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# taz.de -- Neue „Smart Meter“ kommen: Der Strom in der Blackbox
> Sogenannte Smart Meter sollen die Energiewende vorantreiben – erzeugen
> aber auch viele sensible Daten. In Berlin hat der Einbau der Geräte
> begonnen.
Bild: Rein optisch ist der smarte Zähler auch nur ein kleiner grauer Kasten
Der schwarze Koffer erinnert ein bisschen an jene in den alten
James-Bond-Filmen, wo sie üblicherweise eine Atombombe enthalten, die Roger
Moore kurz vor der Detonation entschärft. Auf einem kleinen Tastatur-Pad
gibt der Techniker einen Code ein, hält es an einen Sensor am Koffer, es
piepst und klickt, das Schloss springt auf. In der Kiste befinden sich –
Stromzähler.
Dass die auf ihrem Weg vom Hersteller bis zum Verteilerkasten in einem
Top-Secret-Prozedere namens SiLKe (Sichere Lieferkette) befördert werden,
hat seinen Grund: Es handelt sich um „Smart Meter“, die neue Generation
digitaler Messgeräte, die den Stromverbrauch nicht nur detailliert
aufzeichnen, sondern diese Daten auch kontinuierlich an den Energieerzeuger
senden. Jegliche Manipulation soll hier von vornherein ausgeschlossen
werden.
Am Dienstag hatten die Smart Meter ihren Einstand in Berlin: Vier Jahre
nachdem der Bundestag solche Geräte für Großkunden mit mehr als 6.000
Kilowattstunden (kWh) Jahresverbrauch per Gesetz zur Pflicht machte, und
ein Dreivierteljahr nachdem das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik (BSI) mehrere Firmen zur Produktion legitimiert hat,
startete die Stromnetz Berlin GmbH den „Rollout“, also den Einbau der
schlauen Geräte.
Symbolträchtiger Ort war der EUREF Campus in Schöneberg, ein Unternehmens-
und Forschungsgelände, wo Innovationen nicht nur entwickelt, sondern auch
real eingesetzt werden. Hier wurden rund 80 Messstellen digital
aufgerüstet.
„Mit dem Einsatz der Smart Meter tut sich eine komplett neue Welt auf“,
sagte Thomas Schäfer. Der Geschäftsführer der Stromnetz Berlin, einer
Tochter des Energiekonzerns Vattenfall, erklärte die Vorteile der neuen
Technologie: Sie erlaube es den Erzeugern, zeitnah und flexibel auf
Schwankungen im Verbrauch zu reagieren, während die Abnehmer künftig dank
neuer Tarife ihren Konsum zeitlich intelligent steuern könnten, was ganz im
Sinne der Energiewende sei.
## Strom ziehen, wenn er billig ist
Noch gibt es solche Tarifangebote kaum. Wenn sie aber kommen, kann etwa ein
Windkraft-Erzeuger bei Volllast auf einen günstigeren Preis
herunterschalten – und die Verbraucher programmieren ihre Geräte oder
Energiespeicher so, dass diese den Strom vorzugsweise in diesen Zeiten
abnehmen. Vorteile bietet die Technologie auch allen, die Strom sowohl aus
dem Netz beziehen als auch selbst produzieren, etwa mit einer
Photovoltaikanlage.
Das ist auch für Privathaushalte interessant. Sie erhalten aber nur eine
abgespeckte Variante des Zählers. Die genaue Verbrauchskurve kann nur bei
einem digitalen Ablesevorgang vor Ort heruntergeladen werden, die
Stromrechnung enthält dann eine monatsgenaue Übersicht. Wahrscheinlich
werden in absehbarer Zukunft Geräte und Apps auf den Markt kommen, mit
denen PrivatkundInnen die Zähler selbst per App auslesen können. Noch gibt
es sie nicht, „aber diese Produkte werden kommen“, versprach Schäfer.
Diese Light-Variante (offizielle Bezeichnung: „modernes Messgerät“) wird
schon seit drei Jahren verbaut, rund 260.000 Haushalte haben sie schon –
und zahlen dafür 20 Euro zusätzlich im Jahr. Auch private Abnehmer können
aber die 6.000-kWh-Marke überspringen und Smart-Meter-pflichtig werden, was
den Jahrespreis auf rund 100 Euro hochtreibt: dann nämlich, wenn ein
Haushalt mit fünf oder sechs Personen ein Elektroauto privat „betankt“.
An die Datenschutzproblematik, die mit dem „smarten“ Messen und Übermitteln
verknüpft ist, erinnerte Frank Nägele, Staatssekretär in der Senatskanzlei.
Er zeigte sich begeistert von der Kooperation der Verwaltung mit Stromnetz
Berlin, mahnte aber auch: „Dieses kleine Gerät holt Informationen von den
Menschen. Wir müssen genau aufpassen, was mit den Informationen passiert.“
Um Gefahren wie etwa dem Hacken von Energienetzen vorzubauen, versprach
Nägele, im weiteren politischen Prozess „Leitplanken und Leitlinien“ zu
errichten“.
Viele Fragen zum „Smart Meter“ beantwortet diese [1][Info-Seite der
Verbraucherzentrale Bundesverbands].
6 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/energie/preise-tarife-anbieterwec…
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Smart City
Datenschutz
Energiewende
Strom
Stromnetz
Energiewende
Spanien
Finanzsenator Matthias Kollatz
Energiewende
Stromzähler
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