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# taz.de -- Facebook und Twitter sperren Accounts: Kein Like für China
> Soziale Medien tun sich schwer damit, Fake News und Hassbotschaften zu
> moderieren. In Hongkong scheint aber westliche Staatsräson zu greifen.
Bild: Das Telefon ist auch in Hongkong immer dabei
Dass Facebook und Twitter stark überhitzte Gerüchteküchen und
Brandbeschleuniger hasserfüllter Rhetorik sind, ist keine Neuigkeit.
Trollarmeen, die für Brexit und Trump mobilisierten, beschäftigen
Untersuchungsausschüsse und bleiben weiterhin aktiv: eine seltsame Mischung
aus menschlichem Hass und dessen algorithmischer Amplifizierung.
Rassismus und Sexismus sind in den sozialen Netzwerken Teil der Folklore.
Moderation und Kontrolle sind kaum gegeben. Wer jemals einen Hasspost zu
melden versucht hat, kann die programmierte Gleichgültigkeit der
Plattformen bezeugen.
Umso bemerkenswerter erscheint die in der Nacht auf Dienstag gemeldete
[1][Sperrung unzähliger Propaganda-Accounts aus China], die Lügen und
Verzerrungen über die Proteste in Hongkong verbreitet haben sollen. Der
Versuch der Einflussnahme auf Debatten im Netz ist in China wie im Rest der
Welt ein Mittel strategischer Kommunikation für jegliche politische
Interessenlage. So wie im Kalten Krieg Radio- und Fernsehsender bis tief in
die jeweils gegnerischen Einflusssphären abstrahlten, sind inzwischen die
noch sehr viel intimeren Zugriff bietenden Netzmedien wesentlicher Teil des
Werkzeugkastens staatlicher Propaganda.
Dass sich die in den USA basierten Plattformen Twitter und Facebook gegen
diesen mutmaßlichen Missbrauch (der korrekte Gebrauch allerdings ist
schwammig definiert) mit Sperrungen wehren, die ausgerechnet chinesische
Kanäle treffen, kann dabei Indiz für wiederum amerikanische Einflussnahme
sein. Vielleicht fällt es den Plattformen auch einfach leichter, gegen die
dominante Macht eines Marktes vorzugehen, der ihnen ohnehin unzugänglich
bleibt. Twitter und Facebook sind in China seit zehn Jahren verboten, wenn
auch für technisch versierte Nutzer*innen nicht komplett unzugänglich.
## Kommunikation ohne Netz
Für die Menschen in China ist es relativ gleichgültig, welche Propaganda
auf Facebook und Twitter läuft, die bekommen sie frei Haus über Weibo, das
gut überwachte und regulierte chinesische soziale Netzwerk. Etwas anders
sieht es in Hongkong aus. Dort werden die westlichen Plattformen
großflächig genutzt. Die Rezeption chinesischer Propaganda ist da jedoch
wenig durchschlagend.
Die Kommunikation mit unmittelbarem Protestbezug verläuft in Hongkong
ohnehin abseits der sozialen Medien. Wie bei Protesten in anderen Ländern,
egal unter welcher Regierungsform, werden Koordination und Information über
Chatgruppen verbreitet. Allen voran derzeit Telegram. Eine Spezialität der
digitalen Protestvernetzung in Hongkong war schon vor einigen Jahren die
netzunabhängige Verbindung zwischen Mobilgeräten. [2][2014 wurde die App
Firechat verwendet, um Netzsperren zu umgehen] und via Bluetooth und WLAN
Ad-hoc-Netzwerke zu bilden, im Moment sind Sharing-Optionen wie Airdrop auf
iPhones das Mittel der Wahl.
Die so gebildeten Verbindungen sind alles andere als abhörsicher, einen
wirksamen Schutz vor Zensurbestrebungen aber bilden sie allemal. Insofern
ermächtigt die zur Verfügung stehende Technologie Menschen, unmittelbar den
sie betreffenden Informationsfluss zu steuern. Das ist sicher besser als
eine intransparente Moderationsinstanz bei Facebook, die dazu noch
teilweise oder gänzlich maschinell betrieben wird und die nicht zuletzt
deshalb für wiederum neue und vor allem großflächig wirksame Manipulationen
anfälliger ist.
Genau diese Intransparenz der Entscheidungsfindung aber ist notwendige
Bedingung für das Geschäftsmodell von Facebook und Twitter, das keine
Ressourcen für Beschwerden von Nutzer*innen oder gar demokratische
Kontrolle vorsieht. Insofern ist die letztlich willkürliche Sperrung der
Propaganda-Accounts eines willkürlich operierenden autoritären Staates
nicht viel mehr als eine ironische Fußnote.
20 Aug 2019
## LINKS
[1] /Propaganda-nach-Hongkong-Protesten/!5619446
[2] /Dezentrale-Kommunikation-in-Hongkong/!5031918
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Hongkong
China
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Twitter / X
Renate Künast
Fake News
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