| # taz.de -- Flüchtlingsverteilung in Europa: EU-Ministertreffen ohne Ergebnis | |
| > Die EU-Staaten sind nach wie vor uneins in der Frage der | |
| > Flüchtlingsverteilung. Daran hat auch das Treffen in Luxemburg wenig | |
| > geändert. | |
| Bild: Migrantinnen warten auf einem Rettungsboot in Malaga, Spanien | |
| Berlin taz | Die EU-Innenminister haben sich auf einem Treffen in Luxemburg | |
| am Dienstag nicht auf einen Modus zur Verteilung von Flüchtlingen einigen | |
| können, die vor Libyen aus Seenot gerettet werden. „Wir haben die Bitte | |
| erhalten, dass sich so viele Staaten wie möglich an dem Mechanismus | |
| beteiligen“, sagte die Vorsitzende des Gremiums, Finnlands Innenministerin | |
| Maria Ohisalo. Doch nachkommen mochte dieser Bitte vorerst niemand. | |
| Deutschland, Frankreich, Italien und Malta hatten am 23. September einen | |
| [1][„Solidaritätsmechanismus“ ausgehandelt]. Der sieht vor, dass eine | |
| Gruppe von EU-Staaten sich für sechs Monate bereit erklärt, Italien und | |
| Malta aus Seenot gerettete Bootsflüchtlinge abzunehmen. Damit soll | |
| verhindert werden, dass Rettungsschiffe mit Flüchtlingen weiter tage- oder | |
| wochenlang auf hoher See ausharren müssen, bis die Verteilung der | |
| Geretteten geklärt ist. Die Vereinbarung sollte allerdings ausdrücklich | |
| nicht für die Ägäis und Spanien gelten, wo derzeit viel mehr Flüchtlinge | |
| ankommen als in Italien und Malta. | |
| Der Plan geht auf eine Initiative des deutschen Innenminister Horst | |
| Seehofer (CSU) zurück, der signalisiert hatte, dass Deutschland gemäß | |
| seinem Anteil an der EU-Wirtschaftsleistung [2][22 Prozent der Ankommenden] | |
| für ein mögliches Asylverfahren ins Land lassen könne. Auf dem Treffen am | |
| Dienstag sollten dann andere EU-Staaten auf freiwilliger Basis ihre | |
| Teilnahme zusichern. | |
| „Wir haben eine Reihe von Ländern, die bisher schon mitgemacht haben und | |
| wohl auch künftig mitmachen, wie Luxemburg, Irland, Portugal; Litauen hat | |
| sich auch sehr positiv eingelassen“, sagte Seehofer nach den Verhandlungen. | |
| Eine weitere Gruppe von Ländern wolle sich zunächst über die „technische | |
| Umsetzung“ der Malta-Vereinbarung informieren, was am kommenden Freitag | |
| geschehen solle. Eine dritte Gruppe schließlich halte die Vereinbarung für | |
| gut, habe aber wie beispielsweise Spanien selbst so großen Migrationsdruck, | |
| dass sie nicht mitmachen könne. | |
| ## Erst die Teilnehmer, dann die Quote | |
| Seehofer zufolge kämen zu den vier Staaten der Malta-Vereinbarung | |
| potenziell noch rund ein weiteres Dutzend hinzu. „Ich kann Ihnen aber jetzt | |
| nicht sagen, dass am Schluss auch zwölf mitmachen.“ Deutschland, | |
| Frankreich, Italien und Malta fühlten sich dessen ungeachtet an ihre | |
| Vereinbarung gebunden. Wenn also ein neues Schiff mit aus Seenot Geretteten | |
| auftaucht, würde mit ihnen nach dieser Vereinbarung verfahren, kündigte | |
| Seehofer an. Die Kritik aus Deutschland an seinem Vorstoß sei angesichts | |
| der niedrigen Ankunftszahlen „eigentlich beschämend“, sagte er. | |
| Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn stellte eine Beteiligung in | |
| Aussicht. Auf eine feste Verteilungsquote wollte er sich aber nicht | |
