht ein deutlicher Rückgang privater Kfz. „Wir | |
haben viel zu viele Autos in der Stadt“, so Frank Masurat vom ADFC, „sie | |
werden immer mehr und immer größer.“ Die meisten Verkehrswissenschaftler | |
rieten dazu, den Platz für diese Autos erheblich zu verknappen. Die | |
Erwartung der AktivistInnen ist, dass das den Pkw-Besitz so unattraktiv | |
macht, dass immer mehr HalterInnen davon Abschied nehmen. Masurat: „Wir | |
wollen, dass sich die Anzahl der Autos alle zehn Jahre halbiert.“ | |
Absurderweise könnten im Moment weder der Senat noch die Bezirke exakten | |
Angaben darüber machen, wie viel Straßenraum die herumstehenden Autos | |
belegten, so der ADFC-Mann. „Wir haben das hochgerechnet – es ist | |
viereinhalbmal das Tempelhofer Feld.“ Raum, der frei werden soll für | |
Fahrradinfrastruktur, Bänke zum Verweilen, Cafétische oder Spielplätze. In | |
einer Powerpoint-Präsentation sieht das schon ganz gut aus: heute endlose | |
Reihen Blech, morgen viel Freiraum, Grün und Kinder auf dem Laufrad. | |
Dass ein drastischer Rückbau der Parkplätze zunächst den gegenteiligen | |
Effekt erzeugt – noch mehr und noch chaotischeren Parksuchverkehr als heute | |
–, glaubt man bei „Berliner Straßen für alle“ nicht. „Es gibt schon j… | |
viele private Parkplätze, und die Parkhäuser und Tiefgaragen in der | |
Innenstadt stehen zurzeit oft halb leer“, erklärte Tim Lehmann vom Institut | |
für urbane Mobilität. Auch mit Parkraumbewirtschaftung bekomme man das in | |
den Griff. | |
## „Verbrenner“ raus aus der Innenstadt | |
„Dass man wie in Berlin überall am Straßenrand parkt, ist eher ungewöhnlich | |
für eine Großstadt“, so Lehmann. „Wir wollen Normalität wie in Frankfurt | |
und München.“ Zu den weiteren Forderungen gehört der Stopp des | |
Durchgangsverkehrs in Kiezen, wie es rund um Wrangel- und Bergmannstraße | |
schon angedacht ist, die Umstellung der Regelgeschwindigkeit auf Tempo 30, | |
die Verbannung von Verbrennungsmotoren aus der Innenstadt bis 2030 und der | |
Ausbau von Sharingmodellen. | |
„Carsharing muss aber künftig über Konzessionen gesteuert werden“, so | |
Ragnhild Sørensen, Sprecherin von Changing Cities. „Das Prinzip kann nicht | |
mehr die reine Gewinnorientierung sein, der Markt allein funktioniert hier | |
nicht.“ Denn Stadtrandlagen müssten genauso bedient werden wie die heute | |
schon gut versorgte Innenstadt. | |
Ein Problem, das auch die AktivistInnen sehen, ist, dass das Land in vielen | |
Fällen gar nicht zuständig ist. Das betreffe etwa Tempo 30 als | |
Regelgeschwindigkeit, aber auch die Reduzierung der Parkplätze. Eine | |
Abschaffung von Straßenparkplätzen gehe derzeit nur als konkrete Umwandlung | |
der Fläche etwa zu Radwegen mit der Straßenverkehrsordnung (StVO) konform, | |
so ADFC-Sprecher Nikolas Linck zur taz. Gerade auf Nebenstraßen sei dies | |
aber gar nicht immer sinnvoll. Berlin solle hier mit Bundesratsinitiativen | |
auf eine Änderung des gesetzlichen Rahmens hinarbeiten. | |
In der Verkehrsverwaltung hatte man am Mittwoch ein bemerkenswert offenes | |
Ohr für die Forderungen: „Interessante Ideen und wichtige Impulse aus der | |
Zivilgesellschaft für ein modernes Berlin!“, twitterte Senatorin Regine | |
Günther (Grüne) „Lassen Sie/lasst uns im Gespräch darüber bleiben.“ Ihr | |
Sprecher Jan Thomsen bekräftigte, dass sich die Verwaltung mit den | |
Vorschlägen „intensiv beschäftigen“ werde: „Es geht um eine Stadt, die … | |
Menschen geplant und gebaut wird, nicht für den Autoverkehr.“ | |
Thomsen wies darauf hin, dass der Straßenraum schon jetzt neu aufgeteilt | |
werde, etwa durch „Protected Bike Lanes“ oder die geplante Umwandlung von | |
Kfz-Stellplätzen in solche für E-Scooter oder Fahrräder. Bei der | |
Parkraumbewirtschaftung strebe man zunächst eine Ausweitung auf 75 Prozent | |
der Innenstadt an. Das in der Koalitionsvereinbarung festgehaltene Ziel – | |
100 Prozent bis 2021 – wird damit freilich verfehlt. | |
20 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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