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# taz.de -- Ausstellung im Rijksmuseum Amsterdam: Alte Meister, neues Gewand
> Der niederländische Künstler Erwin Olaf wurde bekannt mit Aufnahmen aus
> der queeren Szene. Eine Ausstellung sucht nun nach frühen Einflüssen.
Bild: ​Links: Erwin Olaf, „Porträt Nr. 5“ | rechts: Johannes C.Verspronc…
Das Jahr 2019 ist Erwin-Olaf-Jahr: Zum 60. Geburtstag des niederländischen
Fotokünstlers und Modefotografen zeigt das Amsterdamer Rijksmuseum
gegenwärtig die Ausstellung „12 x Erwin Olaf“.
Olaf hat dem Rijksmuseum 2018 eine Sammlung von insgesamt 500 Abzügen,
Portfolios, Büchern, Postern und Videoarbeiten übereignet. Sein Werk gehört
nun zum visuellen Erbgut der Niederlande. Im Frühjahr haben das Den Haager
Gemeentemuseum und Fotomuseum bereits eine Doppelausstellung gezeigt,
eine große Retrospektive, die mit 328.000 Besuchern die bisher
meistbesuchte Fotoausstellung des Landes war. 2021 wird die Retrospektive
in München zu sehen sein.
In der Schau hängen nun elf Gemälde und eine Zeichnung alter Meister aus
der Sammlung des Rijksmuseum Seite an Seite mit zwölf Arbeiten von Erwin
Olaf – jeweils als Bildpaar im Philips-Flügel des Museums. Kuratiert haben
die Ausstellung der Künstler selbst und Taco Dibbits, der Direktor des
Hauses. Sie haben Analogien gesucht: in der Bildsprache, der Gestik, in
Details.
Ein Selbstporträt Rembrands (vermutlich) aus dem Jahr 1628 hängt neben
Olafs Porträt von „Hennie“ aus einer 1985 entstandenen Serie mit
Damenhüten. Den schönen jungen Mann mit den nackten Schultern ziert ein
extravaganter Frauenhut – eine Fotografie in Schwarz-Weiß. Die vollen
Lippen betont, schaut Hennie den Fotografen interessiert an.
Eine sinnliche Fotografie. Rembrandts Augenpartie dagegen liegt verborgen
im Dunkeln, der Blick ist still, aber jede einzelne Locke seines braunen
Schopfs lebt. Im Alter von ungefähr 12 Jahren sah Erwin Olaf während eines
Schulausflugs Rembrandts Selbstporträt zum ersten Mal, so die Bildlegende.
Nicht so sehr Rembrandts „Nachtwache“, sondern dieses Selbstporträt
berührte den Schüler.
## Newton und Mapplethorpe
Viele Besuche im Rijksmuseum sollten folgen. Die alten Meister des Goldenen
Zeitalters der Niederlande sowie Fotografien von Robert Mapplethorpe und
Helmut Newton bilden die Inspirationsquellen von Olafs visueller Kunst.
Ein anderes Bildpaar: George Hendrik Breitners Ölgemälde „Mädchen in einem
weißen Kimono“ von 1894 kommuniziert mit Olafs Farbaufnahme „Paris – Raum
1134“ aus seiner 2010 entstandenen „Hotel“-Serie. Halb auf einen Divan
gebettet, die dünnen Arme hinter dem Kopf verschränkt, blickt das
Kimonomädchen mit großen Augen im zarten Mädchengesicht ins Leere.
Auch Olafs Model, das mit einer dünnen weißen Wollstrickjacke bekleidet und
im Slip viel makellos helle Haut zeigt, ruht auf einem (Hotel-)Bett. In der
Pose, in den Gesichtern zeigt sich eine Verwandtschaft. Der Fotograf hat
häufig mit Models gearbeitet in freien Arbeiten, in Modefotoshootings.
Breitners Mädchen wäre ein gutes Fotomodell, sagte Olaf zu dem Bild –
Models hätten oft einen leeren Blick.
Erwin Olaf Springveld – so sein bürgerlicher Name – wird 1959 in Hilversum
geboren. Er studiert zunächst Journalismus in Utrecht, ist politisch
interessiert, ein Rebell. Und als Fotograf ein Autodidakt. Olaf, selbst
homosexuell, wird mit Aufnahmen in der queeren Szene bekannt. Er
porträtiert das Nachtleben, nimmt freizügige Selbstporträts auf (wie das
bekannte Bild mit der Ladung Sperma, die Olaf ins Gesicht fliegt).
