| # taz.de -- Wegen steigender CO2-Kosten: Strom wird wieder teurer | |
| > Zum Jahreswechsel steigt der Strompreis. Doch bezogen auf die Kaufkraft | |
| > zahlen Deutsche weiterhin weniger als die meisten anderen Europäer. | |
| Bild: Verursacht ab Januar wieder höhere Kosten: Strom | |
| Zum Jahreswechsel wird Strom wieder teurer. Nachdem viele Versorger ihre | |
| Preise für Haushaltskunden über mehrere Jahre konstant gehalten hatten, | |
| klettern diese nun wieder. Allerdings ist der Auslöser diesmal nicht die | |
| EEG-Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien; diese sinkt nämlich zum | |
| Jahreswechsel um knapp 0,4 Cent je Kilowattstunde. Die Preiserhöhungen | |
| basieren vielmehr auf dem deutlich gestiegenen Strompreis im Großhandel. | |
| Ein Grund dafür sind vor allem die Kosten der CO2-Zertifikate, die sich in | |
| den vergangenen zwölf Monaten verdreifacht haben. Betreiber von Kohle- und | |
| Gaskraftwerken müssen diese Papiere für jede erzeugte Tonne CO2 vorweisen; | |
| ihr Preis fließt in den Börsenstrompreis ein, der am Terminmarkt binnen | |
| einem Jahr von rund 35 auf gut 50 Euro je Megawattstunde gestiegen ist. | |
| Preistreibend wirken sich zudem Kraftwerksausfälle speziell in Belgien aus. | |
| Weil von den dortigen sieben Atomkraftwerksblöcken aktuell nur zwei zur | |
| Verfügung stehen, muss Belgien gerade viel Strom importieren. Das treibt | |
| auch in den Nachbarländern die Preise. | |
| Mit einer Frist von sechs Wochen müssen Stromversorger gegenüber | |
| Haushaltskunden ihre Preiserhöhungen ankündigen, weshalb in diesen Tagen | |
| die neuen Tarife für 2019 bekannt gegeben werden. EnBW zum Beispiel erhöht | |
| in der Grundversorgung um 3,8 Prozent, die Mannheimer MVV Energie schlägt | |
| für Durchschnittshaushalte sogar um 6,2 Prozent auf. Die meisten | |
| Unternehmen dürften in den nächsten Tagen mit ihren Ankündigungen folgen. | |
| Bei Innogy zum Beispiel hieß es am Mittwoch, man rechne noch, ebenso beim | |
| Ökostromer Naturstrom. Greenpeace Energy und EWS Schönau haben bereits eine | |
| Erhöhung in ähnlicher Größenordnung wie die etablierten Anbieter | |
| angekündigt. | |
| Deutlich teurer wird die Energie auch für Haushalte, die mit Strom heizen, | |
| etwa mit Wärmepumpe oder Nachtspeicherheizung. Bei EnBW müssen sie künftig | |
| 5,9 beziehungsweise 7 Prozent mehr bezahlen. Die Erhöhungen fallen mitunter | |
| recht drastisch aus, weil viele Anbieter den Strompreis über mehrere Jahre | |
| stabil gehalten hatten. | |
| Insgesamt sind die Strompreise in den letzten Jahren in Deutschland | |
| langsamer gestiegen als die Löhne. Relativ zur Kaufkraft wurde Strom damit | |
| billiger. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln errechnet alljährlich | |
| die relevante Kennziffer, genannt Kaufkraft je Lohnminute. Während der | |
| durchschnittliche Lohnempfänger im Jahr 2013 noch drei Stunden und 49 | |
| Minuten arbeiten musste, um sich 200 Kilowattstunden Strom samt monatlicher | |
| Grundgebühr leisten zu können, sank der Wert seither; im Jahr 2017 waren es | |
| 13 Minuten weniger. | |
| Aufschlussreich ist auch der Vergleich von Strompreis und Lohnniveau in den | |
| einzelnen Ländern Europas. Zwar hat Deutschland zusammen mit Dänemark mit | |
| 30,5 Cent pro Kilowattstunde nominal die höchsten Strompreise, doch | |
| aussagekräftig wird der Vergleich erst, wenn man die Preise zum allgemeinen | |
| Lohnniveau ins Verhältnis setzt. In Bulgarien etwa bezahlen die Haushalte | |
| nur ein Drittel des deutschen Strompreises, erhalten zugleich aber nur ein | |
| Neuntel des deutschen Lohns. Damit muss in Bulgarien der durchschnittliche | |
| Lohnempfänger dreimal so lange arbeiten wie in Deutschland, um sich eine | |
| Kilowattstunde Strom leisten zu können. Stellt man diese Berechnung für | |
| alle EU-Länder an, so zeigt sich, dass Deutschlands Strompreis im | |
| Mittelfeld liegt. | |
| Ohnehin würden vermutlich die wenigsten Deutschen für billige Strompreise | |
| die Versorgungssicherheit der betreffenden Länder in Kauf nehmen wollen. | |
| Denn kein Flächenland in Europa hat so niedrige Ausfallzeiten wie | |
| Deutschland, nur kleine Länder wie die Schweiz, Dänemark und Luxemburg | |
| befinden sich auf Augenhöhe. In den gerne als Strompreisparadies | |
| beschriebenen Ländern Bulgarien, Rumänien oder Kroatien fällt der Strom | |
| zehn- bis fünfzigmal so oft aus wie in Deutschland. | |
| 16 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernward Janzing | |
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