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# taz.de -- Winter-Desaster in Texas: Die Rechnung für den Stromausfall
> Flexible Stromtarife könnten bei der Energiewende helfen. Es sei denn,
> man reguliert den Strommarkt so schlecht wie der US-Bundesstaat Texas.
Bild: Schlecht vernetztes Texas: Reparaturarbeiten nach der Kältewelle im Febr…
Freiburg taz | Bisher ist es in Deutschland eher Theorie: dass Strom für
normale Verbraucher [1][wie im Großhandel unterschiedlich viel kostet] – je
nachdem, wie viel Strom es gerade gibt. Der Druck, das in die Praxis zu
überführen, wird mit der Energie- und Verkehrswende zunehmen.
Die Idee: Wer sein E-Auto lädt oder die Waschmaschine anstellt, während der
Strom gerade reichlich ist, spart Geld. So könnte vermieden werden, dass
die Nachfrage nach Strom ausgerechnet am größten ist, wenn gerade weder die
Sonne scheint noch der Wind weht.
Nun schürt ein Ereignis in den USA aber Ängste. Läuft man dadurch Gefahr,
bei Stromknappheit astronomische Stromrechnungen zu bekommen, wie gerade in
Texas geschehen? Dort hatte eine [2][extreme Kältewelle im Februar]
zahlreiche Stromkunden hart getroffen – und nicht nur, weil mehr als 4
Millionen Haushalte [3][teils tagelang gar keinen Strom hatten].
Tausende erhielten für das bisschen Strom, das es doch gab, Rechnungen über
mitunter 10.000 US-Dollar. Es sind diejenigen, die einen Stromtarif gebucht
hatten, der eins zu eins an die Großhandelspreise gekoppelt war – wohl in
der Hoffnung, die niedrigen Preise bei großem Stromangebot ausnutzen zu
können.
## In Deutschland wäre das unwahrscheinlich
Während des Stromausfall-Desasters war aber natürlich das Gegenteil der
Fall. Strom war knapp und die Preise explodierten. Der Stromversorger
Griddy, der 29.000 Kunden so versorgte, hat infolgedessen Insolvenz
angemeldet.
Dass eine solche Situation in Deutschland eintritt, ist eher
unwahrscheinlich. Erstens sind derartige Preisspitzen hier derzeit gar
nicht möglich. An der europäischen Strombörse Epex Spot sind im vortägigen
Handel die Preise für eine Kilowattstunde auf 3 Euro pro Kilowattstunde
gedeckelt. An der texanischen Strombörse Ercot North Hub lag der Preis fünf
Tage lang auf dem zulässigen Höchstwert von 9 Dollar – das Dreihundertfache
des Normalwertes.
Zweitens ist das deutsche Stromsystem in einiger Hinsicht besser
aufgestellt, sodass eine solche Stromknappheit von vornherein
unwahrscheinlicher ist. Die Stromversorgung in Texas hat Besonderheiten.
Dazu zählt vor allem die Netzstruktur der eigenwilligen Texaner: Sie haben
ihr Stromsystem weitgehend separiert; Texas kann nur wenige Gigawatt über
Gleichstromverbindungen aus anderen Staaten beziehen.
Das ist in Europa anders. Auch die 3 Euro Höchstpreis sind deshalb bisher
eher ein theoretischer Wert, weil im europäischen Verbundsystem regionale
Preisspitzen unwahrscheinlicher sind als in einem weitgehend autonomen Netz
texanischer Art.
Entsprechend moderat waren in den letzten Jahren in Deutschland die
Börsenhöchstwerte: 2020 lag die teuerste Stunde des Jahres gerade bei 20
Cent pro Kilowattstunde, nur eine weitere bei 18,9 Cent. Alle anderen
blieben unter 15 Cent.
## Texanische Eigenbrötelei
Auf einen Schulterschluss mit anderen Regionen hat Texas aber bewusst
verzichtet, als in der Geschichte der Stromwirtschaft überall die Netze
zusammenwuchsen. Grund der Eigenbrötelei: Die Stromwirtschaft unterliegt
damit nicht der Bundesaufsicht. Stattdessen darf Texas in Eigenregie
handeln.
Dies geschieht aber offenbar eher schlecht als recht; der seit dem Jahr
2002 deregulierte Strommarkt ist eine Art Wildwest-Ökonomie.
Der Houston Chronicle, die größte Tageszeitung in Texas, [4][erinnerte]
bereits 2019 daran, dass „Transparenz ein Schlüssel zu gut funktionierenden
und effizienten freien Märkten“ sei. In Texas jedoch seien „die Strommärk…
eher Milchglas als klare Scheiben“. Entsprechend sei der texanische Markt
anfällig für Manipulationen.
Hinzu kommt, dass der Preiskampf dort unerbittlich ist, weshalb die
Unternehmen vermeintlich unnötige Investitionen oft unterlassen. Das
Stromsystem ist daher auch für niedrige Temperaturen schlecht gerüstet.
Die Anlagen der Gaswirtschaft – Gas ist mit Abstand der wichtigste
Energieträger im texanischen Strommix – konnten zum Teil ebenso wenig mit
der jüngsten Kältewelle umgehen wie viele Windkraftanlagen, bei denen
Investoren auf eine Rotorblattheizung verzichtet hatten.
Mehr als 30 Gigawatt, ein gutes Drittel der Erzeugung, fielen dadurch weg.
Kaskadenartig brachen die Kraftwerke weg, etwa, weil Gaspumpen ausfielen
und so unweigerlich weitere Gaskraftwerke in den Stillstand trieben. Hinzu
kam eine extrem hohe private Stromnachfrage, weil Stromheizungen in Texas
weit verbreitet und die Häuser oft schlecht gedämmt sind.
Unterdessen hatten weiter im Norden der USA Unternehmen bei ähnlichen
Temperaturen von zum Teil unter minus 20 Grad die Versorgung im Griff – es
war in Texas also ein hausgemachtes Problem.
So berichteten lokale Nachrichtenagenturen, die texanische Stadt El Paso,
die sich an der Grenze zu New Mexico befindet und bereits an einem anderen
Übertragungsnetz als dem texanischen hängt, sei weitgehend von den
Ausfällen verschont geblieben.
24 Mar 2021
## LINKS
[1] /Flexible-Energiekosten-fuer-Verbraucher/!5609740
[2] /Extremes-Winterwetter-in-den-USA/!5752977
[3] /Extreme-Kaelte-in-den-USA/!5747388
[4] https://www.houstonchronicle.com/business/energy/article/Analysis-The-murky…
## AUTOREN
Bernward Janzing
## TAGS
Energiewende
Texas
Stromausfall
Ressourcenverbrauch
USA
Wetter
Energiewende
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