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# taz.de -- Prozess um Hausprojekt Liebig 34: Cis-Männer und ein Abendbier
> Dank strategischer Störungen endete der Prozess um das Berliner
> Hausprojekt Liebig 34 am Freitag nicht. Er wird im Dezember fortgesetzt.
Bild: Bei einer Demo für das Friedrichshainer Hausprojekt im September 2018
Mit hochrotem Gesicht versucht der Eigentümervertreter, sich wieder zu
fassen, nachdem zwei Frauen mit bloßen Oberkörpern auf ihn zugesprungen und
schließlich von der Gerichtsjustiz aus dem Raum gezerrt worden waren. Auch
weitere Aktivist*innen, die die Femen-Aktion mit „Liebig bleibt!“-Rufen
begleitet hatten, wurden über Stühle hinweg aus dem Raum gezerrt. Dann soll
auch der Rest der Öffentlichkeit den Saal verlassen.
Es war nicht die erste strategische Störung des Prozesses über eine
Räumungsklage gegen die Bewohner*innen des queerfeministischen Hausprojekts
Liebig34 in Friedrichshain, der am Freitag im Landgericht Tegeler Weg
entschieden werden sollte. Geklagt hatte der Hauseigentümer Gijora Padovicz
beziehungsweise seine Siganadia Grundbesitz GmbH & Co. KG. Ein zehnjähriger
Pachtvertrag mit der Bewohner*innenschaft war 2018 ausgelaufen.
Schon der Beginn der Verhandlung verzögerte sich, denn der Bereich um das
Landgericht musste zuvor vorübergehend gesperrt werden, da vor dem Eingang
ein verdächtiger Gegenstand gefunden worden war. Das Portal wiederum war
mit dem Schriftzug „L34“ besprüht worden. Schon vor Prozessbeginn hatten
sich etwa 60 Liebig-Bewohner*innen und Unterstützer*innen zu einer
Kundgebung versammelt. „Potse, Syndi, Liebig bleibt! – One struggle, one
fight!“, skandierten sie.
„Das Schlimmste wäre“, sagt eine Bewohnerin der taz am Rande der
Kundgebung, „wenn heute schon direkt das Urteil da wäre.“ Ihre
Mitbewohnerin erklärt, dass kaum eine der 35 Personen, die in der Liebig
leben, wüsste, was sie nach einer Räumung tun würde. „Erst mal kämpfen wir
weiter“, sagt sie.
## Im Rollstuhl aus dem Raum
Nur etwa zehn der Liebiger*innen bekommen schließlich neben der Presse
einen Platz im Gerichtssaal. Bevor sich dort zwei von ihnen entblößen,
wurde die Verhandlung durch eine Bewohnerin unterbrochen, die von ihrem
Stuhl auf den Fußboden sank, während Mitbewohner*innen um Hilfe riefen.
Sanitäter brachten sie in einem Rollstuhl aus dem Raum.
Nicht nur die Justiz- und Polizeibeamt*innen, auch einige
Journalist*innen hatten Mühe, angesichts der Strategien der
Liebiger*innen Professionalität zu wahren. Ein zeitweilig überforderter
und gewalttätiger Justizwachtmeister erklärte, er habe sich nach dieser
Anstrengung ein Bier am Abend verdient. Eine B.Z.-Journalistin kommentierte
die Erscheinung der Aktivst*innen abfällig damit, ihr Sohn habe sie erst
„aufklären müssen, was ein Cis-Mann ist“.
Ganz souverän hingegen luden nach Abbruch der Verhandlung die
Liebiger*innen zu einem Brunch in die 34 ein, ihr Rechtsanwalt Moritz
Heusinger kündigte eine Erklärung für den Freitagnachmittag an.
Ebenfalls am Nachmittag sagte ein Gerichtssprecher, der Prozess werde am
13. Dezember fortgesetzt. Das habe der Richter entschieden.
15 Nov 2019
## AUTOREN
Stefan Hunglinger
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Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
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Polizei Berlin
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