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# taz.de -- Brandenburger Piraten-Politiker klagt: Kennzeichen auf Vorrat gesca…
> Brandenburg speichert dauerhaft die Nummernschilder von Autos auf Straßen
> – von jedem. Ein Politiker der Piratenpartei klagt dagegen.
Bild: Wichtig: Wenn das Lämpchen rot leuchtet, filmt die Kamera
Freiburg taz | Wohl nur im Bundesland Brandenburg werden alle Daten aus der
Kfz-Kennzeichen-Fahndung jahrelang gespeichert. Dadurch entsteht ein
riesiger Datenpool, mit dem Bewegungsbilder angefertigt werden können. Der
Piraten-Politiker Marko Tittel hat nun eine Verfassungsbeschwerde erhoben.
Bei der Kfz-Kennzeichen-Fahndung [1][scannt eine Kamera die
Nummernschilder] aller vorbeifahrenden Autos ein und gleicht sie mit
Fahndungsdateien ab. Acht Bundesländer praktizieren derzeit diese
Kennzeichen-Fahndung: Brandenburg, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen,
MeckPomm, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen.
Die Nummernschilder der Autos, nach denen nicht gefahndet wird, müssen
sofort gelöscht werden. So steht es ausdrücklich [2][im Brandenburger
Polizeigesetz]. Dass die Praxis ganz anders ist, stellte sich erst im März
dieses Jahres heraus – im Fall der vermissten 15-Jährigen Rebecca aus
Berlin-Britz.
Mithilfe des Brandenburger Kennzeichen-Überwachungssystems Kesy stellte die
Polizei fest, dass das Auto des unter Mordverdacht stehenden Schwagers von
Rebecca am Tag ihres Verschwindens „auf der Bundesautobahn 12 zwischen
Berlin und Frankfurt (Oder)“ unterwegs war. Alle fragten sich: Wie kam die
Polizei an diese Daten? Wurde nach dem Schwager bereits zuvor aus anderen
Gründen gefahndet?
## Verbrecher, die die Autos wechseln
Es stellte sich aber heraus, dass in Brandenburg seit 2017 alle gescannten
Kennzeichen mit Zeit und Ort der Erfassung langfristig gespeichert werden.
Die gesetzlich vorgesehene Löschung der Nummernschilder, nach denen nicht
gefahndet wird, findet nicht statt. Pro Tag kommen so rund 55.000 neue
Daten hinzu. Insgesamt dürfte der Datenpool mehr als 40 Millionen
Nummernschild-Erfassungen enthalten.
Die brandenburgische Landesregierung begründet dies mit gerichtlichen
Beschlüssen zur „längerfristigen Observation“ von einzelnen Personen.
Hierfür könne auch Kesy benutzt werden. Eigentlich würde es hierfür zwar
genügen, wenn nur das Vorbeifahren der entsprechenden Fahrzeuge gespeichert
würde. Doch nun kommt der Trick: Weil die Verdächtigen „wechselnde
Tatfahrzeuge“ benutzen könnten, müsse die Polizei alle Daten aller
Autofahrer vorsorglich für längere Zeit speichern.
Nur so könne man die Fahrbewegungen von Tatfahrzeugen auswerten, von denen
die Polizei erst später erfährt, ist die Argumentation. Die Daten könnten
erst dann gelöscht werden, wenn sie für keine einzige Observation mehr
gebraucht werden. 2018 gab es parallel 95 Anordnungen der langfristigen
Observation.
Es ist [3][eine klassische Vorratsdatenspeicherung]. Die Daten der gesamten
Bevölkerung werden vorsorglich erfasst für den Fall, dass die Polizei sie
später brauchen kann. Brandenburg bestreitet jedoch, dass hier „anlasslos“
Daten gespeichert werden. Denn es gebe ja konkrete Observationen als
Anlass. Der Datenpool kann dann allerdings auch für Ermittlungen in anderen
Fällen genutzt werden, etwa bei der Suche nach Rebecca. Diese eigenwillige
und flächendeckende Vorratspraxis gibt es wohl nur im rot-rot regierten
Brandenburg.
Der Kläger Marko Tittel ist Verkäufer in einem Bioladen und fährt
regelmäßig über Straßen, die mit Kesy überwacht werden. Deshalb klagte er
gegen die aus seiner Sicht unverhältnismäßige und damit verfassungswidrige
Brandenburger Speicherpraxis. Doch sowohl das Amtsgericht als auch das
Landgericht in Frankfurt (Oder) lehnten seine Klage als unzulässig ab. Er
sei nicht „Zielperson“ der Kfz-Kennzeichen-Fahndung, sondern nur „zufäll…
miterfasst“. Tittel will aber überhaupt nicht erfasst werden. Er hat
deshalb nun das Brandenburger Landesverfassungsgericht in Potsdam
eingeschaltet.
8 Aug 2019
## LINKS
[1] /Scannen-von-Nummernschildern/!5567528
[2] /Polizeiaufgabengesetz-in-Brandenburg/!5567795
[3] https://blogs.taz.de/bewegung/2019/06/01/eu-will-ueber-neue-vorratsdatenspe…
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Piratenpartei
Brandenburg
Polizei
Vorratsdatenspeicherung
Deliveroo
Militär
Lesestück Recherche und Reportage
Polizei
Bundesverfassungsgericht
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