| einlassen: „Erst müssen wir wissen, wie viele Staaten bereit sind zu | |
| helfen“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. | |
| „Danach können wir über die Verteilungsquote reden. Je mehr Länder | |
| mitmachen, desto weniger Menschen müssen pro Staat aufgenommen werden.“ | |
| Einige Länder wie Ungarn und Polen wollen keine Menschen aufnehmen. Andere | |
| Länder lehnen ab, dass – wie in Malta vereinbart – auch Migranten verteilt | |
| werden sollen, die keine Aussicht auf Asyl haben. Dies betrifft einen | |
| großen Teil der Menschen etwa aus Tunesien. | |
| ## Die eigene Situation ist aus dem Blick geraten | |
| Kritik übte Österreichs Innenminister Wolfgang Peschorn. Er deutete in | |
| Luxemburg an, dass der Notfallmechanismus von bisherigen EU-Beschlüssen | |
| abweiche. Eigentlich habe man in Europa festgelegt, dass es geordnete | |
| Asylverfahren geben, die Außengrenzen geschützt und illegale Schlepperei | |
| bekämpft statt belohnt werden sollte, sagte Peschorn. | |
| Griechenland, Zypern und Bulgarien zeigten sich unzufrieden, dass durch die | |
| Debatte ihre eigene Situation aus dem Blick geraten sei. „Die östliche | |
| Mittelmeer-Route wurde nicht angemessen angegangen“, heißt es in einem am | |
| Dienstag veröffentlichten Papier der drei Staaten. Angesichts der viel | |
| höheren Zahl der Ankünfte über die östliche Mittelmeer-Route solle die | |
| Aufmerksamkeit sich deshalb wieder dem Osten zuwenden. Die drei Staaten | |
| wollen einen „wirksamen Umverteilungsmechanismus“ für Ersteinreiseländer | |
| „auf allen Migrationsrouten“, einen EU-Mechanismus für Rückführungen und | |
| mehr Geld. | |
| Die Seenotrettungs-NGOs zeigten sich am Dienstag enttäuscht darüber, dass | |
| es zu keiner Einigung gekommen ist. „Wo sollen wir die geretteten Menschen | |
| beim nächsten Einsatz in Sicherheit bringen?“, fragte der Geschäftsführer | |
| von SOS Mediterranee Deutschland, David Starke. Eine Lösung, damit aus | |
| Seenot gerettete Personen zeitnah an einem sicheren Ort an Land gehen | |
| können, so wie es das internationale Seerecht vorschreibt, sei längst | |
| überfällig, „um die menschenunwürdigen Hängepartien für gerettete Person… | |
| und die Blockade ziviler Seenotrettung endlich zu beenden“, so Starke. | |
| ## „Schritt in die richtige Richtung“ | |
| Die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg nannte die Ergebnisse des Treffens | |
| einen „Schritt in die richtige Richtung“. Ähnlich sehen es die | |
| SPD-Abgeordneten Eva Högl und Achim Post in einer gemeinsamen | |
| Stellungnahme. „Allen Schwierigkeiten zum Trotz ist es wichtig, jetzt | |
| weiter im Gespräch mit den europäischen Partnern zu bleiben“, heißt es | |
| darin. Seehofer habe dafür ihre volle Unterstützung. | |
| Sollte es in den kommenden Wochen nicht gelingen, den Unterstützerkreis der | |
| Initiative zu erweitern, sollten notfalls die vier fortschrittswilligen | |
| Staaten gemeinsam vorangehen und einen Verteilmechanismus etablieren. | |
| Darüber hinaus gilt müsse auch für die unhaltbaren Zustände in den | |
| griechischen Flüchtlingscamps kurzfristig eine Lösung gefunden werden. | |
| 9 Oct 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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