# taz.de -- Flexible Energiekosten für Verbraucher: Billigerer Strom bei stark… | |
> Auch für Haushaltskunden gibt es jetzt Angebote, bei denen der Strompreis | |
> stündlich variiert. Das lohnt sich aber nicht für jeden. | |
Bild: Windräder sollen in Zukunft auch für Bewegung auf der Stromrechnung sor… | |
Fast zeitgleich haben zwei Stromanbieter einen Tarif für Haushaltskunden | |
entwickelt, der die schwankenden Preise am Spotmarkt der Strombörse direkt | |
an die Verbraucher weitergibt. Damit kann jeder seine Stromrechnung senken, | |
indem er einen Teil seines Verbrauchs zeitlich verschiebt – etwa wenn er | |
sein Elektroauto zu günstigen Zeiten lädt. Die Anbieter des neuen | |
Preismodells kommen beide aus der Branche der erneuerbaren Energien: die | |
Solarfirma Hanwha Q Cells und der Hersteller von Solarwechselrichtern | |
Fronius. | |
Was ist der Gedanke hinter einer solchen Tarifstruktur? | |
Elektrische Energie ist seit der Liberalisierung des Strommarkts Ende der | |
neunziger Jahre und seit der anschließenden Einführung der Strombörse ein | |
Produkt mit schwankendem Wert. Der Preis ergibt sich am Spotmarkt aus | |
Angebot und Nachfrage. Starken Einfluss auf die Preisbildung haben | |
inzwischen Windkraft und Photovoltaik; indem sie das Angebot erhöhen, sinkt | |
in jenen Stunden, in denen viel Wind- oder Solarstrom erzeugt wird, der | |
Börsenpreis. Gibt man diese Preisschwankungen in Echtzeit an die Kunden | |
weiter, erhalten diese einen Anreiz, Strom vor allem dann zu nutzen, wenn | |
er in großer Menge zur Verfügung steht. | |
Wann erfährt der Kunde, wie hoch sein Preis ist? | |
Relevant ist der sogenannte Day-Ahead-Markt. Immer am Mittag eines jeden | |
Tages ermittelt die Börse den Strompreis für jede Stunde des Folgetags. | |
Dieser ergibt sich abhängig von der Höhe des erwarteten Verbrauchs und der | |
prognostizierten Erzeugung aus erneuerbaren Energien. Der Kunde weiß somit | |
gegen 14 Uhr, was die Kilowattstunde am nächsten Tag zu welcher Stunde | |
kosten wird. | |
Wer kann das Angebot nutzen? | |
Jeder, der einen „Smart Meter“ hat. Im Unterschied zu einem klassischen | |
Stromzähler, der stur den Verbrauch über das ganze Jahr aufsummiert, stellt | |
der elektronische Zähler auch fest, wann der Strom verbraucht wird – was | |
Voraussetzung ist für einen variablen Tarif. | |
Wie hoch liegt der Strompreis konkret? | |
Das kommt auf den Standort an, weil die Netzentgelte regional | |
unterschiedlich sind. In Berlin zum Beispiel liegt der Tarif von Q Cells | |
bei 21,4 Cent zuzüglich Börsenpreis. Fronius gibt für Berlin 19,61 Cent | |
plus Börsenpreis an. Dieser lag im Jahr 2018 im Mittel bei 4,44 Cent. | |
Wie sehr schwankt der Strompreis an der Börse? | |
Es gibt erhebliche Ausreißer, mitunter wird der Strompreis sogar negativ. | |
Am Pfingstsamstag zum Beispiel lag der Preis zeitweise bei minus 9 Cent pro | |
Kilowattstunde. Ein Kunde mit flexiblem Tarif hätte in der betreffenden | |
Stunde also nur um die 12 Cent je Kilowattstunde (21 Cent minus 9 Cent) | |
bezahlt. Andererseits sind aber auch Börsenpreise von 10 Cent und mehr | |
möglich; dann bezahlt der Endkunde mehr als 30 Cent. An vielen Tagen | |
schwankt der Preis binnen 24 Stunden allerdings nur um rund 2 Cent je | |
Kilowattstunde; in diesem Fall ist das Einsparpotenzial durch Verschiebung | |
von Verbräuchen entsprechend gering. | |
Für wen bietet sich der Tarif an? | |
Vor allem für Kunden, die hohe Leistungen zeitlich verschieben können. Das | |
sind speziell Besitzer von Elektroautos. Sie profitieren, wenn sie in den | |
billigen Nachtstunden laden, statt in den teureren Stunden am frühen Abend. | |
Bei den erzielbaren Einsparungen muss man jedoch auch gegenrechnen, dass | |
aufgrund des aufwendigeren Stromzählers die monatliche Grundgebühr bei etwa | |
15 statt bei 9 Euro liegt. Diese Mehrkosten lassen sich mit dem variablen | |
Tarif schwer amortisieren. Der Tarif lohnt sich also nur für Kunden, die | |
ohnehin einen „Smart Meter“ haben (beziehungsweise aufgrund gesetzlicher | |
Bestimmungen bald haben müssen). | |
Was ist der größte Vorteil des Tarifs? | |
Die monatliche Abrechnung. Der Kunde erhält jeden Monat eine exakte | |
Übersicht über seinen Verbrauch – die Zeit von jährlichen | |
Stromnachzahlungen ist damit vorbei. Da man nun unmittelbar sieht, wie | |
sparsam man gewirtschaftet hat, kann das Modell den Kunden helfen, ihren | |
Verbrauch zu reduzieren. Dadurch dürfte die Stromrechnung in vielen Fällen | |
sogar stärker entlastet werden als durch die Verschiebung von Verbräuchen. | |
29 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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