# taz.de -- PR von Greenpeace Energy: Hauptsache schöne Schlagzeilen | |
> Der Ökostrom-Anbieter setzt auf intensive Pressearbeit. Die Botschaft ist | |
> dabei knackig – und der Umgang mit Fakten bisweilen eher kreativ. | |
Bild: Zu schön, um wahr zu sein: die Meldung, dass Greenpeace Energy den Tageb… | |
BERLIN taz | Es klang nach einer Sensation, was der Hamburger | |
Ökostrom-Anbieter Ende November [1][per Pressemitteilung verkündete]: | |
„Greenpeace Energy will die Braunkohle-Tagebaue und -Kraftwerke des | |
RWE-Konzerns im Rheinischen Revier ab 2020 stufenweise übernehmen und bis | |
2025 stilllegen.“ Der grüne David aus dem Norden will den dreckigen Goliath | |
aus dem Rheinland übernehmen – und hat sogar ein wirtschaftliches Modell, | |
wie die Stilllegung der klimaschädlichen Braunkohle-Kraftwerke für alle ein | |
Gewinn werden kann: Solche Geschichten lieben die Medien. Entsprechend | |
breit wurde die Meldung aufgegriffen. | |
Allein: Sie stimmte nicht. Wer [2][das Konzept] genauer ansah, merkte | |
schnell, dass Greenpeace Energy die Kraftwerke und Tagebaue keineswegs | |
selbst übernehmen will. Diese sollen – mitsamt der finanziellen | |
Verantwortung für MitarbeiterInnen und die langwierige und teure | |
Renaturierung der Tagebauflächen – an eine kommunale Gesellschaft | |
übergehen, die dafür mit Steuermitteln unterstützt werden soll. Selbst | |
beteiligen will sich der Ökostrom-Anbieter nur an einer | |
Betreibergenossenschaft, die ehemalige RWE-Flächen pachten und dort Wind- | |
und Solaranlagen betreiben will. Ziemlich zutreffend kommentierte RWE, es | |
handele sich um einen „Vorschlag zulasten Dritter“, den man „kaum ernst | |
nehmen“ könne. | |
Greenpeace Energy räumt auf Nachfrage lediglich ein, „dass wir noch | |
präziser hätten formulieren können“. Einen Anlass, die vielfach übernomme… | |
Falschaussage aus der Pressemitteilung zu korrigieren, sieht Sprecher | |
Michael Friedrich nicht. Stattdessen legte das Unternehmen im Dezember nach | |
und veröffentlichte [3][eine Umfrage], derzufolge 81 Prozent der Deutschen | |
das Übernahmekonzept „befürworten“. Auch dabei wird getrickst. Denn die | |
[4][detaillierten Daten] des Umfrage-Instituts Kantar Emnid zeigen, dass | |
nur 29 Prozent der Befragten das Konzept „gut und unterstützenswert“ | |
finden. Auf 81 Prozent kommt Greenpeace Energy nur, indem auch jene 52 | |
Prozent, die den Vorschlag „interessant, aber schwer umsetzbar“ finden, | |
kurzerhand zu „Befürwortern“ erklärt werden. | |
Doch auch hier geht der Plan auf: Das Unternehmen ist wieder als | |
vermeintlich wichtiger Akteur präsent. Und darum geht es bei der | |
Pressearbeit. Der Markt für echten Ökostrom ist hart umkämpft. Greenpeace | |
Energy wächst zwar kontinuierlich, hat aber immer noch deutlich weniger | |
KundInnen als die Konkurrenz von Lichtblick, Naturstrom und den | |
Elektrizitätswerken Schönau (siehe Infobox). | |
## Kreativer Umgang mit den Fakten | |
Pressearbeit, die ihre aktive energiepolitische Rolle betont, machen alle | |
diese Anbieter. Das ist nicht nur günstiger als klassische Werbung, sondern | |
erreicht die Zielgruppe der politisch interessierten StromkundInnen wohl | |
auch besser. Doch Greenpeace Energy buhlt besonders intensiv um | |
Aufmerksamkeit. So klagte man jahrelang gegen die Subventionen für das | |
