| # taz.de -- Fotoband „Das weiße Pferd“: Rückblick auf Milieu-Fotografen | |
| > Peter Dammann knipste Fotos aus allen Winkeln der Erde. Mit „Das weiße | |
| > Pferd“ veröffentlicht seine Witwe nun eine Retrospektive in Buchform. | |
| Bild: Peter Dammann fotografierte ein Mädchen der El-Sistema-Musikschule in Ve… | |
| Der Fotograf und Reporter Peter Dammann (1950–2015) war keiner, der mal | |
| eben einflog, fotografierte und wieder verschwand. Peter Dammann reiste mit | |
| Zeit im Gepäck und besonderer Aufmerksamkeit für die Menschen, die er | |
| aufsuchte. Er stellte Kontakt her und gab Menschen eine Stimme, um ein | |
| Publikum über harte, manchmal albtraumartige Schicksale zu informieren. | |
| Rumänien, Bulgarien, Russland, Georgien, Indien, Vietnam, Chile, Venezuela, | |
| Palästina waren Stationen, die er (wieder und wieder) aufsuchte. Nun ist | |
| „Das weiße Pferd. Peter Dammann. Fotografien“ erschienen, eine | |
| Retrospektive in Buchform. Seine Witwe, die Schweizer Filmregisseurin | |
| Gabriele Schärer, hat dieses Buch nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes im | |
| Mai 2015 mit Hilfe eines Crowdfunding realisiert. | |
| Die Gewerkschaft Solidarność, Polen: aufmüpfige Arbeiter der Danziger | |
| Lenin-Werft in den 1980er Jahren. Die Bilder zählen zum frühen Werk des | |
| gebürtigen Hamburgers. Damit ist ein Ton gesetzt. Peter Dammann [1][war an | |
| gesellschaftlichen Bedingungen interessiert], an Politik, er hatte ein | |
| Bewusstsein, ein Auge für Ungleichheit, für Unrecht. Mit ersten Geschichten | |
| meldete er sich in der taz-Fotoredaktion, man freute sich auf das | |
| Wiedersehen. Der Austausch mit ihm erweiterte auch den eigenen Horizont. | |
| Bahnhof Bukarest, Rumänien: Zwei Jungen, sie leben seit Jahren dort, | |
| mustern ihn eindringlich. Die junge Haut fleckig und voller Zeichen, ein | |
| harter Zug um den Mund des kleineren. Tief verletzt und wachsam schauen die | |
| Augen. Tapfere kleine Kerle sind es. Sie kennen die Kniffs im | |
| Überlebensdschungel Bahnhof, hüten sich vor der Miliz. | |
| ## Er hatte das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen | |
| Auch auf den Bahnhöfen von Warschau, Sofia, St. Petersburg gewinnt Peter | |
| Dammann das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen. Später besucht er | |
| Straßenkinder in Indien, der Mongolei. Seine Berichterstattung darüber gibt | |
| Menschen zu denken. „In St. Petersburg bewirkte eine in der taz erschienene | |
| Reportage, dass dort ein Obdach entstand“, sagt Gabriele Schärer am | |
| Telefon. Dank Leserin Margarete von der Borch. | |
| Er begab sich in das Schattenreich der Psychiatrie in Rumänien, in St. | |
| Petersburg. In der geschlossenen Männerabteilung von Borsa, Rumänien, | |
| fotografierte er geistig stark eingeschränkte Männer und Schizophrene. | |
| „Wenn man um katastrophale Verhältnisse weiß, muß man tun, was man kann“, | |
| war seine Auffassung. Das spiegelt auch den damaligen Zeitgeist des | |
| Milieus, in dem er sich bewegte, und eine biografische Prägung. | |
| Berufsausbildung als Filmtechniker. Dann studiert er Sozialpädagogik, | |
| arbeitet zehn Jahre als Sozialarbeiter. Während eines Streiks, der von der | |
| Hochschule für Bildende Kunst unterstützt wird, fallen die Puzzlesteine in | |
| ihren Platz. Es folgt ein Studium der „Visuellen Kommunikation, | |
| [2][Schwerpunkt Fotografie]“ an der HFBK Hamburg bei Professor Kilian | |
| Breier. | |
| ## Seine traditionelle Bildsprache, gerne in Schwarz-Weiß | |
| Das erlernte Wissen versetzt ihn in die Lage, einen ganz eigenen Weg | |
| einzuschlagen. Als die Printmedien um die Jahrtausendwende in eine schwere | |
| Krise geraten (die Digitalisierung ordnet den Markt neu), berührt Peter | |
| Dammann das kaum. Er konzipiert Buchprojekte für Hilfsorganisationen, | |
| (kulturelle) Institutionen, arbeitet nun zusammen mit bekannten Autorinnen, | |
| oft mit der Schweizerin Brigitte Hürlimann. Bücher, die einen Effekt haben. | |
| 1996 heiraten Gabriele Schärer und Peter Dammann, sie leben in Hamburg und | |
| Bern. | |
| Heranwachsende aus oft armen Familien, die großes Talent haben: Peter | |
| Dammann fotografiert Boxer, Ballettschüler, Musiker. Einfühlsam die | |
| Aufnahmen, wie etwa die einer australischen Hornistin, die das | |
| palästinensische Mädchen Dalia im Wohnzimmer ihres Elternhauses in | |
| Ramallah, Westjordanland, unterrichtet. Der lebendige, authentische Kontakt | |
| und Austausch ist spürbar, das ist seine Kunst, verfasst in einer | |
| traditionellen Bildsprache, oft in Schwarz-Weiß. | |
| Den Fotografen mit seiner Leica vergessen seine Protagonisten, er ist ihnen | |
| sehr vertraut. Von 2004 bis 2007 dokumentiert Peter Dammann den Aufbau des | |
| palästinensischen Jugendorchesters, eine Initiative der | |
| Barenboim-Said-Stiftung. | |
| In Venezuela fotografiert er Musikschulen von El Sistema. Das symbolische | |
| Foto der stolzen Alexandra entsteht, das Mädchen hält ihre Klarinette fest | |
| – ihr kostbarster Besitz. Im Hintergrund ziert ein Schmetterling eine Wand | |
| voller Schimmelflecken. In Palästina, in Bethlehem, porträtiert er | |
| Patienten des Babyhospitals und die Familien. | |
| Mehrfach wurde Peter Dammann ausgezeichnet, u. a. mit dem World Press Photo | |
| Award, Lead Award. Er veröffentlichte u. a. in mare, Stern, NZZ, war | |
| Mitglied der Agentur Lookat Photos, Zürich, später der Agentur Focus, | |
| Hamburg. Machte Ausstellungen. Als Dozent gab er sein Wissen weiter. | |
| Mit „Das weiße Pferd“ ist es Gabriele Schärer und dem Mitherausgeber | |
| Bernhard Giger gelungen, Peter Dammanns Lebenswerk zu krönen. Klar das | |
| Design, informativ (auch berührend) der Inhalt. Er war in Verbindung mit | |
| Menschen. Förderte Veränderung, ganz konkret. Ein couragierter Mann und | |
| engagierter Fotograf. Mit einer Vision und einem großen Herzen. | |
| 1 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gunda Schwantje | |
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