## Bizarren freie Arbeiten
Er fällt mit bizarren freien Arbeiten auf wie „Chessman“, mit dicken und
starken Frauen, Kleinwüchsigen, Schwangeren, nackt, in einer entfesselten
Bildsprache. Er ist sehr gefragt als internationaler Werbefotograf,
arbeitet für Louis Vuitton, Vogue, Diesel, um nur einige Namen zu nennen.
Er fotografiert „Fashion Victims“; beißend ist sein visueller Kommentar zu
Konsum in pornografischer Pose.
Erwin Olaf wird 2011 mit dem hochdotierten Johannes-Vermeer-Preis
ausgezeichnet. Er designt 2016 die Ausstellung „Catwalk“ für das
Rijksmuseum über Mode im Lauf der Jahrhunderte. Er visualisiert Emotionen
wie tiefe Trauer (die Arbeit „Grief“), Wut und Widerstand (nach dem
Anschlag auf Charlie Hebdo und auf das Bataclan).
Und er bekommt den Auftrag, die 1-Euro-Münze der Niederlande mit dem
Konterfei von König Willem-Alexander zu designen. Die königliche Familie
fotografiert er in flotter Weise. Seine jüngste, 2018 vollendete Trilogie
„Berlin – Shanghai – Palm Springs“ mit vielen Referenzen an die Geschic…
und Gegenwart dieser Städte, ist eine verfeinerte Arbeit, auch sie zeugt
von Olafs Kreativität, blühender Vorstellungskraft und handwerklichem
Perfektionismus.
Wegen seiner Rolle als internationales Vorbild der niederländischen Kunst
und vieler, die Zivilgesellschaft unterstützender Beiträge wurde er
kürzlich an seinem 60. Geburtstag zum Ritter ernannt. Olaf hat ein Leben
lang unbeirrt, unermüdlich und lautstark für Freiheit, Emanzipation und
Gleichberechtigung der LGBTQ-Community gestritten.
Die Bürgermeisterin von Amsterdam, Femke Halsema, die zum festlichen Anlass
überraschend im rosa Hosenanzug erschien, würdigte ihn in einer Rede, um
den Orden dann an seinem Sweatshirt zu befestigen. Donnernder Applaus
hallte durchs Rijksmuseum. Olaf leidet an einer fortschreitenden
Lungenerkrankung, seine körperliche Erschöpfung war deutlich zu sehen. Er
wusste nicht, wie ihm geschah – und strahlte übers ganze Gesicht. Ein
besonderer Moment der Anerkennung, nicht nur für ihn.
## Denkmal für die Mutter
Vergänglichkeit, auch das hat Erwin Olaf beschäftigt, künstlerisch und auch
ganz persönlich. Neben Rembrandt, Breitner und Jan Steen ist auch ein
Stillleben mit Blumen Hans Bollongiers von 1639 vertreten. Das Pendant des
zeitgenössischen Meisters: die Videoinstallation „Life“, die Olaf 2018 in
Erinnerung an seine jüngst verstorbene Mutter schuf.
In seinem Amsterdamer Studio baute er ein Zelt auf, setzte Licht,
fotografierte eine Vase mit Tulpen jede Minute, ganze zehn Tage lang: ein
Kunstwerk in Schwarz-Weiß. „Meine Mutter gab mir so viel Unterstützung und
sie war mir eine Inspirationsquelle“, lautet sein Kommentar dazu. „Life“:
die unzähligen Schattierungen von Grau und Weiß hervorgehoben durchs Dunkel
des Hintergrunds, ein Tulpenstrauß in permanenter Bewegung.
Das Aufblühen, das vollkommen Zur-Blüte-Gelangen, das langsame
Zur-Neige-Gehen. Werden, Vergehen. Der Kreislauf des Lebens. Liebevoll und
reduziert im Kern, faszinierend dargestellt durch Erwin Olaf.
24 Jul 2019
## AUTOREN
Gunda Schwantje
## TAGS
Erwin Olaf
Rijksmuseum Amsterdam
Porträt
Kolumne Großraumdisco
Künstler
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Comic
Mode
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Homophobie
Ausstellung
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