# taz.de -- Harmonischer Wahlkampf in München: Und alle sind für Willy | |
> Nur noch noch sechs Kandidatenteams sind übrig und die Basis hat das | |
> Wort. Die SPD hat in Eintracht ihren Wahlkampf um ihre Vorsitzenden | |
> beendet. | |
Bild: Die Regionalkonferenzen sind beendet – der Ball liegt nun in ihrem Feld | |
MÜNCHEN taz | „Tja, das ist jetzt euer Problem“, sagte Lars Klingbeil am | |
Ende. Man hatte den Eindruck, als sei der Generalsekretär der SPD | |
tatsächlich froh, dass die amtierende Parteiführung diesmal nicht für die | |
nun kommende Entscheidung in Haftung genommen werden kann. „Der Ball liegt | |
nun bei euch“, rief Klingbeil in den Saal des Münchner Löwenbräukellers und | |
ließ von den [1][Kandidaten um den SPD-Vorsitz] symbolisch sieben riesige | |
weiße Luftballons ins Publikum werfen. Rund tausend bayerische Genossen | |
saßen hier stellvertretend für die Basis der SPD, um die Kandidatenteams | |
für den Parteivorsitz kennenzulernen. | |
Begonnen hat die 23. und letzte der [2][regionalen Vorstellungsrunden] zwar | |
nicht gerade mit einem Paukenschlag, aber doch einer gewissen Überraschung | |
in diesem späten Stadium des Schaulaufens: Eines der sieben Teams, die sich | |
um die Nachfolge von Andrea Nahles im Parteivorsitz beworben hatten, | |
verabschiedete sich aus dem Rennen. Die Bundestagsabgeordnete Hilde | |
Mattheis und der ver.di-Chefökonom Dierk Hirschel zogen ihre Kandidatur | |
zurück – in der Hoffnung, es damit einem der anderen „linken Teams“ | |
leichter zu machen. | |
Zum Beispiel dem aus der Bundestagsabgeordneten [3][Saskia Esken und dem | |
ehemaligen NRW-Finanzminister] Norbert Walter-Borjans bestehenden Gespann. | |
Borjans – das ist der, der die Steuer-CDs aufgekauft hat – äußerte denn | |
auch zum wiederholten Mal die Befürchtung, die Partei könne in der GroKo – | |
vom Kompromiss kompromittiert – in die „neoliberale Pampa“ verschleppt | |
werden. | |
Die Teams gaben sich leidenschaftlich und schlugen sich tapfer, wobei: Von | |
Schlagen konnte nicht wirklich die Rede sein. Vielmehr war allen auf dem | |
Podium sichtlich daran gelegen zu zeigen, wie wichtig ihnen der | |
Zusammenhalt der Partei, der fairen Umgang miteinander ist. Fast konnte man | |
fürchten, nun werde bald einer der Anwärter der CSU den Terminus der | |
„legendären Geschlossenheit“ streitig machen. | |
## Kein Pakt mit „rechten Idioten“ | |
So weit kam es nicht; stattdessen beschwor man – auch hier in | |
demonstrativer Eintracht – den Kampf gegen den Rechtsextremismus. Michael | |
Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, der mit Christina Kampmann, | |
Nordrhein-Westfalens ehemaliger Familienministerin, antritt, bezeichnete | |
die SPD als „das älteste Bündnis gegen Rechts“. | |
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sprach von der „größten Gefahr | |
seit dem Zweiten Weltkrieg“ und forderte: „Die wehrhafte Demokratie muss | |
jetzt ihre Zähne zeigen“. Und Ralf Stegner empfahl, den Populisten die | |
einfachen Inhalte zu überlassen, aber nicht die einfache Sprache. Und: „Wir | |
paktieren niemals mit diesen rechten Idioten.“ | |
Dann durften die Genossen im Saal noch die eine oder andere Frage an die | |
Kandidaten loswerden. Dabei erfuhren sie etwa, dass die brandenburgische | |
Abgeordnete Klara Geywitz und Partnerin von Olaf Scholz nicht möchte, dass | |
ihre drei Kinder „legal kiffen“. Dass [4][Gesine Schwan] nach einer | |
gewonnenen Wahl die Mitbewerber erst mal zum Abendessen einlädt. Und warum | |
Ralf Stegner zum Bedauern der Genossin, die neben ihm saß, so selten gehört | |
werde. Mangelnde Lautstärke werde ihm zwar selten unterstellt, gab Stegner | |
sich überrascht, in der Tat sei er aber einer, der auch immer mal wieder | |
mit Überzeugung Minderheitenmeinungen in der Partei vertrete. | |
## „Willy Brandt hätte das niemals mitgemacht“ | |
Immer wieder nahmen die Kandidatenteams Anleihe bei einem der Männer, die | |
sie im Amt beerben wollen. Nein, nicht bei einem jener Ex-Vorsitzenden, von | |
denen man schon genug habe und die „uns immer wieder das Leben schwer | |
machen“, wie Kampmann beklagte, sondern bei [5][Willy Brandt]. | |
So wies Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf eine Entfremdung zwischen | |
SPD und Jugend hin. Es könne nicht sein, dass die jungen Leute gegen und | |
nicht mit der SPD auf die Straße gingen. „Willy Brandt hätte das niemals | |
mitgemacht.“ Kampmann erinnerte daran, dass schon Brandt den blauen Himmel | |
über der Ruhr gefordert habe, und Pistorius daran, dass er „ohne das | |
Schüler-BaföG von Willy Brandt“ niemals hätte Abitur machen können. | |
Brandt könnte den Aspiranten auf seine Nachfolge freilich auch in anderer | |
Hinsicht als Vorbild dienen. Schließlich hatte kein anderer das Amt so | |
lange inne wie er: 23 Jahre lang war er Parteichef. Und man trete ja an, | |
„um zu bleiben“, gab Kampmann zu. | |
## Gretchenfrage GroKo | |
Die Gretchenfrage, die für manchen Genossen vielleicht auch | |
wahlentscheidend sein dürfte, blieb letztlich: Wie halten es die Kandidaten | |
[6][mit der Großen Koalition]? Während sich Lauterbach und seine Partnerin, | |
die Umweltpolitikerin Nina Scheer, sowie das Team Esken-Borjans in dieser | |
Frage eindeutig – nämlich gegen die Fortsetzung der Koalition – | |
positioniert haben, vermieden die anderen Kandidaten eine klare Absage, | |
verwiesen etwa wie Scholz auf den Parteitag im Dezember, auf dem ja ohnehin | |
Zwischenbilanz gezogen werden soll. | |
Auf diesem Parteitag werden dann auch die neuen Vorsitzenden gekürt. Vom | |
14. bis 25. Oktober können nun die rund 425.000 Parteimitglieder ihre | |
Stimme abgeben – online oder per Briefwahl. Es gilt als wahrscheinlich, | |
dass es im November dann noch eine Stichwahl gibt. Bevor sie selbst sich | |
heute aus dem Rennen verabschiedete, rief Hilde Mattheis ihren | |
Parteifreunden noch zu: „Nehmt diese Chance wahr, es könnte unsere letzte | |
sein!“ | |
12 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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