geplante AKW Hinkley Point in Großbritannien – in der Sache zwar erfolglos, | |
aber mit viel Publicity. | |
Und regelmäßig gibt der Strombetreiber Studien zu energiepolitischen Fragen | |
in Auftrag und publiziert die Ergebnisse. Auch dabei zeigt sich bisweilen | |
ein kreativer Umgang mit den Fakten. So verkündete Greenpeace Energy im | |
Juni dieses Jahres: [5][„Braunkohle-Ausstieg spart jährlich fast 28 | |
Milliarden Euro.“] Nun hatte die dazugehörige Analyse des Thinktanks Forum | |
Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zwar durchaus zutreffend dargestellt, | |
dass sich durch ein Abschalten der deutschen Braunkohlekraftwerke | |
gesellschaftliche Folgekosten in dieser Größenordnung vermeiden ließen. Der | |
Großteil davon sind jedoch Klimaschäden, die rund um den Globus anfallen | |
(werden) und derzeit von niemandem erstattet werden. Zwar wäre es gut, wenn | |
sich das ändert – aber wirklich „sparen“, wie in der Überschrift von | |
Greenpeace-Energy behauptet, würde dieses bisher nicht ausgegebene Geld | |
niemand. | |
Spannend klang auch [6][eine Meldung] vom April dieses Jahres: Aus | |
regenerativem Strom erzeugtes „Windgas“ sei „in wenigen Jahren preiswerter | |
als Erdgas“, schrieb Greenpeace Energy. Das wäre sensationell, denn derzeit | |
kostet solches synthetisches Erdgas aus Windstrom etwa zehnmal so viel wie | |
konventionelles. | |
Damit die optimistische Rechnung aufgeht, wird aus der | |
[7][zugrundeliegenden Studie] des Beratungsunternehmens Energy Brainpool | |
ein Szenario mit speziellen Annahmen ausgewählt. Neben einer Senkung der | |
Fixkosten um 88 Prozent geht die Rechnung davon aus, dass der für die | |
Herstellung des Gases benötigte Windstrom fast kostenlos zur Verfügung | |
steht, während sich der Preis für fossiles Erdgas durch eine hohe | |
CO2-Abgabe mehr als verdoppelt. Erreicht werden diese Annahmen in der | |
Studie zudem im Jahr 2040 – im Sprachgebrauch nicht unbedingt „in wenigen | |
Jahren“. Doch solche Feinheiten würden wohl nur stören im Kampf um die gute | |
Sache – und neue KundInnen. | |
Offenlegung: Neben seiner freiberuflichen Tätigkeit als Umweltjournalist, | |
in deren Rahmen er als Co-Autor an diesem taz-Artikel mitgearbeitet hat, | |
ist Jörg Staude als Redakteur und Co-Geschäftsführer für das Online-Medium | |
klimareporter° tätig. Dieses wird zu einem kleinen Teil finanziert vom | |
Mitherausgeber Gero Lücking, der zugleich Geschäftsführer beim | |
Ökostromanbieter Lichtblick ist, einem Konkurrenten von Greenpeace Energy. | |
Die redaktionelle Verantwortung für den Text lag bei taz-Redakteur Malte | |
Kreutzfeldt. | |
18 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.greenpeace-energy.de/presse/artikel/greenpeace-energy-will-rwe-… | |
[2] https://www.greenpeace-energy.de/fileadmin/docs/pressematerial/Rosengarten/… | |
[3] https://www.greenpeace-energy.de/presse/artikel/jeder-dritte-bundesbuerger-… | |
[4] https://www.greenpeace-energy.de/fileadmin/docs/pressematerial/Rosengarten/… | |
[5] https://www.greenpeace-energy.de/presse/artikel/braunkohle-ausstieg-spart-j… | |
[6] https://www.greenpeace-energy.de/presse/artikel/windgas-in-wenigen-jahren-p… | |
[7] https://www.greenpeace-energy.de/fileadmin/docs/pressematerial/180419_GPE_K… | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Jörg Staude | |
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