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# taz.de -- Debatte Profite durch Netzentgelte: Überhöht und unfair verteilt
> Die Netzentgelte steigen deutlich an, denn die Betreiber kassieren hohe
> Renditen. Besonders viel zahlen KundInnen im Norden und Osten.
Bild: Die Netzentgelte für den Transport der Energie müssen neu gestaltet wer…
Im Oktober gab es in den vergangenen Jahren stets große Aufregung um die
Strompreise – denn dann wird die neue EEG-Umlage bekannt gegeben, also die
Gebühr, mit der sich Stromkunden am Ausbau der erneuerbaren Energien
beteiligen müssen. In diesem Jahr blieb es allerdings vergleichsweise
ruhig.
Zwar haben einige Medien und Interessenverbände den leichten Anstieg der
Umlage von 6,35 auf 6,88 Cent pro Kilowattstunde wieder genutzt, um
Untergangsszenarien an die Wand zu malen, die Energiewende insgesamt
infrage zu stellen. In weiten Teilen der Gesellschaft hat sich jedoch
inzwischen herumgesprochen, dass die EEG-Umlage der falsche Maßstab ist, um
Aussagen über die Entwicklung des Strompreises zu machen.
Entscheidend ist die Summe aus der Umlage und dem Preis, der an der
Strombörse für die Elektrizität bezahlt werden muss. Und diese ist in den
letzten Jahren fünf Jahren sogar leicht gesunken, weil der Börsenstrompreis
– vor allem durch den Zuwachs beim Ökostrom – stärker zurückging, als die
EEG-Umlage gestiegen ist. Die Energiewende hat also in den letzten Jahren
nicht mehr zu steigenden Stromrechnungen geführt – zumindest wenn die
VerbraucherInnen aufmerksam waren und den Anbieter gewechselt haben, wenn
dieser die sinkenden Börsenpreise nicht weitergegeben hat.
Trotzdem werden viele VerbraucherInnen in den nächsten Wochen wieder Briefe
von ihren Stromanbietern bekommen, in denen Preiserhöhungen bekannt gegeben
werden. Grund sind vor allem die steigenden Netzentgelte. Das ist jene
Gebühr, mit der VerbraucherInnen den Bau und Unterhalt der Stromnetze sowie
technische Ausgleichsmaßnahmen in diesen Netzen bezahlen. Und hier gibt es
teilweise erhebliche Steigerungen.
Diese fallen regional aber sehr unterschiedlich aus: Während im Norden und
Osten der Republik – Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern – mit einem deutlichen Anstieg
der Netzentgelte gerechnet wird, bleiben sie im Südwesten –
Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland –
meist stabil oder sinken sogar leicht. Die ohnehin schon bestehenden
Unterschiede steigen damit weiter: In Stuttgart zahlen private
StromkundInnen mit einem Durchschnittsverbrauch 5,8 Cent pro
Kilowattstunde, in Mecklenburg-Vorpommern wird mit 11,9 Cent mehr als
doppelt so viel in Rechnung gestellt. Nur wenige Stromanbieter haben darum
noch bundesweit einheitliche Tarife, die meisten nehmen regional
verschiedene Preise, die die unterschiedlichen Netzentgelte weitergeben.
Grund für diese großen Differenzen ist das unfaire Verteilungssystem für
die Netzkosten. Denn anders als die EEG-Umlage, die bundesweit in gleicher
Höhe erhoben wird, egal wo die damit geförderten Windräder oder
Solaranlagen entstehen, werden die Netzkosten – mit Ausnahme der Anbindung
der Offshore-Windparks – nur im jeweiligen Netzgebiet umgelegt, in dem sie
anfallen. Das heißt: Wo besonders viele Windparks entstehen und darum die
Stromnetze ausgebaut werden müssen, werden die betroffenen Regionen, die
ohnehin unter den Landschaftseingriffen leiden, zudem noch finanziell
bestraft. Sie zahlen am meisten für die Energiewende.
Dieses Problem ließe sich leicht durch eine bundesweite Vereinheitlichung
der Netzentgelte lösen. Angesichts von fast 900 regionalen Netzbetreibern
im Bundesgebiet wäre eine Verrechnung der jeweiligen Kosten allerdings mit
erheblichem Aufwand verbunden. Doch zumindest eine teilweise Angleichung
wäre sehr einfach möglich. Die Fernleitungen (im Fachjargon
Übertragungsnetz genannt) werden nämlich nur von vier Unternehmen
betrieben, sodass ein Ausgleich zumindest dort problemlos möglich wäre. Und
bei den regionalen Leitungen, dem sogenannten Verteilnetz, wäre zumindest
eine Annäherung möglich.
Denn bisher werden regionale Netzbetreiber sogar durch eine zusätzliche
Abgabe belastet, wenn in ihrem Gebiet besonders viel Ökostrom eingespeist
wird. Diese sogenannten vermiedenen Netzentgelte stammen aus der
Anfangsphase der Energiewende, als Ökostrom komplett vor Ort verbraucht
wurde und damit die Netze entlastet hat. Weil sich das inzwischen ins
Gegenteil verkehrt hat, gehört diese Regelung abgeschafft. Die regionalen
Preisunterschiede würden sich dadurch erheblich verringern.
Das Bundeswirtschaftsministerium wollte hier bereits aktiv werden, doch es
gibt Widerstand aus jenen Ländern, die unter einer gerechteren Verteilung
leiden würden.
## Gewinn ohne Risiko
Doch neben der unfairen Verteilung der Netzkosten lässt sich auch deren
Gesamthöhe verringern – und damit würde man die Stromkunden entlasten. Denn
die Betreiber der Netze dürfen nicht nur sämtliche entstandenen Kosten auf
die VerbraucherInnen umlegen. Sie bekommen auf ihr Eigenkapital zudem eine
ansehnliche Rendite. Für neue Netze lag diese bisher bei über 9 Prozent. Ab
2018 will die zuständige Bundesnetzagentur sie zwar auf 6,9 Prozent senken.
Doch auch das ist immer noch deutlich zu viel.
Denn das Geschäft ist für Investoren praktisch risikolos: Stromnetze sind
ein natürliches Monopol, bei dem alle Investitionen zwangsweise auf die
Kunden umgelegt werden. Für eine so sichere Anlage scheint eine Rendite von
6,9 Prozent Zinsen angesichts der aktuellen Niedrigzinsen deutlich
überhöht. Dass die Netzagentur in ihren komplexen Berechnungen zu einem so
hohen Wert kommt, liegt unter anderem daran, dass sie auch die Jahre vor
der Finanzkrise in den Durchschnittszins mit einbezieht und bei der
Risikoermittlung auch Unternehmen, die mit den deutschen Netzbetreibern
kaum vergleichbar sind.
Gegen jede Erhöhung der EEG-Umlage gab es in der Politik in der
Vergangenheit laute Proteste – gern mit dem Verweis auf die Traumrenditen,
die die Betreiber von Solaranlagen und Windrädern angeblich kassieren.
Inzwischen sind die Renditen im Stromnetz jedoch deutlich höher – und die
Belastung der StromkundInnen ebenso. Wer wirklich etwas für sie tun will,
sollte sich in der nächsten Zeit darum darauf konzentrieren, diese Gebühren
zu senken und endlich gerechter zu verteilen.
25 Oct 2016
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
Strompreis
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