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# taz.de -- Windkraft-Gipfel der Bundesregierung: Wind machen gegen die Flaute
> Der Ausbau der Windkraft lahmt. Vor einem Gipfel im
> Wirtschaftsministerium fordern Verbände mehr Flächen und weniger
> Artenschutz.
Bild: Auch in der Fertigung ist die Flaute zu spüren – wie hier in Rostock
Die Situation ist paradox: Um den Ausstoß von Kohlendioxid zu verringern,
setzt sich die Regierung zunehmend ehrgeizige Ziele. So sollen 2030 rund 65
Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen fließen. Leider jedoch werden
derzeit viel zu wenig Windanlagen gebaut. Im ersten Halbjahr 2019 waren es
unter dem Strich an Land nur 35 – in der ganzen Bundesrepublik. Nötig wären
etwa 1.500 pro Jahr.
Bis vor Kurzem dachte man, die Flaute sei eine vorübergehende Reaktion auf
das neue Versteigerungsverfahren für die Auswahl von Windparks. Nun geht
das Elend aber weiter: Auf die aktuellen Ausschreibungen der
Bundesnetzagentur [1][bewerben sich weniger Windfirmen als möglich].
Um eine Lösung für das Problem zu finden, hat Bundeswirtschaftsminister
Peter Altmaier (CDU) die Branche an diesen Donnerstag zu einem Krisengipfel
eingeladen. Im Vorfeld forderten neun Wirtschafts- und Umweltverbände, der
Minister solle sich dafür einsetzen, dass mehr Flächen für Windräder
ausgewiesen und Genehmigungen schneller erteilt werden.
Als Ursachen für das lahme Tempo nannte Katherina Reiche, Geschäftsführerin
des Stadtwerke-Verbandes (VKU), vor allem mangelnde Flächenausweisungen für
den Bau von Windanlagen und langwierige Genehmigungsverfahren. Unter
anderem aus Angst vor Klagen seien Länder- und Kommunalbehörden inzwischen
sehr vorsichtig, so Reiche. Genehmigungen bräuchten mittlerweile bis zu
drei Jahren, ergänzte Susanna Zapreva vom städtischen Energiedienstleister
Enercity aus Hannover. Früher seien solche Verfahren in einem Jahr über die
Bühne gegangen. Reiche verlangte „ein umfassendes Beschleunigungs- und
Akzeptanzprogramm“.
## Stadtwerke wollen „verbindliche Flächenziele“
In einem „institutionalisierten Dialog“ sollten Bund, Länder und Gemeinden
den Flächenbedarf analysieren und festlegen, schlugen unter anderem der
Energieverband BDEW, der Windverband BWE und Greenpeace vor. Die
Stadtwerke, die selbst viele Windanlagen betreiben, plädierten dafür,
„verbindliche Flächenziele für die Bundesländer festzulegen“. Diese müs…
dann auch für Bayern und Baden-Württemberg gelten, wo bis heute kaum
Rotoren zu sehen sind. Etwa 2 Prozent der Fläche Deutschlands sollte für
die Windkraft zur Verfügung stehen, heißt es beim VKU.
Die neun Verbände sprechen sich dafür aus, bestehende Abstandsregeln zu
knacken. So legte die CDU-geführte Landesregierung Nordrhein-Westfalens
fest, dass Windräder grundsätzlich 1.500 Meter von Siedlungen entfernt
stehen müssen. Das reduziert die geeigneten Flächen. Laut VKU ist auch das
Problem mit der Flugsicherung zu lösen. Hierzulande dürfen Windräder nur im
Abstand von 15 Kilometern zu sogenannten Funkfeuern stehen, die für die
Orientierung von Flugzeugen wichtig sind. International sei dagegen ein
Abstand von 10 Kilometern ausreichend, sagte Enercity-Vorständin Zapreva.
Außerdem müssten die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, forderte
der VKU. Das Bundeswirtschaftsministerium solle dabei auch
„gesetzgeberisch“ tätig werden, so Katherina Reiche. Es gehe unter anderem
darum, die Fristen für Stellungnahmen der am Verfahren beteiligten Behörden
zu verkürzen. Heute können Landes- und Kommunalämter Genehmigungen
verzögern, indem sie sie monatelang nicht bearbeiten. Dies stieß allerdings
auf Widerspruch beim Naturschutzbund.
Ein weiteres Ärgernis ist aus Sicht der Verbände der zu strenge Artenschutz
für Vögel und andere Tiere im Bundesnaturschutzgesetz. Sie fordern, den
Paragrafen 45 so zu ergänzen, dass für Windräder Ausnahmen vom Artenschutz
gelten können. Schließlich helfe die Windenergie, den Klimawandel zu
verlangsamen, durch den viele Tiere und Pflanzen ausstürben.
Schließlich müssten bereits bestehende Standorte von Windanlagen ohne
aufwändige Neugenehmigung weitergenutzt werden dürfen, wenn die Betreiber
alte Rotoren durch moderne ersetzen. Der VKU plädiert ferner dafür, dass
Städte und Gemeinden besser an den finanziellen Erträgen der Windparks
beteiligt werden. Das steigere die Akzeptanz.
## Jobabbau in der Branche
Vor dem Windgipfel [2][meldete sich am Mittwoch auch die
Industriegewerkschaft Metall]. Ihre Befragung von Betriebsräten bei 31
Windanlagen-Herstellern und Servicefirmen ergab, dass seit Anfang 2018
Tausende Stellen verloren gingen. Damit setze sich der Jobabbau in der
Windindustrie fort. 2016 und 2017 ist die Zahl der Arbeitsplätze bereits
von rund 160.000 auf etwa 130.000 gesunken. „Wenn Politik und Unternehmen
nicht zügig gegensteuern, droht der Branche das gleiche Schicksal wie der
Solarindustrie, die bis auf einzelne Unternehmen aus Deutschland
verschwunden ist“, sagte Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall
Küste.
Claudia Kemfert, Ökonomin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
in Berlin, forderte die Regierung auf, die Ausschreibungsmengen deutlich zu
erhöhen. Die Bundesnetztagentur versteigert derzeit begrenzte
Ökoenergie-Leistungen an Stromproduzenten, damit die Kosten für die
Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zu sehr steigen. „Die Mengen an
ausgeschriebenen Kapazitäten müssen mindestens verdoppelt werden, da mit
dem Kohleausstieg ein deutlich schnellerer Zubau von erneuerbaren Energien
notwendig sein wird“, sagte Kemfert.
5 Sep 2019
## LINKS
[1] /Stockender-Ausbau-von-Windraedern/!5619250
[2] https://www.igmetall.de/politik-und-gesellschaft/wirtschaftspolitik/industr…
## AUTOREN
Hannes Koch
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