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# taz.de -- Negative Preise an der Strombörse: Energie nicht mal mehr geschenkt
> Über Weihnachten zahlten Erzeuger dafür, dass man ihnen ihren Strom
> abnahm. Was bedeuten negative Strompreise für den Energiemarkt?
Bild: Viel Windstrom lässte die Strompreise einbrechen – kurzfristig
N egative Strompreise bedeuten: Wer Strom abnimmt, bekommt mitunter Geld
dafür. Das gibt’s?
[1][Negative Strompreise gibt es an der Strombörse immer mal wieder]. Sie
treten speziell bei geringer Nachfrage und hoher Windstromerzeugung auf, so
auch in diesen Tagen. Die Weihnachtszeit ist inzwischen recht anfällig für
negative Strompreise im Großhandel, weil mitunter ein hohes
Windstromangebot auf eine geringe Stromnachfrage trifft. Auch am ersten
Weihnachtstag von 6 bis 8 Uhr fielen die Preise an der Strombörse wieder
knapp unter null.
Wie entstehen die Strompreise an der Börse?
An der Strombörse Epex Spot bieten Betreiber von Kraftwerken jeweils am
Vortag in Stundenblöcken ihren Strom an (Spotmarkt). Zugleich kaufen
Versorger auf Basis von Verbrauchsprognosen Strom ein, um mit diesem ihre
Kunden zu beliefern. Ähnlich wie an einer Aktienbörse ergibt sich aus
Angebot und Nachfrage ein Preis. Dieser schwankt von Stunde zu Stunde.
Jedes Kraftwerk, das erfolgreich angeboten hat, wird also am nächsten Tag
zu den betreffenden Zeiten die vereinbarte Leistung liefern. So bestimmt
die Börse (Day-ahead-Handel genannt) stets zur Mittagszeit über den
Einsatzplan konventioneller Kraftwerke am nächsten Tag.
Was bewirken in diesem System die erneuerbaren Energien?
Erzeuger bieten ihren Strom üblicherweise zu dem Preis an, der die
variablen Kosten der Erzeugung deckt. Da Wind- und Solarstrom aber keine
oder nur geringe variable Kosten verursachen (bei Windkraftanlagen ein
wenig durch Verschleiß), können sie ihren Strom zu Preisen nahe null
anbieten. Anlagen, die Brennstoff benötigen, können da nicht mithalten.
Ist das eine Marktverzerrung durch die garantierten Einspeisevergütungen?
Nur teilweise. Die Systematik der Preisbildung gilt für Wind und Sonne
grundsätzlich, also auch dann, wenn die Anlagen keine garantierte Vergütung
nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) erhalten. Denn sie produzieren
ihren Strom zu Grenzkosten von praktisch null. Das heißt: Auch ohne EEG
würde der Betreiber einer Photovoltaikanlage seinen Strom lieber für knapp
über null Cent verkaufen, als die Anlage abzuschalten. Ein solches Phänomen
tritt immer auf, wenn eine Technik zwar hohe Kapitalkosten hat, aber
praktisch keine variablen Kosten. Somit werden Wind- und Solaranlagen, auch
wenn sie nicht mehr durch das EEG gefördert werden, die Strompreise
stundenweise auf null drücken, und so marktgetrieben andere Erzeuger
verdrängen.
Warum wird der Preis negativ?
Das ist nun die Konsequenz der fixen Vergütungen. Die Anlagen bekommen ihre
festen Tarife und speisen deswegen auch dann Strom ein, wenn die Preise
negativ sind. Würden sie am Markt agieren, würden sie in diesem Fall
abschalten. [2][Aber die Erneuerbaren sind nicht allein für die negativen
Preise verantwortlich]: „Negative Stundenstrompreise resultieren unter
anderem aus der Inflexibilität im konventionellen Kraftwerkspark“, sagt
Mirko Schlossarczyk von der Berliner Beratungsfirma enervis energy
advisors. Denn für Atom- und Braunkohlekraftwerke ist es mitunter billiger,
Geld an Stromabnehmer zu bezahlen, als die Anlagen kurzzeitig stark zu
drosseln oder abzuschalten. Denn starker Lastwechsel erhöht bei diesen
Anlagen den Verschleiß.
Was sind die Konsequenzen negativer Preise ?
Stromerzeuger bezahlen an die Abnehmer, zum Beispiel Pumpspeicherwerke. Bei
EEG-Anlagen fließen die Kosten in die EEG-Umlage ein. Auswirkungen haben
negative Preise aber inzwischen auch auf den Betrieb von neueren
EEG-Anlagen: Verharrt der Preis sechs Stunden am Stück oder länger unter
null, erhalten diese keine EEG-Vergütung mehr. Das kam in diesem Jahr
bereits fünfmal vor. Nebenbei: Dieser Effekt ist zu unterscheiden von
Abschaltungen aufgrund von Netzengpässen. Bei einem solchen erhalten die
Betreiber eine Entschädigung.
Werden die Stunden mit negativen Preisen immer häufiger, je mehr
Windkraftanlagen gebaut werden?
Theoretisch wäre das der Fall bei ansonsten unveränderten
Rahmenbedingungen. Doch Marktbeobachter gehen davon aus, dass die
Gegenbewegungen stärker sind. „Schon Mitte des kommenden Jahrzehnts wird
man negative Preise nur noch selten sehen“, ist Branchenkenner
Schlossarczyk überzeugt. Zum einen, weil ab 2021 zahlreiche
Windkraftanlagen aus dem EEG fallen. Die, die trotzdem in Betrieb bleiben,
dürften bei negativen Preisen fortan abgeschaltet werden. Hinzu kommt, dass
in den nächsten Jahren einige unflexible Kraftwerke (speziell durch den
Atomausstieg) vom Netz gehen werden. Die konventionelle Einspeisung in
Zeiten von viel Wind wird also abnehmen.
Reduziert auch eine CO2-Bepreisung die Häufigkeit negativer Preise?
Darüber kann die Branche nur spekulieren, weil die Preisbildung sehr
komplex ist. Grundsätzlich hebt ein CO2-Preis das Preisniveau am
Strommarkt. Wie sehr sich das allerdings in den Stunden extremer
Windstromerzeugung bemerkbar macht, ist selbst unter Marktkennern strittig.
Fakt ist, dass von Juni bis November 2018 keine negativen Preise auftraten,
während es im Vergleichszeitraum des Vorjahr 27 Stunden gab. Das höhere
Preisniveau am Spotmarkt durch den zwischenzeitlich deutlich gestiegenen
CO2-Preis könnte also eine Ursache sein – allerdings auch die zeitweise
geringere Windstrommenge in diesem Jahr. 2017 gab es 82 Stunden mit
negativen Preisen, das sind 0,9 Prozent des Jahres. 2018 gab es bislang 73
Stunden.
27 Dec 2018
## LINKS
[1] /Energieproduktion-mit-Ueberschuss/!5475784
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## AUTOREN
Bernward Janzing
## TAGS
Erneuerbare Energien
Strompreis
Windkraft
Energiewende
Ökostrom
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
Strompreis
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