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# taz.de -- Linkes Hausprojekt in Berlin: Prozess um Liebig34 vertagt
> Der Richter verwende keine geschlechtergerechte Sprache, deshalb lehnt
> ihn der Vereins-Anwahlt als befangen ab. Ein Urteil könnte am 30. April
> fallen.
Bild: Liebig-DemonstrantInnen protestieren mit Konfetti am Donnerstag im Abgeor…
Berlin taz | Der Prozess um die Räumungsklage gegen die BewohnerInnen des
selbst erklärten anarcha-queer-feministischen Hausprojekts „[1][Liebig 34]“
in Friedrichshain wurde am Donnerstagmorgen fortgeführt. Der Eigentümer,
Gijora Padovicz, hatte dem Verein 2018 gekündigt, das Eckhaus ist seitdem
besetzt. Ein Urteil gab es am Donnerstag nicht, dafür etwas Aufschub und
Jubelrufe nach der Verhandlung.
Ein Großaufgebot der Polizei hatte die Turmstraße vor dem Gericht
abgesperrt. Gerechnet wurde mit viel Randale, nachdem es im November zu
[2][Störungen beim Prozess] gekommen war: Zwei Frauen mit nacktem
Oberkörper waren damals auf den Eigentümervertreter zugesprungen. Sie
wurden unter „Liebig bleibt“-Rufen anderer AktivistInnen über Stühle hina…
aus dem Saal gezerrt, alle ZuhörerInnen mussten den Saal verlassen.
Diesmal gab es im Vorfeld der aktuellen Verhandlung bereits Eskalationen,
wie Gerichtssprecherin Lisa Jani sagte. Es habe einen Anschlag auf das Auto
von Padovicz’ Anwalt in der Nacht zum Donnerstag gegeben. Die Scheiben
seien eingeschlagen worden, auf dem Kindersitz befand sich Buttersäure, und
die Motorhaube sei in pinkfarbenen Buchstaben mit „Liebig 34 stays“
besprüht worden.
Einige Tage zuvor waren die Geschäftsräume des Anwalts angegriffen worden.
Auch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg wurde
am Mittwochabend unter Ausschuss der Öffentlichkeit nach einer Stunde
abgebrochen – aus Angst vor Randale einer angekündigten
Pro-Liebig34-Demonstration. Bekennerschreiben zu beiden Angriffen wurden
auf dem linken Szeneportal Indymedia veröffentlicht.
Im Hochsicherheitssaal sitzen an diesem Donnerstag nur rund zehn Personen
im Publikum, was auch damit zusammenhängt, dass umfangreiche Kontrollen
beim Einlass gemacht werden. „Ich geh doch da nicht rein“, sagte eine
Teilnehmerin der Liebig34-Kundgebung vor dem Gericht zur taz; bei den
Kontrollen würden Personalien kopiert. „Wir sind hier draußen laut“, sagte
sie. Ein Transporter mit Musikboxen und „Ihr habt die Stadt
verkauft“-Banner stehen hinter ihr.
Der Richter begrüßt zum Prozessbeginn zuerst die ZuschauerInnen. Er würde
niemandem misstrauen, müsse aber darauf hinweisen, dass bei einer Störung
das Publikum erneut den Saal verlassen müsse. Von außen dröhnt laute Musik
der Demonstration. Der Anwalt des Liebig34-Vereins, Moritz Heusinger,
reicht einen Befangenheitsantrag ein.
Der Grund für das Misstrauen in den Richter: Er habe in den Schriftsätzen
nur das generische Maskulin benutzt. Es handele sich bei den Beklagten aber
um einen Verein, an dem cis-Männer erkennbar nicht teilnehmen dürften.
„Diese altmodische Sprache und das Verwenden der maskulinen Formen
verletzen Gleichberechtigungsrechte“, so Heusinger. Und greife damit auch
den Kern des Vereins an, der für feministische und queere Menschen stehe.
Heusinger nimmt daraufhin im Publikum Platz. Die Güteverhandlung ist
gescheitert, die Gegenseite reicht einen Versäumnisantrag ein. Obwohl die
insgesamt drei zuständigen Richter die Verhandlung fortführen wollen, kommt
es nach kurzer Beratung doch zu einer Vertagung des Prozesses. Ob der
Richter befangen sei, muss nun die Kammer entscheiden.
Am 30. April geht es weiter, dann könnte auch ein Urteil fallen – einen Tag
vor dem 1. Mai, an dem jedes Jahr linke Großdemos inklusive der sogenannten
Revolutionären 1. Mai-Demo stattfinden.
Draußen verkündet eine Demo-Teilnehmerin per Mikro die Vertagung. Die Menge
jubelt, einige fallen sich in die Arme. Aus den Boxen dröhnt „Gangster’s
Paradise“. Kurz darauf verlesen zwei Sprecherinnen der Liebig34 eine
Erklärung: Berlin werde ausverkauft unter dem rot-rot-grünen Senat. Die
Liebig34 werde permanent bedroht und sei kein „safe space“ mehr. „Wir als
Liebig34 haben nichts mehr zu verlieren und werden unser Haus bis zuletzt
verteidigen.“
Ob es im April zu einer Räumung kommen könnte, ist unklar. „Auf Zeit
spielen wir nicht“, sagte Anwalt Heusinger. Gegen ein Versäumnisurteil
würde Einspruch eingelegt werden.
30 Jan 2020
## LINKS
[1] http://liebig34.blogsport.de/
[2] /Prozess-um-Hausprojekt-Liebig-34/!5638468/
## AUTOREN
Laura Binder
## TAGS
Räumungsklage
Enteignung
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